Matthias Friese: „Wir investieren in Gründer – nicht in Ideen“

Mit dem Company Builder Xpress Ventures ist Matthias Friese Co-Founder von digitalen Logistik-Start-ups und will gleichzeitig die Zusammenarbeit mit Corporates der Branche nachhaltig verbessern. Im Interview erklärt er, wie das gelingen soll und welche Rolle die Fiege-Gruppe dabei spielt.

„Wir sehen ein besonderes Potenzial in der Förderung von ökologischer Nachhaltigkeit“, erklärt Matthias Friese im Interview. (Foto: Xpress Ventures)

Mit dem Company Builder Xpress Ventures ist Matthias Friese Co-Founder von digitalen Logistik-Start-ups. Gleichzeitig will er die Zusammenarbeit mit Corporates der Branche nachhaltig verbessern. Im Interview erklärt er, wie das gelingen soll und welche Rolle die Fiege-Gruppe dabei spielt.

DVZ: Herr Friese, Sie sind seit zwei Jahren bei Fiege mit an Bord, seit September 2020 als Managing Partner des Company Builders XpressVentures. Wie ist es dazu gekommen?

Matthias Friese: Seit 2009 arbeite ich mit und für Start-ups. Früher habe ich mich weitestgehend von Corporates ferngehalten. Es ist kein Geheimnis, dass diese zwei Welten lange nicht miteinander harmoniert haben. Unterschiedliche Erwartungshaltungen, unterschiedliche Sprachen und unterschiedliche Vorstellungen von Investment und Return of Investment. Nachdem ich 2018 eine Firma, die ich mitaufgebaut hatte, verkauft habe, stand ich vor der Entscheidung, wie es für mich weitergehen soll: Gehe ich in eine neue Gründung oder wechsle ich die Seiten und schließe mich einem Venture Capital Fonds an? Beides war für mich nicht der richtige Weg.

Wie sind Sie dann bei Fiege gelandet?

Ich komme selbst aus einer Mittelstandsfamilie, meine Eltern haben ein kleines Maschinenbauunternehmen aufgebaut. Ich finde es schon seit Jahren problematisch, dass wir in diesem Bereich nicht kooperativ zusammenarbeiten. Deswegen habe ich schon lange überlegt, wie man Corporates und Start-ups besser zusammenbringen kann. In diesem Zuge habe ich die Familie Fiege kennengelernt, die große Offenheit für das Thema mitbrachte. Ein Mittelständler, der 150 Jahre am Markt ist, muss sich ja immer wieder selbst disruptiert haben. Der Kerngedanke von Xpress Ventures ist folgender: Barrieren im Kopf abbauen und allen klarzumachen, dass Kooperation der Schlüssel für Erfolg in der Zukunft sein wird. Am Anfang stand natürlich viel Moderations-Arbeit. Wir mussten für Verständnis dafür werben, warum wir alte und neue Welt zusammenbringen wollen. Als Company Builder finden wir Gründer und unterstützen sie aktiv im Aufbau ihres Start-ups - nicht nur durch Kapital, sondern vor allem auch durch operative Leistungen. Hier ist Fiege der Schlüssel. Und so bringen wir beide Welten zusammen: die digitale Power der Start-ups, mit der logistischen Expertise eines führenden Kontraktlogistikers.

Was ist dabei das Entscheidende?

Beide Seiten müssen Wertschätzung für die Kenntnisse und Fähigkeiten des Anderen mitbringen. Auch junge Gründer können gute Unternehmen bauen. Im ersten Jahr haben wir dieses Mindset in die Fiege-Organisation hineingetragen. Das Schöne war, dass alle sehr offen dafür waren. Logistik ist bekanntlich ein sehr flachmargiges Geschäft, in dem sehr effizient gearbeitet werden muss. Deshalb waren die Mitarbeiter von Fiege froh, Ideen an uns auslagern zu können, für die sonst keine Zeit wäre. Im Tagesgeschäft ist nun mal keine Zeit, um mit einem Gründerteam ein Jahr lang an einem Produkt zu arbeiten. Die Konsequenz daraus war, dies zu externalisieren. Darum kümmern wir uns mit unserem achtköpfigen Team. Den Gründern wird dabei sehr viel Freiraum gegeben. Mit den Ideen gehen wir dann wieder zur Kernorganisation von Fiege zurück und sprechen dort auf der Ebene mit den Menschen, die die neuen Produkte letztlich auch einsetzen wollen.

Was ist der Vorteil der Vorgehensweise von Xpress Ventures?

Als Company Builder sind wir nicht nur nah am C-Level, sondern helfen den Gründern, auf operativer Augenhöhe mit den wirklich Handelnden zu arbeiten. So ist es wesentlich einfacher, schnell ein pragmatisches und opportunitätsgetriebenes Produkt zu bauen. Dabei muss nicht immer alles fancy sein und es muss nicht immer allen recht gemacht werden. Wir stellen uns erst einmal zwei Fragen: Was muss das Produkt leisten können? Was ist der Kunde bereit, dafür zu bezahlen? Dann bauen wir zusammen einen MVP und versuchen zudem in sehr kurzer Zeit gute Erkenntnisse im Markt zu schaffen. Dann gehen wir erst zu einem VC, um weitere Finanzmittel zu erhalten.

Auf welchen Wegen suchen Sie die passenden Start-ups aus?

Wir betreiben zum einen eine, auch vom Fiege-Vorstand stark geförderte, Innovation Challenge, wo wir Kolleginnen und Kollegen von Fiege und darüber hinaus die Möglichkeit bieten, neue Geschäftsideen und Innovationen einzureichen. Dann arbeiten wir zusammen das Geschäftsmodell aus. Wir haben dafür einen Prozess, wo über mehrere Runden die besten Ideen ausgewählt werden. Kürzlich wurde da beim Finale in der Unternehmenszentrale der erste Sieger gekürt. Der Stream wurde an alle Fiege-Standorte übertragen. Das ist der Weg aus dem Unternehmen selbst heraus. Der stärker frequentierte Weg ist aber jener, wo junge Gründer von außen auf uns zukommen. Wir haben ein extrem gutes Netzwerk, bringen zehn Jahre Erfahrung mit und können den Gründern logistische Infrastruktur und Expertise anbieten. Das ist unser “Unfair Advantage”.

Dann schauen wir noch einmal auf den Weg von innen. Fiege hat rund 19.000 Mitarbeiter weltweit. Wie können die alle einbezogen werden?

Jeder Mitarbeiter weltweit ist aufgerufen, seine Idee bei uns einzureichen. Wir versuchen das sehr stark in die Organisation zu tragen und machen auch Mitarbeiter-Marketing, verschicken regelmäßig Newsletter und nehmen Podcasts zum Thema auf. Wir sind das Auffangbecken, für das, was sich im täglichen Doing nicht umsetzen lässt.

Wie wurde das angenommen?

Es sind mehr als sechzig Ideen eingegangen. Die Innovation Challenge ist nicht auf Fiege-Mitarbeiter limitiert. Auch haben externe Teams vom Fraunhofer-Institut und der Fachhochschule Münster teilgenommen. Das Finale hat dann mit fünf Teams stattgefunden. Gewonnen hat letztlich ein externes Team vom Fraunhofer-Institut. Camideos entwickelt eine Lösung, um digitale Twins für LKWs zu bauen. Damit sollen ökonomische und ökologische Effizienzen bei der Erneuerung von Flotten durch gezielte LkW-Modellauswahl erzielt werden. Mit Camideos arbeiten wir nun am Produkt und einer möglichen Ausgründung ihrer Idee. Aber auch Fiege-interne Ideen im Telematik-Bereich werden weiter verfolgt. Wir begleiten auch hier als Sparrings-Partner.

Sie haben bereits gesagt, dass Xpress Ventures momentan aus acht Personen besteht. Wie sieht die Struktur aus?

Es gibt zwei Partner. Neben mir als Managing Partner ist noch Adrian Graf als Partner mit dabei. Ich bin insbesondere auch für die Außendarstellung verantwortlich, Adrian Graf kümmert sich um die Bereiche Operations und Finance. Dann haben wir die sogenannten Venture Architects in verschiedenen Senioritätsklassen. Wenn wir uns mit einem neuen Thema beschäftigen, gibt es wie bei einem klassischen Venture Capitalist den sogenannten Deal flow: Wir prüfen das Thema und die Verantwortlichen, führen erste Interviews. Die Ideen, bei denen es keine Red Flags gibt, werden dann uns Partnern gezeigt. Eine Red Flag wäre beispielsweise, wenn einer der Gründer operativ gar nicht beteiligt wäre, aber 100 Prozent der Firma halten würde. Das sind nicht die Cases, die wir fördern wollen. Wir unterstützen nur Teams, die am Markt eine Chance haben, VC-Kapital einzusammeln.

Wo liegt denn der inhaltliche Fokus von Xpress Ventures?

Grundsätzlich konzentrieren wir uns auf „Sustainable LogTech“. Das bedeutet, wir zielen auf logistische Felder, in denen Technologie eine besondere logistische Dienstleistung disruptiert. Dabei sehen wir ein besonderes Potenzial in der Förderung von ökologischer Nachhaltigkeit. Gleichzeitig gehen wir auch auf Ideen, in denen Logistik einen Wettbewerbsvorteil liefert. Dies ist beispielsweise im E-Commerce mehr denn je der Fall. Da können wir über den Zugang zu Fiege sehr gut helfen. Das ist aber kein Muss. Es kann auch ein Geschäftsmodell sein, welches für ein so großes Unternehmen wie Fiege aus anderen Gründen spannend ist.

Die Statistik zeigt die Verteilung von Startup-Unternehmen in Deutschland nach Branchen laut DSM (Deutscher Startup Monitor) im Jahr 2021. Im Jahr 2021 waren 2,6 Prozent der Startups der Branche „Automobile und Mobilität/ Logistik“ zuzuordnen. (Grafik: Statista)

Wie wichtig sind die Gründer selbst?

Sie sind das Wichtigste. Wir investieren in Gründer, nicht in Ideen! Wir unterstützen lieber ein überragendes Team mit mittelmäßiger Idee als ein schwaches Team mit dem nächsten Google im Kopf, welches es aber nicht umgesetzt bekommt. Um dahin zu kommen, prüfen wir die Gründer menschlich wie fachlich sehr intensiv. Dabei konfrontieren wir die Gründer auch sehr früh mit den Experten von Fiege. Ein Robotik-Startup spricht da direkt mit dem Head of Engineering, der sich seit vielen Jahren damit beschäftigt. Wir bei Xpress Ventures kümmern uns also um das Geschäftsmodell: Gründerteam, Idee, Skalierbarkeit, Fundability. Alles Weitere challengen die Experten von Fiege. Das ergänzt sich ideal.

Wie ist Xpress Ventures in der Struktur von Fiege integriert?

Es ist eine Kooperation und genauso leben wir es auch. Xpress Ventures ist unter der Fiege Gruppe angesiedelt, wir sind aber nichtsdestotrotz eine eigene und operativ unabhängige Beteiligungsgesellschaft. Der Austausch mit Fiege ist uns sehr wichtig. Das Thema muss auf oberster Ebene vorgelebt und die wichtigen Managementebenen einbezogen werden.  Entsprechend wertschätzen wir, so eng mit dem  Fiege-Board wie auch den einzelnen Business Units zusammenzuarbeiten.

Momentan sind drei Start-ups in ihrem Portfolio. Sollen weitere zeitnah aufgenommen werden? Wie soll Xpress Ventures selbst wachsen?

Tatsächlich sind erst vor kurzem eine Kollegin und ein Kollege bei uns dazugekommen. Sicher wird es in den kommenden Wochen und Monaten noch einige interessante News von uns geben. Das Start-up Zenfulfillment bereiten wir gerade auf eine Finanzierungsrunde vor. Zum Anfang des Jahres werden wir zudem zwei neue Eigengründungen bzw. Beteiligungen vorstellen, an denen wir im vergangenen Jahr gearbeitet haben. Wir haben in den vergangenen Monaten unsere Prozesse sauber aufgestellt und starten jetzt richtig durch.

Sie sprachen es oben bereits kurz an. Dennoch: Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit für die Auswahl der Start-ups?

Wir sind stark auf das Thema fokussiert. Die Logistik hat beim Klimaschutz eine Verantwortung, welcher sie erst nach und nach gerechter wird. Wir sind froh, dass Fiege hier gemeinsam mit ihren Kunden eine Vorreiterrolle einnehmen will. Das hilft auch unserer Arbeit enorm. Wir alle stehen in der Pflicht, bessere Lösungen anzubieten, um den CO₂-Fußabdruck zu reduzieren. Es geht aber nicht nur um CO₂. Auch die Themen Verpackungen und Retouren sind zu nennen. Das kann ich auch ganz persönlich als Vater einer Tochter sagen: Ich ertrage das nicht, Videos zu sehen, wo in Warehouses in Asien zurückgeschickte Textilien in die Verbrennungsanlage geworfen werden, weil das die billigste Lösung ist. Da brauchen wir auch eine Evolution des Kaufgedankens bei Kunden.

Wie soll diese Evolution aussehen?

Wir hatten Anfang der 2010er die Convenience im Fokus – online bestelle ich sehr bequem. Da ging es darum, wer mir das Produkt am schnellsten und mit den geringsten Lieferkosten zustellen kann. Die Einstellung „Alles ist umsonst und du kannst ein Produkt noch nach 100 Tagen zurückschicken“, die sich etabliert hat, ist fatal. Das ist ein selbstgemachtes Problem von Industrie und Logistik. Mitte der 10er-Jahre wurde das Nutzungsverhalten dann insbesondere durch Amazon mit dem Vereinfachen des Bezahlprozesses nochmal verändert. Hinzu kamen die Nutzerbewertungen – bei Amazon schauen alle, wie viele Sterne ein Produkt hat. In der Zukunft wird der Kaufimpuls aber auch davon abhängen, wie nachhaltig ein Produkt produziert und verschickt wird. Das wird ein ganz großer Treiber für die kommenden Jahre sein. Insofern ist es auch ökonomisch gesehen wichtig, jetzt auf das Thema Nachhaltigkeit zu setzen. Das ist in der Logistik natürlich sehr kleinteilig. Überall müssen wir nach neuen, besseren Modellen suchen.

Wie weit ist die Logistik denn? Haben alle schon verstanden, um was es geht?

Das bleibt ein Evangelisierungsthema. Ich glaube, es gibt bereits viele gute Impulse am freien Markt. Viele ernsthafte Aktivitäten aus der Branche machen mir Mut. Zudem sehen Gründer immer mehr, in welche Marktlücke datengetriebene CO₂-Einsparungsmodelle gerade in der Logistik stoßen. Dass Impact-Investing in der VC-Szene einen immer höheren Stellenwert bekommt, hilft zudem. Auf der anderen Seite muss man aber immer wieder den Zeigefinger heben. Die Karten sind nun auch politisch neu gemischt, was mir Hoffnung macht. Ich glaube daran, dass die Transformation gelingt, aber es ist ein langer und steiniger Weg.

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