Umfrage: Kapitalmangel treibt Start-ups ins Ausland

Rund ein Drittel der von Bitkom befragten Jungunternehmen überlegt, wegen Kapitalmangels ins Ausland zu gehen. Aus der Logistikbranche gibt es vorerst Entwarnung – aber auch Kritik am deutschen Kapitalmarkt und dessen Rahmenbedingungen.

Aus der Logistikbranche gibt es vorerst Entwarnung – aber auch Kritik am deutschen Kapitalmarkt und dessen Rahmenbedingungen.(Foto: skynesher/iStock)

Die Mehrheit der Start-ups in Deutschland ist aktuell auf der Suche nach frischem Kapital – und erlebt eine stärkere Zurückhaltung von Investoren aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung. Zu diesem Ergebnis kommt eine Befragung von 203 Tech-Start-ups im Auftrag des Digitalverbands Bitkom. Die Umfrage ist nicht repräsentativ, gibt aber ein aussagekräftiges Stimmungsbild für deutsche Jungunternehmen.

8 von 10 Start-ups (79 Prozent) geben an, dass durch die konjunkturelle Entwicklung Investoren deutlich zurückhaltender geworden sind. 7 von 10 (71 Prozent) haben in den kommenden 24 Monaten Kapitalbedarf – im Durchschnitt geht es dabei um 2,3 Millionen Euro. Das ist im Vergleich zum Vorjahr mit 3,3 Millionen Euro ein Rückgang um fast ein Drittel, heißt es in einer Mitteilung von Bitkom. Nur 3 Prozent der Start-ups geben an, keinen Kapitalbedarf zu haben, ein Viertel (25 Prozent) konnte oder wollte dazu keine Angaben machen.

Gang ins Ausland für viele eine Option

Zudem ist laut der Umfrage aktuell nur rund ein Drittel (32 Prozent) der Gründerinnen und Gründer der Meinung, dass es in Deutschland ausreichend Venture Capital gibt. Und ebenfalls rund ein Drittel (34 Prozent) überlegt, mit dem eigenen Start-up ins Ausland zu gehen, weil es in Deutschland zu wenig Kapital gebe.

Ein Börsengang ist dabei für die Mehrheit der Start-ups aktuell keine Option. Nur 31 Prozent halten den Gang aufs Parkett einer deutschen Börse in der Zukunft für eine Option, 25 Prozent können sich das im Ausland vorstellen. „Damit es gelingt, europäische Start-up-Champions in Deutschland zu halten, müssen wir den Kapitalmarkt stärken und potenzielle Exit-Kanäle ausbauen“, sagt Niklas Veltkamp, Mitglied der Bitkom-Geschäftsleitung.

Deutschland ist nicht attraktiv genug

„Viele Startups mussten zuletzt auf die Kostenbremse treten und ihre Profitabilität erhöhen, dadurch ist der durchschnittliche Kapitalbedarf zurückgegangen. Die Zurückhaltung der Investoren darf aber nicht Wachstum und internationale Expansion deutscher Start-ups ausbremsen“, so Veltkamp weiter. „Auch die Politik sollte die Entwicklungen in den kommenden Monaten genau verfolgen und wenn nötig gegensteuern.“

So wurden mit dem Start des DeepTech & Climate Fonds sowie der European Tech Champions Initiative zwar erste Grundsteine für eine weitere Mobilisierung privaten Wagniskapitals gelegt, es sollten jedoch Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit neue Investorengruppen wie Pensionskassen oder Versicherungen verstärkt in Start-ups investieren und von deren Wachstum profitieren können, heißt es in der Mitteilung. Zudem müsse Deutschland als Fondsstandort attraktiver werden, etwa indem die geplante Umsatzsteuerbefreiung für Wagniskapitalfonds ähnlich wie in vielen anderen EU-Mitgliedsstaaten zeitnah umgesetzt wird.

Entwarnung für die Logistikbranche

Aus der Logistikbranche gibt es auf Nachfrage der DVZ indes Entwarnung, was Überlegungen bezüglich möglicher Unternehmensverlagerungen ins Ausland betrifft. „Grundsätzlich kann ich den Zahlen bezüglich der Finanzierungssituation und dem -bedarf durchaus zustimmen“, äußert sich unter anderem Johannes Berg, Start-up-Experte und Geschäftsführer im Digital Hub Logistics Hamburg.

„Dass aber Start-ups mit dem Gedanken spielen, aus Deutschland abzuwandern, weil es hier zu wenig Kapital gibt, kann ich für die Logistik und Supply-Chain-Start-ups (noch) nicht bestätigen“, so Berg weiter. „Mich würde aber in der Tat auch wundern, wenn das eintreten würde. Geld ist flexibler als Kunden und mögliche Auftragsbeziehungen. Sprich, wenn ich als Start-up Geld benötige, dann ist es eigentlich zweitrangig, ob der Finanzier in Hamburg, Berlin, London oder Dubai sitzt. Suche ich aber Aufträge, Kundenbeziehungen und Partner, dann schaue ich eher, wo die Unternehmen sitzen, mit denen ich derartige Beziehungen aufbauen möchte. Da ist Deutschland (noch) exzellent aufgestellt, denke ich.“

Trägheit und schwierige Rahmenbedingungen

Eine Annahme, die auch von Gründern selbst bestätigt wird. „Für uns als Logtech-Start-up ist der DACH-Markt sehr spannend, da hier die relevanten Player sitzen. Wir haben daher kurzfristig keine Abwanderungsgedanken“, sagt Philipp Wrycza, Co-Founder und CEO der Logistikbude. „Was allerdings stimmt: Das Raising ist hier schwieriger und die Unternehmen träger als in Nordamerika und Asien.“

Eine Kritik, die viele deutsche Jungunternehmen teilen. „Kapital ist letztendlich für alle Start-ups ein Riesenthema. Tatsächlich bin ich nach wie vor enttäuscht, wie in Deutschland die politischen und steuerlichen Rahmenbedingungen für Start-up-Finanzierungen sind“, bestätigt Frank Seeger, CEO und Co-Founder des Hamburger Start-ups CO2OPT.

Grundsätzlich sei es für Start-ups auf Geldsuche nicht ungewöhnlich, gerade bei sehr hohen Summen ab 10 oder 20 Millionen Euro auf Investoren aus dem Ausland zu setzen, da es dafür in Deutschland nicht allzu viele Optionen gebe, erklärt Forto-Gründer und Investor Michael Wax gegenüber der DVZ. „Viele Gründer, die aktuell auf Kapitalsuche sind, schauen sich auf jeden Fall in Middle East um“, beobachtet er. Forto habe nach der letzten Finanzierungsrunde im März 2022, in der das Unternehmen 250 Millionen US-Dollar einsammeln konnte, derzeit aber „keinen unmittelbaren Kapitalbedarf“. Für gut ausgestattete Unternehmen sei die derzeitige Marktlage indes eine gute Chance, um sich weiter stark auf den Technologieausbau zu konzentrieren und Marktanteile auszubauen.

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