DVZ vor Ort: Harmonische Abläufe für wertvolle Instrumente
Daniel Fischer nimmt einen Fender Jazz Bass in die Hand, steckt das Klinkenkabel in einen Verstärker und beginnt zu spielen. Nach ein paar Takten weiß er: „Das ist genau das, wonach ich gesucht habe.“ Vor zwei Monaten hatte der semiprofessionelle Musiker einen online bestellten Bass – ebenfalls von Fender – wieder zurückgeschickt, weil ihm der Klangcharakter des Instruments nicht gefiel. Selbst baugleiche Modelle können mitunter sehr verschieden klingen. Deshalb ist er jetzt zum Ladengeschäft von Music Store im Kölner Stadtteil Kalk gefahren, um dort den richtigen Bass zu finden.
Von außen wirkt das Gebäude wie ein riesiges Kaufhaus. Auf vier Etagen verteilen sich Musikinstrumente aller Art, in den Ausstellungsräumen reihen sich Hunderte von Gitarren, Bässen, Blas-, Tasten- und Schlaginstrumenten aneinander. Dazu gibt es Studiotechnik und Audio-Equipment aller Art – vom Kopfhörer bis zum 32-Kanal-Mischpult. Hinzu kommen jede Menge Klein- und Ersatzteile. Mit einer Verkaufsfläche von über 5.500 Quadratmetern gehört das Geschäft zu den größten weltweit.
Direkt angrenzend befindet sich ein 15.000 Quadratmeter großes Versandzentrum mit einem 22 Meter hohen Hochregallager, das Platz für 14.000 Paletten bietet. Hinzu kommt ein automatisches Kleinteilelager (AKL) mit rund 20.000 Stellplätzen. Der Logistikkomplex ist deutlich größer als das Ladengeschäft. Immerhin macht das Unternehmen etwa vier Fünftel seines Umsatzes über die Webseite. Kunden wie Fischer sind somit eher die Ausnahme. Viele kommen, um auszuprobieren und später online zu bestellen.
Die Preisspanne des Sortiments ist enorm: Der teuerste Flügel, der im Webshop von Music Store gelistet ist, kostet 453.000 Euro. Ein Plektrum – ein kleines Plastikteil zum Gitarrespielen – kostet dagegen nur 15 Cent. Doch kaum jemand wird einen Flügel in dieser Preisklasse online bestellen. Die meisten Bestellungen bewegen sich zwischen 20 und 20.000 Euro. „Zu den am häufigsten online bestellten Artikeln gehören Trommelstöcke und Gitarrensaiten“, sagt Jan Brinkman, Logistikmanager bei Music Store. Er ist täglich im Versandlager unterwegs, spricht mit den Mitarbeitern, inspiziert die Technik und schaut, wo Abläufe verbessert werden können.
Der Standort ist seit Mai 2011 in Betrieb. Damals zog der Musikalienhändler aus der Kölner Innenstadt in das neue Ladengeschäft. Die seinerzeit hochmoderne Technik des Versandlagers mit automatischer Materialflusssteuerung und Pick-by-Light-Kommissionierplätzen ist mittlerweile in die Jahre gekommen. Aber auf einige technische Eigenentwicklungen ist Brinkman immer noch stolz. Zum Beispiel auf das Lagerverwaltungssystem „Warehouse Beast“, das alle Materialflüsse steuert. Manchmal wünscht sich Brinkman allerdings eine Funktion, mit der der Materialflussrechner umgangen werden kann, um Lagerplätze direkt anzufahren.
Im Hochregallager wird doppelt tief gelagert Paletten mit der gleichen Ware werden nicht immer hintereinander gestellt. Pro Stunde können 240 Paletten rein- und rausgefahren werden, um Kundenaufträge zu kommissionieren. Zusätzlich gibt es ein Blocklager, das eigentlich ein Schwerlastregallager ist. Hier werden große und schwere Instrumente aufbewahrt, die nicht für das Hochregallager geeignet sind. Dazu gehören unter anderem Digitalpianos und Keyboards mit 88 gewichteten Tasten.
Internationale Reichweite ausbauen
Die Zahl der Mitarbeiter im Versandlager variiert je nach Saison. In der Regel sind 50 bis 60 Mitarbeiter vor Ort, in der Weihnachtszeit können es bis zu 100 sein. „In einer normalen Tagesschicht versenden wir bis zu 7.000 Pakete“, berichtet Brinkman. Pro Jahr werden rund 1 Million Sendungen bearbeitet. Der Großteil davon ist für das Inland bestimmt. Music Store will seine internationale Reichweite ausbauen. Dazu sollen unter anderem die SEO-Texte und Artikelbeschreibungen im Webshop optimiert werden.
Im Wareneingang treffen täglich durchschnittlich eineinhalb Container mit Musikinstrumenten und Audio-Equipment ein. Jeder Artikel wird gewogen und mit den hinterlegten Stammdaten verglichen. Je nach Art der Ware wird sie palettiert im Hochregallager oder im AKL eingelagert. Die Pflege der Stammdaten ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für reibungslose Abläufe. „Music Store verlässt sich nicht auf Herstellerangaben, die manchmal fehlerhaft sind“, sagt Brinkman. Alle Gewichtsangaben für die 50.000 Artikel des Gesamtsortiments hat die Logistikabteilung selbst ermittelt.
Was Brinkman ärgert, sind beschädigte Kartons von Herstellern oder Lieferanten im Wareneingang. „Die Mitarbeiter sind angewiesen, solche Sendungen nicht anzunehmen, sondern an den Hersteller zurückzuschicken“, betont er. Denn man könne nicht sicher sein, dass die Verpackung große und empfindliche Instrumente wie Keyboards oder E-Pianos bei Stößen oder Stürzen immer ausreichend schützt. Außerdem seien die Kunden manchmal unzufrieden, wenn die Artikel in beschädigten Originalverpackungen geliefert werden. „Dann ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass die Ware zurückgeschickt wird“, so Brinkmans Erfahrung.
Die Einlagerung erfolgt nach einem ABC-Kategorisierungssystem, das auf der Durchlaufzeit der Artikel basiert. Top-Seller, die häufig bestellt werden, befinden sich an leicht zugänglichen Stellen, während Langsamdreher weiter hinten gelagert werden.
Der Ablauf von der Kundenbestellung bis zum Versand ist weitgehend automatisiert. Sobald eine Bestellung im Webshop eingeht, wird sie an das Warenwirtschaftssystem übermittelt. Dort wird geprüft, ob die Artikel auf Lager sind, und die Bestellung wird weitergeleitet. Anschließend wird die optimale Kartongröße berechnet, und die Artikel werden aus dem Lager kommissioniert. Vor dem Versand werden beispielsweise Gitarren und Bässe einer intensiven Qualitätskontrolle unterzogen. Damit stellt Music Store zum einen sicher, dass alle Produkte in einwandfreiem Zustand sind. Zum anderen werden die Instrumente so eingestellt, dass sie beim Kunden sofort einsatzbereit sind.
Eine weitere technische Besonderheit ist das sogenannte Tetris-System. Der Name ist eine Anspielung auf ein Computerspiel aus den 80er Jahren, bei dem geometrische Formen möglichst lückenlos nebeneinander gelegt werden müssen. Beim Packen der Kartons ist es ähnlich – nur dreidimensional. „Mit Tetris wird jeder Artikel sechs Mal gegen sechs gedreht, um herauszufinden, wie der Raum in den Kartons entsprechend der Bestellung am besten genutzt werden kann“, erklärt Brinkman. Es gibt 30 verschiedene Kartontypen. Je nach Größe und Gewicht werden die fertigen Pakete mit Klebeband verschlossen oder geklammert.
Einige Top-Seller werden nicht über Paletten kommissioniert, sondern manuell aus einem bestimmten Lagerbereich gepickt. Dafür erhält der Lagermitarbeiter die Auftragsliste auf einem Tabletcomputer. In der Zone lagern auch Artikel, die ein besonderes Handling bei der Kommissionierung erfordern, wie beispielsweise Trommelfelle und Becken.
Prüfung der Versandkosten
Jeder Artikel wird vor dem Versand erneut gewogen und fotografiert, um die vom Transportdienstleister berechneten Versandkosten zu überprüfen und eventuelle Fehler zu minimieren. An dieser „Fehlerstelle“ genannten Station werden Kartons aussortiert, bei denen das zuvor ermittelte Gewicht nicht stimmt. Gründe hierfür können sein, dass der Kommissionierer den falschen Artikel gepickt hat oder die Stammdaten fehlerhaft sind.
Für den Versand arbeitet Music Store hauptsächlich mit DHL, UPS und DPD zusammen. Diese Auswahl ermöglicht es, je nach Paketgröße und Zielregion den am besten geeigneten Anbieter zu wählen. „UPS leistet qualitativ die beste Arbeit, aber auch DHL und DPD erfüllen unsere Anforderungen perfekt“, sagt Brinkman. Die Zusammenarbeit mit diesen Unternehmen ermöglicht eine flexible und zuverlässige Lieferung, was gerade in der Hochsaison für die Kundenbindung entscheidend ist. Doch nicht alles wird den Transportdienstleistern anvertraut. Für besonders empfindliche und teure Instrumente wie Flügel werden spezialisierte Dienstleister beauftragt.
„Zu den am häufigsten online bestellten Artikeln gehören Trommelstöcke und Gitarrensaiten.“ Jan Brinkmann, verantwortlich für die Logistik bei Music Store
Ähnlich wie bei einem Textilhändler bestellen manche Kunden bei Music Store mehrere Artikel zur Auswahl und schicken einen Teil wieder zurück. Wie im Onlinehandel üblich, können auch Artikel, die nicht gefallen, zurückgeschickt werden. Wichtig ist, dass die retournierten Artikel schnell wieder in den Verkauf gelangen. „Die meisten Retouren bearbeiten wir innerhalb eines Tages“, sagt Brinkman. Jeder Artikel wird geprüft und je nach Zustand als Neuware oder als rabattierte Variante wieder angeboten. Die Varianten werden nicht separat gelagert, sondern zusammen mit der Neuware. Die Retourenquote liegt bei durchschnittlich 8 Prozent, variiert aber je nach Produktkategorie. „Bei Gitarren liegt die Retourenquote unter 3 Prozent, während sie zum Beispiel bei Lichttechnik, vor allem bei Marken aus China, höher ist“, erklärt Brinkman.
Trotz der hohen Auslastung des Lagers gibt es noch freie Kapazitäten, die für weiteres Wachstum genutzt werden können. Brinkman sieht das Versandzentrum für die weitere Entwicklung gut aufgestellt. „Wir arbeiten kontinuierlich an der Optimierung unserer Prozesse und sind bereit, unser Volumen bei Bedarf zu erhöhen“, sagt der Logistikverantwortliche. Etwa 80 Prozent des Umsatzes erwirtschaftet Music Store online.
Dennoch bleibt die Filiale ein wichtiger Bestandteil des Geschäftsmodells. Denn viele Kunden wollen vor allem hochpreisige Instrumente vor dem Kauf ausprobieren. Brinkman weiß daher trotz hoher Onlineumsätze um die nicht zu unterschätzende Bedeutung der stationären Präsenz im Markt, die Kundenbindung und Vertrauen stärkt.
Wenn Daniel Fischer neue Saiten für seinen Bass braucht, wird er sie höchstwahrscheinlich im Webshop von Music Store bestellen.