DVZ-Umfrage: Wie sind Sie eigentlich in der Logistik gelandet?

Fast zwei Monate ist es her, dass wir Ihnen, liebe DVZ-Leserschaft, über unseren täglichen Morning-Newsletter die folgende Frage gestellt haben: Wie sind Sie eigentlich in der Logistik gelandet? Wir haben Sie dazu aufgefordert, uns Ihre Geschichte zu erzählen. Warum? Weil die Fachkräfte der Branche echte Stars der Logistik sind – und weil viele Logistikerinnen und Logistiker nicht von klein auf mit dem Ziel gestartet sind, in Spedition, Lager oder Supply Chain Management zu arbeiten. Doch heute ist es ihre Berufung. Einige der spannenden Geschichten haben wir hier für Sie zusammengefasst.
1. Familiäre Inspiration
Wie die Eltern, so die Kinder? Familie und Freunde dienen oft als Quelle der Inspiration, wenn es um wichtige Lebensentscheidungen geht. So kam auch Rupert Trawöger, Geschäftsführer von Trawöger Transport, schon sehr frühzeitig mit der Branche in Verbindung – und später erneut durch ein Telefonat in einer Studentenbude.
„Mein Vater war bis zu meinem 13. Lebensjahr Lkw-Fahrer, er hat meine Mutter in Rotterdam kennen und lieben gelernt und so bin ich ein Kind der Straße geworden – weil ich bis zur Geburt meines Bruders mit meinen Eltern bis zu meinem 4. Lebensjahr die meiste Zeit im Lkw verbracht habe“, erinnert sich Trawöger. „Nach meinem Mittelschulabschluss begann ich 1982 ein Studium und hatte wie viele andere aus unserer Generation massive Geldnöte.“ Er entschied sich dazu, parallel zur Matura einen Lkw-Führerschein zu machen, was ihn fast den Abschluss gekostet hätte – zum Glück nur fast. Im Sommer 1982 fand er schließlich eine Firma, für die er als junger 21-Jähriger als Fahrer arbeiten durfte.
Mein damaliger Chef und dann auch Doktorvater Prof. Peter Klaus hat mein Feuer für die Logistik entfacht. Er hat mich in die Welt der Logistikdienstleistungen, der Logistiksegmente, Logistikmärkte und deren Dynamik eingeführt und mich durch seine Leidenschaft dafür begeistert. Christian Kille, Professor an der Technischen Hochschule Würzburg-Schweinfurt
„Am 9. November, ich erinnere mich noch genau an den Tag, rief mich mein damaliger Arbeitgeber an, der Nachfolgeprobleme hatte, und sagte: Junge, du verschwendest zu viel Zeit in Wien und lernst ohnehin viel nutzloses Zeug. Komm zu mir, meine Kinder werden die Firma nicht führen können. Ich beteilige dich mit 50 Prozent und du wirst Transportunternehmer.“ Schon während er das Telefonat beendete, wusste Trawöger, dass er das Angebot annehmen wollte, erbat sich aber Bedenkzeit bis Jahresende und genoss die letzten zwei Monate seines Studentenlebens in vollen Zügen, bis er dann mit nur 22 Jahren Geschäftsführer wurde.
„Alles ging gut, wir verdienten Geld, aber leider nur vier Jahre. Mein damaliger Chef und Partner war weder als Kaufmann noch moralisch auf meiner Linie und ich musste dort weg. Ich habe mehr oder weniger alles hinter mir gelassen und selbst neu begonnen“, berichtet Trawöger von den Anfängen seines Unternehmens, an dessen Spitze er nun seit 41 Jahren steht.
Schon als kleiner Junge durfte ich beim „Bahnamtlichen Rollfuhrunternehmen“ meines Wohnortes mit „auf dem Bock“ sitzen, wenn die örtliche Industrie mit Waren versorgt wurde. Nach dem Abitur gab es noch keine klare Richtung: Wirtschaft oder Feuerwehrmann. Durch eine ausgeschriebene Stelle als Auszubildender Speditionskaufmann entschloss ich mich dann aber doch zunächst für eine Berufsausbildung. Danach ging es direkt nach Heilbronn für ein Verkehrsbetriebswirtschafts-Studium. Damit war der Weg in Transport und Logistik vorgezeichnet. Christian Marnetté, Geschäftsführer Marnetté Accentuated Consulting
Auch Dieter Haltmayer, Gründer der Firma QCS Quick Cargo Service, weiß, was es heißt, ein Unternehmen zu gründen – und seine Familie für eine Karriere in der Logistik zu begeistern: 1954 wurde Haltmayer Schifffahrtslehrling bei der Rhenus Gesellschaft für Schifffahrt, Spedition und Lagerei mbH, dann folgten 15 Jahre bei Fluggesellschaften im Frachtsegment, bis er 1974 schließlich seine Firma gründete, die heute von seinen drei Kindern geleitet wird.
Und damit ist er nicht allein: „Mein Großvater war selbstständiger Fuhrunternehmer, mein Vater war Spediteur. Also: Generationenfolge und innere Überzeugung“, schrieb uns Detthold Aden, Mitglied der Logistics Hall of Fame.
2. Der Wunsch nach Internationalität
Was die Branche so reizvoll macht, ist für viele Logistikerinnen und Logistiker ihre Internationalität. Wer träumt nicht davon, wenigstens einmal im Leben über die eigenen Landesgrenzen hinauszuschauen? Auch der 1948 geborene Robert Hecht wollte als junger Mann internationale Erfahrungen sammeln: „Ich absolvierte mittelmäßig meine Mittlere Reife in Frankfurt und mein Traum: ins Ausland zu gehen. Also ging ich zum Arbeitsamt, trug meinen Traum vor und es wurde mir empfohlen: Luftverkehrskaufmann. Deshalb bewarb ich mich bei der Deutschen Lufthansa – diese lehnte mich ab, da ich keine 18 Jahre alt war und im Rahmen der Ausbildung auch Wochenend- und Nachtdienst erforderlich ist“, so Hecht.
Mein Vater war bis zu meinem 13. Lebensjahr Lkw-Fahrer, er hat meine Mutter in Rotterdam kennen und lieben gelernt und so bin ich ein Kind der Straße geworden – weil ich bis zur Geburt meines Bruders mit meinen Eltern bis zu meinem 4. Lebensjahr die meiste Zeit im Lkw verbracht habe. Rupert Trawöger, Geschäftsführer Trawöger Transport GmbH
Man empfahl ihm, für zwei Jahre auf eine Handelsschule zu gehen und sich dann erneut zu bewerben. Wieder beim Arbeitsamt lautete die Empfehlung: Speditionskaufmann. Er bewarb sich bei der Spedition Harry W. Hamacher und begann zunächst, am Hauptgüterbahnhof zu arbeiten und fleißig Warenbegleitscheine zu schreiben. Nach einiger Zeit wechselte er zum Frankfurter Flughafen, legte nach zweieinhalb Jahren seine Prüfung mit der Abschlussnote 1,0 ab und bekam endlich die lange ersehnten Anfragen für internationale Tätigkeiten und später für Jobs in Geschäftsführungen – seit 2008 ist er selbstständiger Personalberater.
Hans Delfs, heute Geschäftsführer der Personalvermittlung Delfs & Associates, wurde 1965 als Sohn eines deutschen Vaters und einer italienischen Mutter in Caracas (Venezuela) geboren, im Alter von drei Jahren kam er nach Deutschland. „Das internationale Treiben hat mich schon immer interessiert. Als Teil der Babyboomer-Generation war die Wahl allerdings nicht ganz so einfach“, erinnert sich Delfs. „Damals gab es eigentlich nur drei internationale Jobs: Industriekaufmann, Groß- und Außenhandelskaufmann sowie Speditionskaufmann. Da mir schon damals die gelben Lkw von Dachser so gut gefielen, habe ich nach einem Praktikum entschieden, es in der Spedition zu versuchen.“ Nach seiner Ausbildung bei Kühne & Nagel – eine „damals harte, aber dankbare Zeit“, wie Delfs rückblickend sagt – ist er in der Branche geblieben.
Auch Marc Oedekoven, Gründer der Spedition Kibix, wünschte sich nach seinem VWL-Studium einen international ausgerichteten Job, abwechslungsreich, menschenorientiert und in die Zukunft gewandt. „In meinem letzten Semester gab es die Möglichkeit, mit meinem Lehrstuhl und der Lufthansa Cargo eine Arbeit zum Thema ,Internationale Allianzen in der Luftfracht‘ zu verfassen und der LH Cargo vorzustellen“, erzählt Oedekoven. Daraufhin folgte ein Praktikum im Lufthansa-Konzern und anschließend eine Position als „Referent für Strategische Luftfrachtallianzen“ bei LH Cargo 1998. Von dort an nahmen die Dinge ihren Lauf über die LH Consulting in Singapur, Rhenus Logistik und Scan Global Logistics, bis Oedekoven mit Kibix Logistics schließlich auch ein eigenes Unternehmen gründete. Heute kann er sich sein Berufsleben ohne die Logistik nicht mehr vorstellen.
3. Ratlos nach dem Schulabschluss
Viele Schülerinnen und Schüler fühlen sich nach dem Abschluss orientierungslos angesichts der vielen beruflichen Möglichkeiten. So ging es auch Thomas Schledorn, heute Chief Operating Officer Overland bei Cargo-Partner und Director Trucking Division EMEA bei der NX Group: „Im Jahr meines Abiturs hatte ich im Frühjahr noch keine Idee, was ich nach meinem Abschluss machen wollte. So bin ich bei einer Veranstaltung zur Zukunftsplanung am Berufsinformationszentrum in Aschaffenburg gelandet“, erinnert er sich. „Dort hielt Prof. Dr. Barwig von der Berufsakademie Mannheim (heute DHBW Mannheim) einen Vortrag zum Studiengang ‚Spedition, Transport und Logistik‘.“
Ich habe 1988 Abitur gemacht und anschließend zwei Jahre als Zeitsoldat gedient. Der Bundeswehr folgte eine Zeit der beruflichen Orientierung, in der ich meinen Eltern nicht auf der Tasche liegen wollte. Da ich in die Tochter des örtlichen Spediteurs meiner Heimatstadt verliebt war, heuerte ich in der Firma ihres Vaters als Nahverkehrsfahrer an. Uwe Hasselberg, Branch Manager Schenker Deutschland AG
Nach diversen Ausführungen über die Bedeutung der Logistik in der globalen Weltwirtschaft endete der Vortrag mit den Worten: „Die Logistik ist die Königsklasse der kaufmännischen Berufe.“ In dem Moment war Thomas Schledorn klar, dass er in die Logistik möchte. „Eine Woche später bin ich kurzentschlossen nach Mannheim gefahren und habe dort an der Infoveranstaltung der Berufsakademie teilgenommen. Glücklicherweise konnte ich noch direkt eine Bewerbung abgeben und habe im Sommer bei der Firma Wincanton in Mannheim begonnen“, erzählt er. Knapp 20 Jahre später kann er sich nichts anderes als Logistik mehr vorstellen.
Dass auch aus einem Nebenjob manchmal eine jahrzehntelange Karriere entstehen, weiß Kurt Pichler, Prokurist und Global Key Account Manager bei Gebrüder Weiss: „Ich habe während meiner Schul- und Uni-Ausbildung sieben Jahre in einer regionalen Spedition gejobbt – als Fahrer, Lagerarbeiter, Kohlenträger und vieles mehr. Das war abwechslungsreich, interessant, anstrengend und auch verantwortungsvoll und der Urknall für mein Interesse an der Branche“, sagt er. Gegen Ende seines Studiums wurde an der Universität eine Veranstaltung zum Thema Transport und Logistik angeboten: „Diese habe ich besucht und dort meinen ersten Chef kennengelernt, der einen Assistenten der Geschäftsleitung gesucht hat.“ Diesen Job sicherte sich Pichler und arbeitet nun – fast 36 Jahre später – immer noch bei Gebrüder Weiss.
Als Teil der Babyboomer- Generation war die Wahl nicht ganz so einfach. Damals gab es eigentlich nur drei internationale Jobs: Industriekaufmann, Groß- und Außenhandelskaufmann sowie Speditionskaufmann. Hans Delfs, Geschäftsführer Delfs & Associates GmbH
4. Neue Wege gehen
Doch es sind längst nicht immer die direkten Wege kurz nach dem Schulabschluss, die in die Logistikbranche führen. Manchmal lohnt es sich, neue Wege einzuschlagen – und manchmal führen diese dann auch in die Logistik, weiß Thomas Schlipköther, CEO der RELA AG. „Nach meinem Studium des konstruktiven Bauingenieurwesens war ich von 1980 bis April 2001 in der nationalen und internationalen Bauindustrie tätig. Den Container kannte ich nur als Baustellenunterkunft oder für das Ersatzteillager“, erinnert er sich.
Im Oktober 2000 erhielt er einen Anruf des damaligen Vorsitzenden des Aufsichtsrates der Duisburger Hafen AG, der händeringend einen COO/CTO als Mitglied des Vorstandes suchte. So wechselte Schlipköther aus der Baubranche zum Duisburger Hafen, wo er bis zum altersbedingten Ausscheiden Ende 2022 fast 22 Jahre gearbeitet hat und viele Unternehmen mit aufbauen konnte. „Ich habe inzwischen gelernt, was Container sonst noch können, was Terminals sind, wie man Supply Chain nicht nur schreibt, sondern auch aufbaut und festigt“, sagt er heute und scherzt: „So wird man vom Amateur zum ,Logistik-Junkie‘.“
5. Der Liebe wegen
Zu guter Letzt möchte ich Ihnen den schönsten Grund für einen Weg in die Logistik nicht vorenthalten: die Liebe. „Ich habe 1988 Abitur gemacht und anschließend zwei Jahre als Zeitsoldat gedient. Der Bundeswehr folgte eine Zeit der beruflichen Orientierung, in der ich meinen Eltern nicht auf der Tasche liegen wollte“, erinnert sich Uwe Hasselberg, Branch Manager bei der Schenker Deutschland AG. „Da ich in die Tochter des örtlichen Spediteurs meiner Heimatstadt verliebt war, heuerte ich in der Firma ihres Vaters als Nahverkehrsfahrer an. Damals noch auf einem 7,5-Tonner, den man zu der Zeit mit Pkw-Führerschein fahren durfte. Ich war fasziniert von dem, was ich als Tagesgeschäft einer Spedition wahrnahm, und beschloss, noch eine Weile in der Branche zu bleiben.“
Nach meinem Studium des konstruktiven Bauingenieurwesens war ich von 1980 bis April 2001 in der nationalen und internationalen Bauindustrie tätig. Den Container kannte ich nur als Baustellenunterkunft oder für das Ersatzteillager. […] Inzwischen habe ich gelernt, was Container sonst noch können, was Terminals sind, wie man Supply Chain nicht nur schreibt, sondern auch aufbaut und festigt. Thomas Schlipköther, CEO der RELA AG
Auf eigene Kosten machte Hasselberg damals einen Lkw-Führerschein, wurde Fernfahrer und begeisterte sich immer mehr für Logistik. Nach einigen Monaten begann er ein duales Studium und übernahm im Anschluss verschiedene Aufgaben in verschiedenen Unternehmen – unter anderem als Geschäftsführer. „Diese Unternehmen hatten eine Gemeinsamkeit: Alle waren Spediteure oder Logistiker. Ich kann mir auch heute noch – nach 35 Jahren in der Branche – viele spannende Aufgaben vorstellen. Nur eines nicht: einen Job außerhalb der Speditions- und Logistikbranche“, sagt Hasselberg heute.
Enttäuschen muss ich Sie am Ende aber doch ein wenig: Die Tochter des örtlichen Spediteurs hat die Gefühle damals nicht erwidert – dafür ist eine tiefe Beziehung zur Logistik entstanden.