Quantencomputing könnte das Supply Chain Management revolutionieren

Im Schatten des aktuellen Hypes um künstliche Intelligenz (KI) vollzieht sich eine ebenso bedeutende Revolution. Der Aufstieg des Quantencomputers wird  zunächst die Industrie und dann den Alltag jedes Einzelnen verändern.

Neutralatom-Quantencomputeraufbau am Physikalischen Institut der Universität Stuttgart: Bis 2025 soll ein extraschneller Quantencomputer entstehen. Foto: picture alliance/dpa | Marijan Murat

Quantencomputing (QC) hat das Potenzial, die Wirtschaft in ähnlicher Weise zu verändern, wie es die KI in den vergangenen Jahren getan hat. Eines der ersten und wichtigsten Anwendungsgebiete für Quantencomputer wird in den nächsten fünf Jahren das Lieferkettenmanagement sein. Die Rechner nutzen die Funktionsprinzipien der Quantenmechanik, um Berechnungen durchzuführen und Probleme zu lösen, die so komplex sind, dass klassische Computer daran scheitern.

Die gesamte logische Struktur und Architektur heutiger Computer basiert auf dem binären System aus Nullen und Einsen - einer universellen Sprache, einem Symbolsystem, in das sich alles übersetzen lässt: von Bild und Ton über Schrift und Sprache bis hin zum metrischen Zahlensystem. Da es sich bei Null und Eins um Stellen oder Ziffern („Digits“) handelt, sprechen wir von Digitalität. Ein Computerbit entspricht dabei der Entscheidung des Computers, ob an einer bestimmten Stelle eine Null oder eine Eins stehen soll - damit zum Beispiel eine Rechnung aufgeht oder ein bestimmtes Bild richtig wiedergegeben wird.

Funktionsprinzipien der Quanten nutzen

Die Quantenwelt hingegen ist eine Wahrscheinlichkeitswelt, in der ein Bit gleichzeitig „0“ oder „1“ sein kann. Erst wenn man das Bit beobachtet, lässt sich seine wahre Natur erkennen. Mit anderen Worten: Ein Quantensystem befindet sich in einem Quantenzustand, solange es nicht klassisch gemessen wird. Die Funktionsprinzipien der Quanten lassen sich nutzen.

Während zwei Bits in der klassischen Welt vier Kombinationen zulassen (01, 10, 00 oder 11), entspricht ein Quantenbit (auch Qubit genannt) durch die Überlagerungsmöglichkeit der beiden Zustände allen möglichen Kombinationen von Zahlen größer Null und kleiner Eins. Mit jedem zusätzlichen Qubit steigt die Rechenleistung exponentiell, so dass 193 konventionelle Bits nötig wären, um ein einziges Qubit zu kodieren. Anders ausgedrückt: Während ein herkömmlicher 32-Bit-Rechner genau 32 Rechenoperationen gleichzeitig ausführen kann (32 mal 01 oder 10), kann ein 32-Qubit-Rechner 320 Milliarden Rechenoperationen gleichzeitig ausführen.

Die Wirtschaft in Deutschland und Europa leidet noch immer unter den Folgen der Corona-Krise, die vor allem die asiatischen Märkte getroffen hat. Die jüngste Halbleiter- und Medikamentenkrise zeigt, dass wichtige Rohstoffe weiterhin knapp sind. Deshalb ist ein vorausschauendes Supply Chain Management, das möglichst weit in die Zukunft plant, für Unternehmen heute wichtiger denn je. Hier kann Quantencomputing einen praktischen Lösungsansatz für Unternehmen bieten - und zwar im Supply Chain Management.

So können Quantencomputer Supply-Chain-Netzwerke optimieren, indem sie komplexe Probleme lösen, die klassische Computer nicht bewältigen können. Denkbar ist dies z.B. für das Routing von Lieferketten, das Bestandsmanagement und die Produktionsplanung.

Verbesserung Nachfrageprognosen

Durch die Analyse komplexer Muster und die Verarbeitung großer Datenmengen kann das Quantencomputing die Genauigkeit von Nachfrageprognosen erheblich verbessern. Dies kann Lieferkettenmanagern helfen, bessere Entscheidungen in den Bereichen Bestandsplanung, Produktionsplanung und Vertrieb zu treffen.

Mit Hilfe von Quantencomputern können verschiedene Lieferkettenszenarien simuliert und Reaktionsstrategien getestet werden. Dies hilft Supply Chain Managern, die Auswirkungen ihrer Entscheidungen nach wissenschaftlichen Kriterien zu bewerten und die bestmögliche Strategie zu ermitteln.

Durch die Analyse großer Datenmengen und die Vorhersage potenzieller Störungen können mit Hilfe des Quantencomputings Risikofaktoren in der Lieferkette erkannt und vermieden werden. Auf diese Weise können Supply Chain Manager proaktiv Maßnahmen zur Risikominimierung ergreifen.

Schließlich kann die Technologie auch die Sicherheit der Lieferkette erhöhen, indem sie Verschlüsselungstechniken auf ein neues Niveau hebt. Die Quantenkryptografie nutzt die Prinzipien der Quantenmechanik, um unknackbare Codes zu erzeugen, die dazu beitragen, Daten zu schützen und sichere Transaktionen zu gewährleisten.

Quantencomputer sind deshalb so attraktiv, weil sie komplexe Probleme schneller und mit weniger Ressourcen lösen als jedes Lebewesen und jede Maschine auf der Welt. Wie diese unvorstellbare Rechenleistung in Verbindung mit KI die Welt verändern wird, lässt sich heute nur erahnen.

Nikhil Malhotra ist Global Head von Makers Lab, Tech Mahindra

Ihr Feedback
Teilen
Drucken

Sie sind noch kein Abonnent?

Testen Sie DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen im Probeabo und überzeugen Sie sich von unserem umfassenden Informationsangebot.

  • Online Zugang
  • Täglicher Newsletter
  • Wöchentliches E-paper

 

Zum Probeabo

Jetzt DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen kostenlos testen

Sie sind noch kein Abonnent?

Testen Sie DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen im Probeabo und überzeugen Sie sich von unserem umfassenden Informationsangebot.

  • Online Zugang
  • Täglicher Newsletter
  • Wöchentliches E-paper

 

Zum Probeabo

Jetzt DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen kostenlos testen

Nach oben