Der Product Carbon Footprint in der Logistikbranche – ein Praxisfahrplan

In zwölf Monaten zum belastbaren Product Carbon Footprint: Dieser Leitfaden zeigt mittelständischen Logistikunternehmen Schritt für Schritt, wie sie den PCF in ihre Prozesse integrieren und typische Fehler beim Einstieg vermeiden können.

Welche Prozesse funktionieren, wo sind noch Optimierungen nötig, wie bewerten Kunden die CO₂-Offenlegung? Wer diese Fragen regelmäßig überprüft, schafft die Basis für eine langfristige Klimastrategie. (Foto: Parradee Kietsirikul/iStock)

Dieser Beitrag ist Teil 2 der Serie über den Product Carbon Footprint in der Logistik. Teil 1 legte den Fokus auf Chancen und wirtschaftliche Wirkung einer PCF-Einführung.

Auch wenn für Spediteure und Transporteure noch keine EU-weite Berichtspflicht besteht, setzen vorausschauende Logistikunternehmen den Product Carbon Footprint (PCF) bereits heute in der Praxis um. Damit schaffen sie die Grundlage für ein agiles Emissionsmanagement und echte Transparenz entlang der Lieferkette. Eine durchgängige Erhebung produktbezogener CO₂-Emissionen „Door-to-Door“ legt sämtliche Emissionsquellen offen, ermöglicht eine gezielte Hotspot-Analyse und unterstützt bei der Priorisierung wirtschaftlich sinnvoller Reduktionsmaßnahmen.

Der folgende Praxisleitfaden zeigt, wie mittelständische Spediteure den PCF innerhalb eines Jahres als skalierbare Kennzahl implementieren – und welche Fehler sie dabei vermeiden sollten.

Phase 0 (Monat 1–3): Reifegrad prüfen, Datengrundlage schaffen

Zum Auftakt steht eine Bestandsaufnahme. Die Geschäftsleitung analysiert, welche Emissionsdaten bereits vorliegen und in welcher Qualität diese aus Telematik-, TMS- oder ERP-Systemen verfügbar sind. Eine erste Dateninventur schafft Überblick über Lücken und Potenziale. Den Abschluss bildet ein Kick-off-Workshop mit den Schlüsselabteilungen – Geschäftsführung, Flottenmanagement, IT, Disposition und Vertrieb –, um Aufgaben zu definieren und Verantwortlichkeiten festzulegen.

Phase 1 (Monat 4–6): Datenflüsse und Zuständigkeiten aufbauen

Nun wird die Grundlage für eine konsistente Datenerfassung gelegt. Relevante Kennzahlen und Emissionsfaktoren – etwa nach ISO 14083 oder GLEC – werden gesammelt und Systemgrenzen pro Verkehrsträger geklärt. Der regelmäßige Import von Telematikdaten ins TMS und standardisierte Reports aus Subunternehmernetzwerken sorgen für Kontinuität. Zentral ist der Aufbau einer konsolidierten CO₂-Datenbank oder zumindest eines abgestimmten Dashboards. Ergänzend etabliert die Unternehmensführung eine Governance-Struktur mit einem CO₂-Controller und Schulungsangeboten für alle beteiligten Bereiche. Das Ergebnis: eine erste PCF-Testerhebung, die als Ausgangspunkt für den weiteren Prozess dient.

Phase 2 (Monat 7–9): Maßnahmen planen und Business Case prüfen

Die erste Datenauswertung ermöglicht die Identifikation der größten Emissionsquellen. Ob Fahrzeuge, Hauptläufe oder Lieferanten – aus der Hotspot-Analyse leiten sich priorisierte Maßnahmen ab. Beispiele sind der schrittweise Ausbau der E-Flotte oder die Einführung digitaler Freight-Sharing-Plattformen zur Reduktion von Leerfahrten. Daraus entsteht ein Maßnahmenkatalog, der anhand von Wirtschaftlichkeits- und CO₂-Kriterien bewertet wird. Entscheidend ist die Kennzahl der CO₂-Vermeidungskosten (Euro pro eingesparte Tonne CO₂). Häufig zeigt sich: Förderprogramme auf nationaler und EU-Ebene verbessern Amortisation und Investitionsrendite maßgeblich. Zum Abschluss dieser Phase werden Zeit- und Budgetrahmen sowie Zuständigkeiten verbindlich festgelegt.

Phase 3 (Monat 10–12): Pilotieren, skalieren, optimieren

Die Theorie wird nun in die Praxis überführt. Pilotprojekte – etwa der Einsatz eines E-Lkw – dienen dazu, technische Machbarkeit, Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz zu überprüfen. Klare Erfolgskriterien stimmen alle Beteiligten im Vorfeld ab. Wird beispielsweise eine E-Tour zu über 90 Prozent planmäßig und mit maximal 75 Prozent der Diesel-Kosten absolviert, gilt der Test als erfolgreich. Entsprechende Kennzahlen entscheiden über die Skalierung. Bewährte Projekte werden auf den Gesamtbetrieb ausgeweitet und in neue Prozessroutinen überführt. Spätestens jetzt ist der PCF im Unternehmen verankert und auditfähig.

Ein abschließender Reflexions-Workshop unterstützt die kontinuierliche Verbesserung: Welche Prozesse funktionieren, wo sind noch Optimierungen nötig, wie bewerten Kunden die CO₂-Offenlegung? Wer diese Fragen regelmäßig überprüft, schafft die Basis für eine langfristige Klimastrategie und stabile Marktposition.

Sieben häufige Fehler – und wie man sie vermeidet

  1. Bottom-up statt Top-down: Ohne Rückendeckung der Geschäftsführung lassen sich PCF-Projekte kaum dauerhaft integrieren.
  2. Perfektionismus statt Pragmatismus: Der Fokus sollte auf den größten Emittenten liegen – nicht auf Vollständigkeit um jeden Preis.
  3. Insellösung statt Integration: Carbon Footprinting ist eine Querschnittsaufgabe, die interdisziplinär bearbeitet werden muss.
  4. Überhastet statt überlegt: Eine Bestandsaufnahme der IT-Struktur bewahrt vor Datenbrüchen und Parallelprozessen.
  5. Greenwashing statt Glaubwürdigkeit: Transparente Kommunikation schafft Vertrauen, auch wenn noch nicht alle Daten lückenlos vorliegen.
  6. Verpflichtung statt Verantwortung: Nachhaltigkeit wirkt nur dann, wenn sie von der Führung vorgelebt und von Mitarbeitenden mitgetragen wird.
  7. Reaktiv statt proaktiv: Wer früh beginnt, sammelt Erfahrung, kann Prozesse schrittweise verbessern und sich als Vorreiter profilieren.

Ein konsequent eingeführter PCF schafft nicht nur regulatorische Sicherheit, sondern eröffnet neue Finanzierungsmöglichkeiten und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit. Mittelständische Logistiker, die jetzt starten, gestalten ihre Dekarbonisierungsstrategie aktiv – und sichern sich langfristig einen Platz in den klimafreundlichen Lieferketten der Zukunft.

Über den Autor: Volker Loibl-Kähler studierte Maschinenbau in Nürnberg und vertiefte sich später in Umwelt-, Energie- und CO₂-Management in London. Nach Stationen im internationalen Vertrieb und der Geschäftsfeldentwicklung gründete er 2013 Apollo Consulting. 

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