Mit Rückenwind aus der Krise

Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie gerieten auch die Logistik-Start-ups anfänglich unter Druck. Doch wie stellt sich die Lage nach über einem Jahr Krise dar? Sieben junge Unternehmen aus Logistik und maritimer Wirtschaft berichten.

Illustration: Wichai Leesawatwong/Istock

Wie sieht es nach über einem Jahr Pandemie bei den Start-ups aus? Leiden sie womöglich stärker als die etablierten Unternehmen oder navigieren sie tendenziell sogar besser durch diese herausfordernde Zeit? Die DVZ hat exemplarisch noch einmal bei den sieben Start-ups nachgefragt, über die bereits im Frühjahr 2020 berichtet wurde. Was dabei positiv auffällt: So unterschiedlich die Geschäftsfelder sind  – die meisten der jungen Unternehmen kommen recht gut durch die Corona-Krise. Kurzarbeit musste nur in Einzelfällen und temporär in Anspruch genommen werden. Geringfügig öfter wurden im vergangenen Jahr Coronahilfen in Anspruch genommen, die meisten Start-ups benötigten diese jedoch nicht. Die anfängliche Unsicherheit auf Seiten der Investoren zu Beginn der Pandemie ist verflogen.

Synaos

Bei dem Spezialisten für Industriesoftware für Transportprozesse in Logistikzentren und Fabriken blickt man positiv auf 2020 zurück: „Trotz Covid-19 und Lockdown befinden wir uns in erfolgreichem Fahrwasser“, berichtet Wolfgang Hackenberg, Mitgründer und CEO von Synaos. „Wir konnten weitere Kunden gewinnen und die Anzahl der mit unserer Lösung gesteuerten und optimierten Fahrzeuge wächst stetig.“ Parallel baue das Unternehmen seine Softwarelösung zu einem umfassenden, integriertem Operating System aus. Dieses soll über die bisher schon optimierten mobilen Roboter in naher Zukunft auch Gabelstapler und Menschen mit einschließen.

Dennoch habe es laut Hackenberg durch die Pandemie einige Herausforderungen gegeben, da das junge Unternehmen noch nicht über eine breite Kundenbasis verfügte. Die Absagen von Messen und Veranstaltungen erschwerten die Kundenkontakte. Das wirkte sich aber unter dem Strich nicht negativ aus: Verglichen mit dem Ergebnis aus 2019 verdreifachte sich der Umsatz von Synaos im Jahr 2020 auf 3,89 Millionen Euro. Zugleich verdoppelte sich der Mitarbeiterstamm fast: Aktuell arbeitet ein 79-köpfiges Team aus über 15 Nationen für das Unternehmen – im April 2020 waren es noch 42.

Trotz aller Herausforderungen blickt man bei Synaos optimistisch auf das Jahr 2021. Die ersten Entwicklungen und Rückmeldungen aus dem Markt seien sehr gut. „Unsere Branche hat gerade in der Krisenzeit bemerkt, wie wichtig technische Innovationen im Zuge der Digitalisierung der Intralogistik sind, um Kosten zu senken und noch flexibler zu werden“, fasst Geschäftsführer Lennart Bochmann das Geschäftsjahr zusammen.

Nautiluslog

„Gerade zu Beginn der Pandemie haben Meetings und Gespräche an Bord nicht mehr geklappt“, berichtet Otto Klemke, Geschäftsführer des maritimen Start-ups Nautiluslog aus Hamburg. Dieses hat sich darauf spezialisiert, Logbücher zu digitalisieren und will die Prozesse an Bord und an Land optimieren. Doch ziemlich rasch hat sich das geändert: Auf einmal waren Online-Meetings auch mit Unternehmen und Behörden im In- und Ausland möglich gewesen, bei denen das früher aufgrund der Firmen-Policy ausgeschlossen war. „In Quarantänezeiten sind digitale Lösungen gefragter denn je“, so das Resümee von Klemke. Entsprechend sei das Interesse an Partnerschaften mit dynamischen Start-ups bei den großen Unternehmen gestiegen.

Auftrieb hat Nautiluslog vor allem durch die neuen gesetzlichen Anforderungen zum Gefahrstoffinventar (Inventory of Hazardous Materials, kurz IHM) bekommen. „Allein im Dezember haben wir die IHM für 700 neue Schiffe in das System aufgenommen“, so der Geschäftsführer. Auch der Bedarf und das Interesse an Remote-Surveys sei gestiegen. „Allen ist klar geworden: Es muss nicht immer jemand an Bord.“

Der Kurs für das 2021 steht: „Wir wachsen weiter, fünf neue Mitarbeiter haben wir seit Jahresbeginn bereits eingestellt“, so Klemke. „Die Digitalisierung in der Schifffahrt geht jetzt los. Für uns bedeutet das, das wir noch mehr Geschwindigkeit brauchen für unsere Ideen.“ Schub gibt dem Start-up die Investition in Höhe von einer Million Euro nach einer Seed-Finanzierungsrunde. Eine Erleichterung, denn zu Beginn der Pandemie sei alles abgesagt worden, weil unklar war, wie sich die Schifffahrt entwickelt. Klemke: „Umso mehr haben wir uns nun gefreut.“

Motion Miners

Motion Miners, ein Spin-off des Fraunhofer Instituts für Materialfluss und Logistik, das ein auf künstlicher Intelligenz basierendes Verfahren für die automatisierte Prozessanalyse entwickelt hat, hat seinen Umsatz im vergangenen Jahr gehalten. „Das sehen wir als großen Erfolg an“, sagt Mitbegründer und CEO Sascha Feldhorst. Auch für das Dortmunder Start-up hat sich jedoch viel verändert: „Seit Beginn der Pandemie reisen wir deutlich weniger als zuvor“, so Feldhorst. „Viele Termine finden seit Anfang 2020 digital statt.“ Zum Teil sogar solche, die zuvor immer vor Ort durchgeführt wurde, wie Besichtigungen oder Schulungen. Mit einem Hygienekonzept, Umsicht und Tests habe das Unternehmen aber auch einen Weg gefunden, das Messegeschäft wieder aufzunehmen. Dennoch müsse insgesamt deutlich flexibler geplant werden.

Der Blick auf das Geschäftsjahr 2021 fällt auch bei Motion Miners optimistisch aus. Feldhorst erwartet, dass sein Unternehmen wieder auf Erfolgskurs geht und diesen ohne größere Rückschläge halten könne. Das erste Quartal ist nach Unternehmensangaben jedenfalls sehr verheißungsvoll gestartet: „Wir wollen unseren Umsatz in diesem Jahr mehr als verdoppeln und sind diesem Plan nach dem ersten Quartal sogar leicht voraus“, sagt der CEO.

Seit Ende März ist das Start-up zudem als Prozessberater für ein größeres Impfzentrum in Nordrhein-Westfalen tätig. Dazu werden die Prozesse gesichtet, das Buchungsverhalten der Menschen analysiert und Verbesserungsmöglichkeiten evaluiert, um den Personendurchfluss durch die Impfstraßen zu verbessern. Das Ziel ist es, das Zusammenspiel der Impfstraßen zu verbessern und auf diese Weise pro Tag mehr Menschen zu impfen. Feldhorst: „Das ist für mich persönlich der vielversprechendste Weg, die Pandemie hinter uns zu lassen.

Nüwiel

Eine positive Geschäftsentwicklung verzeichnet auch das Hamburger Start-up Nüwiel. „Im Vergleich zum Vorjahr konnten wir eine höhere Nachfrage nach unseren E-Trailern sowie steigende Verkaufszahlen beobachten“, berichtet Mitgründerin Natalia Tomiyama. Die Covid-19-Pandemie habe den Onlinehandel stark beschleunigt und Aspekte der Nachhaltigkeit mehr in den Fokus gerückt. „In Deutschland betrug unser Umsatz für Fahrräder und E-Bikes 2020 rund 6,4 Milliarden Euro, das entspricht einem Plus von 61 Prozent im Vergleich zu 2019“, sagt Tomiyama.

Über 150 E-Trailer von Nüwiel sind in Deutschland und mehreren europäischen Ländern bereits unterwegs. Das Unternehmen konnte daher weiter wachsen und wird die Mitarbeiterzahl von derzeit 27 auf bis zu 35 bis zum Jahresende erhöhen. Das entspricht im Vergleich zum Vorjahr nahezu einer Verdoppelung. Darüber hinaus ist der Start der Serienproduktion geplant.

„Der Ausbruch der Pandemie und die darauf folgende Krise haben uns die Chance gegeben, unsere Schwächen in den betrieblichen Abläufen zu identifizieren“, unterstreicht Tomiyama. Zu Beginn der Pandemie sei es zu Unterbrechungen in der Lieferkette und damit zu Verzögerungen in der Produktion sowie Beeinträchtigungen bei der betrieblichen Planung gekommen. Nun ginge es darum, in den kommenden Jahren eine belastbare und robuste Lieferkette aufzubauen.

All das hat offensichtlich auch einen Investor und einen Accelerator überzeugt: „Wir gehören zu den glücklichen Start-ups, die während der Pandemie die Finanzierungsrunde mit NextShed VC der Eberspächer Gruppe für sich gewinnen konnten“, freut sich Tomiyama. „Im Februar 2020, kurz vor Pandemiebeginn, haben wir Fördermittel durch das EU-Rahmenprogramm für Forschung und Innovation, Horizon 2020 EIC Accelerator, erhalten.“

Evertracker

Ebenfalls positiv entwickelt hat sich das Geschäft des auf Logistiksoftware spezialisierten Start-ups Evertracker mit Stammsitz in Schwerin. „Im ersten Lockdown sind viele Projekte abgesagt oder verschoben worden“, berichtet CEO Marc Schmitt. Mit der Zeit habe sich aber gezeigt, dass Transparenz und besonders intelligente Entscheidungshilfen immer wichtiger für global agierende Unternehmen werden. „Wir haben bei Evertracker schon lange darüber gesprochen, dass intelligentes Datenmanagement und vorausschauende Analysen Logistikketten stabiler machen und besonders in Krisenzeiten zu mehr Sicherheit führen“, unterstreicht Schmitt. „Das zahlt sich gerade aus. Immer mehr Unternehmen nutzen unsere Plattform.“ 

Auch die Haltung der Kunden habe sich verändert: „Vor der Pandemie mussten Kooperationsprojekte zwischen Start-ups und etablierter Industrie in den Bereichen Digitalisierung und Transparenz perfekt sein. Sie wurden groß und kompliziert aufgesetzt“, so Schmitt. „Das hat viel verzögert und war natürlich das Gegenteil von schneller Innovation. Heute testen etablierte Unternehmen einfach mal neue Lösungen.“ Entsprechend habe Evertracker seine Plattform so entwickelt, dass sie schnell und unkompliziert ausprobiert werden kann. Trotz der Pandemie hat das Unternehmen übrigens seine Ziele für 2020 erreicht und im Dezember des vergangenen Jahres eine weitere Finanzierung bekommen.

Frachtklub

Beim Cuxhavener Start-up Frachtklub, das Speditionen bei der Digitalisierung ihrer Vertriebsprozesse unterstützt, wurden die Auswirkungen der Coronakrise recht unterschiedlich erlebt. So sei zu Beginn der Pandemie im Frühjahr vergangenen Jahres eine deutliche Unsicherheit bei den Kunden und Partnern zu spüren gewesen. Diverse Projekte seien daher kurzfristig gestoppt worden. Über den Sommer habe sich die Lage dann wieder entspannt und die Transporte zogen  – gerade im Digitalbereich – stark auf Vor-Pandemie-Niveau an. Nach Einschätzung der Frachtklub-Geschäftsführung zeige dies, dass eine Digitalstrategie wichtiger ist denn je zuvor. Das Onlinegeschäft mit Transporten habe sich als ziemlich krisensicher erwiesen und alles in allem haben sich die Zahlen zum Vorjahr mehr als verdoppelt. Gleiches erwartet das Unternehmen auch für 2021.

Insgesamt habe sich die Nachfrage nach digitalen Lösungen, welche die Arbeit von überall ermöglichen, enorm verstärkt. Dazu zähle der Onlineshop, welcher Speditionen einen digitalen und automatisierten Vertriebskanal bietet. Darüber hinaus hätten nach Unternehmensangaben viele Unternehmen endlich alte Denkmuster abgelegt und seien deutlich aufgeschlossener gegenüber der Kommunikation über Videokonferenzen. Für 2021 geht die Geschäftsführung weiterhin von einer sehr positiven Entwicklung aus. Auswirkungen auf die Finanzierung hat es nicht gegeben.

Cargonexx

Trotz Pandemie zufrieden ist auch Tom Krause von Cargonexx. Das Geschäft bei der digitalen Spedition hat sich gut entwickelt: „Wir haben teilweise ein Vielfaches der Vorjahresnachfrage erlebt“, so Krause. Das Hamburger Start-up profitiere vor allem von der Nachfrage des Netzwerks bei FMCG (Fast Moving Consumer Goods) und dem Carrier-Netzwerk. Die durch Produktionsstopps,  zum Beispiel in der Automobilindustrie entstandenen Kapazitäten konnte das Unternehmen mit seiner Software matchen und so die erhöhte Nachfrage bei FMCG bedienen. „Es war also eine Bestätigung dafür, dass es einen Bedarf an Plattformen gibt, die Angebot und Nachfrage technologiebasiert zusammenbringen können“, resümiert Krause. Er geht davon aus, dass sich die positive Entwicklung weiter fortsetzt: „Wir erwarten ein Umsatzwachstum mit unserem Digital Freight Forwarder Business, werden dieses Jahr aber auch intern entwickelte Software für Unternehmen zur Verfügung stellen und dadurch weitere Umsätze generieren.“ Die guten Perspektiven digital orientierter Start-ups honorieren laut Krause auch die poteziellen Geldgerber: „Wir sehen aktuell geradezu einen Hype, was Finanzierungen im Logistik-Technologie-Bereich angeht.“ (ben)

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