So viel wie nötig, so wenig wie möglich

Das steigende Aufkommen von Daten hat nicht nur Vorteile. Minimalismus kann deshalb sinnvoll sein. Zudem lassen sich Stromverbrauch und Emissionen senken.

Nach der Datenschutz-Grundverordnung sollen Unternehmen nur die Daten erheben, die für den jeweiligen Zweck erforderlich sind. Foto: I-Stock

Mit Daten und dem Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) lassen sich viele logistische Prozesse verbessern – zum Beispiel die Routenoptimierung oder das Lagermanagement. Doch immer mehr Daten machen nicht automatisch alles besser. So führt der steigende Datenhunger zu einem enormen Energieverbrauch.

KI-Rechenzentren können den Strombedarf von 100.000 Haushalten erreichen. Experten warnen vor Versorgungsengpässen, weshalb US-Technologiekonzerne auf Atomstrom setzen. Laut Prognosen der Internationalen Energieagentur (IEA) könnte sich der Stromverbrauch von Rechenzentren bis 2026 mehr als verdoppeln.

„In den nächsten fünf Jahren sollen Tausende von Datenzentren gebaut werden. Doch unsere Analyse bei der IEA zeigt, dass sich viele Projekte verzögern oder sogar gestrichen werden könnten, wenn die Energieindustrie, der Technologiesektor und die Regierungen nicht zusammenarbeiten, um die notwendige Energieinfrastruktur bereitzustellen“, sagte der Exekutivdirektor der Internationalen Energieagentur (IEA) anlässlich des KI-Gipfels in Paris im Februar dieses Jahres.

Die Folge: „Viele Unternehmen setzen auf Datenminimalismus: So viele Daten wie nötig, so wenige wie möglich“, berichtet Marcus Wuest, Experte für Business Intelligence und KI beim international tätigen IT-Dienstleister Akquinet mit Hauptsitz in Hamburg. „Moderne Plattformen ermöglichen eine zentrale Datenhaltung ohne Redundanzen – dank logischer Verknüpfungen statt physischer Kopien.“

Struktur spart Speicher

So können Daten über Domänen hinweg strukturiert genutzt werden, ohne doppelte Speicherung oder Synchronisation. „Das spart Speicherplatz, verbessert die Governance und erhöht die Datenintegrität“, betont Wuest. „Gleichzeitig steigen die Anforderungen an die Datensicherheit. Neue Ansätze kombinieren feingranulare Zugriffsrechte, rollenbasierte Verschlüsselung und intelligente Klassifizierung, um Effizienz und Sicherheit optimal auszubalancieren.“

Datenminimalismus ist im Übrigen bereits ein zentraler Grundsatz der Datenverarbeitung in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Demnach sollen Unternehmen nur die Daten erheben, die für den jeweiligen Zweck erforderlich sind. Klare Kriterien, regelmäßige Überprüfungen und die Bereinigung von Datensätzen helfen, unnötige Informationen zu vermeiden und Datenschutzanforderungen effizient umzusetzen.

Auch bei der Hamburger Otto Group setzt man sich bereits seit mehreren Jahren mit der Frage auseinander, wie viele Daten wirklich benötigt werden, und ob manchmal weniger auch mehr sein kann. Bei Otto Group One.O, dem neuen zentralen Dienstleister für Technologie- und Strategieberatung des Konzerns, der seit März die Expertise von OSP, Otto Group IT und Digital & Consulting unter einem Dach bündelt, beschäftigt sich Christian Wiel mit Datenminimalismus.

Zur Einordnung: KI kommt bei Otto entlang der gesamten Wertschöpfungskette zum Einsatz – von der Beschaffung bis zur letzten Meile. Neben Absatzprognosen, Optimierungen in Logistik und Lagerhaltung, Empfehlungssystemen und Werbeplattformen gibt es zahlreiche weitere Einsatzfelder. Einsparpotenziale bestehen vor allem bei der Datenverarbeitung, da weniger Rechenzeit und Datentransfer in die Cloud erforderlich sind. Das Einsparpotenzial hängt auch von den Prozessen ab: Je anspruchsvoller der Algorithmus und je größer die Datenmenge, desto höher ist das Einsparpotenzial.

Optimierung von KI-Algorithmen

„Ein wichtiger Aspekt ist die Optimierung der KI-Algorithmen“, erklärt Wiel. „Die Rechenkosten sind erheblich – eine Optimierung lohnt sich ökonomisch und ökologisch.“ Allerdings verfügt Otto nicht über große Rechenzentren, sondern nutzt Cloud-Anbieter. „Diese sind in Bezug auf CO2-Emissionen relativ transparent und unterschiedlich aufgestellt, so dass wir über die Auswahl indirekt Einfluss nehmen können.“ One.O selbst hat – noch unter dem Namen OSP – 2023 die Sustainable Programming Initiative ins Leben gerufen, mit der sich das Unternehmen für Clean IT und die Optimierung des Carbon Footprints seiner Softwareprodukte einsetzt.

Ein Beispiel dafür ist die GPT-Architektur (Generative Pre-trained Transformer), eine Klasse leistungsfähiger Sprachmodelle, die von Open AI entwickelt wurde. „Hier wurden Milliarden von Daten für das Training benötigt“, betont Wiel. „Grundsätzlich gilt: Man kann vorher prüfen, wie viele Daten man braucht und wie groß das Modell sein muss, um eine bestimmte Qualität zu erreichen.“

Neben der datenminimierten Softwareentwicklung können auch einzelne Prozesse wie E-Mail-Kommunikation, Intranet und der sonstige Softwarebetrieb betrachtet werden. Ein konkreter Anwendungsfall bei Otto ist beispielsweise die Klassifizierung von Kunden-E-Mails mit Hilfe von Algorithmen, um den richtigen Mitarbeiter im Kundencenter auszuwählen. „Wir bekommen mehrere Millionen E-Mails pro Jahr und haben uns deshalb das Skalierungsverhalten des Algorithmus angeschaut, also wie sich sein Ressourcenverbrauch – etwa Rechenzeit und Speicherbedarf – mit zunehmender Größe der Eingabedaten verändert“, sagt der promovierte Physiker.

Es zeigte sich, dass die Fehlerquote bei den ersten 10.000 Mails deutlich sichtbar war und danach abnahm. „Es gibt immer eine gewisse Fehlerquote, daher muss man sich fragen, welcher Ressourceneinsatz eine minimal bessere Fehlerquote rechtfertigt. Das Skalierungsverhalten der Fehlerquote von KI-Algorithmen mit zunehmender Datenmenge ist ein aktives Forschungsfeld.“

Verringerung der Redundanz

Ein weiterer Ansatz ist die Verringerung von Redundanz: „Dabei geht es darum, repräsentative Beispiele auszuwählen, die gleichzeitig divers sind“, erläutert Wiel. „Wenn sehr wenig Daten eingesetzt werden, gilt es also die repräsentativsten auszuwählen.“ Man kann beim Datensparen aber auch klein anfangen: So setzt der Versand einer einzigen Standardmail etwa 4 Gramm CO2 frei, bei großen Anhängen können es bis zu 50 Gramm sein. Ebenso steigt der CO2-Verbrauch mit einem vollen Posteingang, denn je voller der Speicher, desto länger die Rechenzeit. Und allein der Verzicht auf das Logo in der Signatur spart je nach Infrastruktur und Strommix etwa 0,2 bis 0,5 Gramm CO2.

Auch wer eine neue Website benötigt, kann diese inzwischen ökologisch gestaltet bekommen, so dass sie nur ein Minimum an Ressourcen verbraucht. Ein Beispiel ist jene der genossenschaftlich finanzierten französischen Reederei Windcoop, die im Durchschnitt nur 135 Kilobyte Daten pro Seite überträgt, während der Durchschnitt bei 2,2 Megabyte liegt. (rok)

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