Otto Group vernetzt Mensch und Maschine
Die Otto Group hat zuletzt gleich zwei Kooperationen im Bereich Robotik vereinbart. So hatte das Hamburger Handelsunternehmen im Mai eine langfristige strategische Partnerschaft mit dem US-amerikanischen Robotikhersteller Covariant bekannt gegeben. In dem Zuge werden KI-gesteuerte Roboter für vielfältige Handling- und Kommissionieraufgaben eingesetzt. Sie sollen Tätigkeiten mit hohen Wiederholungsraten erledigen, beispielsweise das Wenden von Artikeln, damit ein Scanner den Barcode erfassen kann. Die Maschinen sind mit Kameras ausgestattet und können dreidimensionale Gegenstände erfassen. „Die KI der Roboter erkennt Objekteigenschaften, also das Material von Artikeln oder ob sie zerbrechlich sind“, sagte Peter Chen, CEO von Covariant, der das Start-up 2017 mitgegründet hat. Auf dieser Grundlage entscheidet die KI, wie der Roboter mit den Artikeln umgehen muss.
Die Roboter lernen und verbessern ihre Interaktion mit den Artikeln; sie können sich selbstständig auf neue Artikel einstellen, ohne dass sie programmiert werden müssen. Das Besondere an der Lösung von Covariant ist, dass diese Erfahrung auf alle anderen eingesetzten Roboter mit der gleichen Aufgabe sofort übertragen wird. Sie lernen also gleichzeitig, selbst wenn sie an unterschiedlichen Orten im Einsatz sind.
Dadurch sollen sich Prozesse synchron im gesamten Betrieb verbessern oder anpassen lassen. Technische Basis dafür ist die universelle KI-Plattform Covariant Brain. „Wir glauben, dass diese nächste Generation von künstlicher Intelligenz in Zukunft einen Wendepunkt darstellen wird“, ist Kay Schiebur überzeugt, Vorstand Services der Otto Group. „Wir waren nicht auf der Suche nach einer einzelnen Robotiklösung, um ein Problem in einem der Lager zu lösen. Wir wollten vielmehr eine KI, die andere Lösungen ermöglicht, als wir sie in der Vergangenheit eingesetzt haben.“
Selbst in den bereits hochautomatisierten Logistikzentren der Otto Group gibt es noch manuelle Kommissionierprozesse. Und es gibt viele verschiedene Artikel. Bei herkömmlicher Automatisierung müssen Roboter für den Umgang mit den Artikeln programmiert werden. Die Technik von Covariant erfordert dies nicht, da die Maschinen lernen. Die Robotiklösung haben die beiden Partner bereits in Pilotprojekten getestet. Dabei wurden etwa 300 Anwendungsfälle identifiziert, für die sich der Einsatz der Roboter eignen würde.
Die Lösung soll auch dazu beitragen, künftig im E-Commerce schneller auf sich ändernde Marktbedingungen oder Fulfilmentanforderungen zu reagieren und dem Personalmangel entgegenzuwirken – für das Handelsunternehmen ein wichtiger Aspekt, um zukunftsfähig aufgestellt zu sein. Arbeitsplätze abzubauen ist Schiebur zufolge hingegen nicht vorgesehen. „Roboter übernehmen die repetitiven Aufgaben, und gleichzeitig haben wir die Möglichkeit, unsere Angestellten für anspruchsvollere Tätigkeiten zu qualifizieren“, so der Plan des Vorstands. Roboter und Menschen sollen in einem gemeinsamen automatisierten Arbeitsumfeld kooperieren.
Die Verantwortung der Mitarbeiter im Lager ist dann künftig eher das Steuern einer Roboterflotte. Oder ein Mensch greift ein, wenn der Roboter ein Problem erkennt, das er selbst nicht lösen kann, beispielsweise eine beschädigte Verpackung. Hierin liegt laut Schiebur der wichtigste Erfolgsfaktor, nämlich die Akzeptanz der Mitarbeiter für die Zusammenarbeit mit dieser Art von Robotern.
Geplant ist zunächst die Inbetriebnahme von acht Robotern im Logistikzentrum Haldensleben und zwei in Altenkunstadt im Oktober dieses Jahres. Ziel ist darüber hinaus, 120 der KI-gesteuerten Roboter in allen Fulfillment-Zentren der Otto Group in den kommenden vier Jahren zu installieren.
Roboter von Boston Dynamics
Im September dann hatte die Otto Group eine Kooperation mit dem US-amerikanischen Robotikhersteller Boston Dynamics vereinbart. Ziel ist, die Logistikabläufe weiter zu automatisieren. Geplant ist, in den kommenden zwei Jahren, mobile Roboter von Boston Dynamics in mehr als 20 Logistikzentren einzusetzen.
Zum Einsatz kommen sollen die Modelle „Spot“ und „Stretch“. Bei „Spot“ handelt es sich um einen vierbeinigen, mobilen Roboter, der unter anderem bei Tunnelinspektionen und präventiven Wartungsarbeiten unterstützen sowie Daten für maschinelles Lernen sammeln soll. Das Modell „Stretch“ ist ein Transportroboter und soll für die Entladung von Containern in zunächst zehn Sortieranlagen eingesetzt werden. Bis Ende 2025 sollen die Roboter an allen Standorten zum Einsatz kommen. Es ist nach Angaben von Schiebur nicht geplant, Personal durch Roboter zu ersetzen. So soll das Modell „Stretch“ bei körperlich anspruchsvollen Tätigkeiten in der Lagerlogistik unterstützen.
Für die Otto Group ist die strategische Partnerschaft mit Boston Dynamics auch ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt, um die Zusammenarbeit von Menschen und Maschinen zu untersuchen. Das Investitionsvolumen liegt im zweistelligen Millionenbereich. „Robotik und künstliche Intelligenz sind zentrale Bestandteile unserer täglichen Arbeit und gewinnen zunehmend an Bedeutung“, sagt Kay Schiebur, Vorstand Services der Otto Group. Das Unternehmen schult Mitarbeitende, um sie für die Arbeit mit Robotik und KI zu qualifizieren.