Mariposa Edu: Deutsche Auslandsschulen als Chance für die Logistik

Jahr für Jahr steigt in Deutschland die Zahl junger Menschen ohne Berufsabschluss. Gleichzeitig fehlen in Branchen wie der Logistik qualifizierte Nachwuchskräfte. Eine Befragung der Bertelsmann Stiftung aus dem vergangenen Jahr zeigt: Über die Hälfte der 14- bis 25-Jährigen (56 Prozent) hat Schwierigkeiten, sich im vielfältigen Informationsangebot zur Berufswahl zurechtzufinden – besonders diejenigen mit hoher Schulbildung.
Die schulische Berufsorientierung nimmt mit dem Schulabschluss in der Regel ein abruptes Ende, wissen Kirsten Herr und René Evering, die bis August dieses Jahres selbst als Lehrkräfte an einer deutschen Schule tätig waren. Das Problem: Zu diesem Zeitpunkt haben viele Schulabgänger noch keine Vorstellung davon, welcher berufliche Weg der richtige für sie ist.
„Man berät die Schüler zwar ganz viel zum Thema Studium, aber vor allem am Gymnasium zu wenig in Richtung Berufsausbildung oder duales Studium“, erinnert sich Herr. Ein Problem, das sich auch an deutschen Auslandsschulen zeigt.
Unterschätzter Talentpool
Laut dem Auswärtigen Amt gibt es weltweit 136 von der Bundesrepublik anerkannte Deutsche Auslandsschulen (DAS), an denen sowohl deutsche als auch landeseigene Abschlüsse angeboten werden. Was vielen Deutschen nicht bewusst ist: An diesen Schulen in Europa, Lateinamerika, Asien oder Afrika wachsen jedes Jahr Hunderte Absolventinnen und Absolventen heran, die mehrsprachig aufgestellt sind, das klassische deutsche Schulsystem durchlaufen haben und die Kultur von klein auf kennen.
„Deutschland hat international einen sehr guten Bildungsruf“, betont Herr. „Man denkt immer, dass vor allem deutsche Kinder die deutschen Auslandsschulen besuchen, doch tatsächlich sind es meistens Einheimische, die das Potenzial für eine internationale Karriere sehen.“
Damit verfügt Deutschland über einen globalen Nachwuchspool, der bisher kaum systematisch erschlossen wird. Der Weg der Absolventinnen und Absolventen führt jedoch fast immer an eine Universität. Das duale oder klassische Ausbildungssystem ist vielen von ihnen unbekannt.
Eine Beobachtung, die Herr und Evering vor etwa einem Jahr zur Gründung von Mariposa Edu motivierte. Mit ihrem Start-up wollen die beiden ehemaligen Lehrkräfte die Lücke zwischen internationalen Talenten an deutschen Auslandsschulen und hiesigen Unternehmen schließen – angefangen mit der Logistikbranche.
Mehr als Personalvermittlung
Kennengelernt haben sich Herr und Evering erst vor zwei Jahren an der Gemeinschaftsschule Moorrege in Schleswig-Holstein. Zuvor war Evering bereits an einer deutschen Schule im kolumbianischen Medellín als Lehrer tätig, Herr war für die Studien- und Berufsberatung an einem Hamburger Gymnasium zuständig.
Eine simple Frage legte den Grundbaustein für das gemeinsame Start-up: Warum endet unser Job und unsere Unterstützung mit dem Schulabschluss, wenn doch die entscheidende berufliche Weichenstellung danach beginnt? Innerhalb weniger Monate entwickelten die beiden neben ihrer Vollzeittätigkeit als Lehrer einen Businessplan. Ursprünglich war nur eine eigene Netzwerkveranstaltung mit moderner Ausrichtung geplant, inzwischen arbeitet Mariposa mit Schulen in zahlreichen Ländern zusammen – von Peru, Chile und Kolumbien über Costa Rica, Salvador, Kroatien, Rumänien, Albanien und Ägypten.
Deutschland hat einen sehr guten Bildungsruf. Kirsten Herr, Mitgründerin von Mariposa Edu
Parallel dazu baut das Start-up sein Unternehmensnetzwerk aus. Zunächst liegt der Fokus dabei auf der Region Hamburg, doch auch aus dem Rhein-Main-Gebiet gibt es bereits erste Interessenten. Die Schulferien nutzten die ehemaligen Lehrkräfte bisher, um in den deutschen Auslandsschulen Seminare zur Berufsvorbereitung auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu geben, Aufklärungsarbeit zu leisten und ihren Schüler-Pool für künftige Vermittlungen zu erweitern.
Im Unterschied zu typischen Personalagenturen beginnt die Arbeit von Mariposa Edu schon weit vor der eigentlichen Vermittlung zwischen Absolventen und Unternehmen: Bereits ab der 9. Klasse arbeiten die Gründer mit den Jugendlichen in mehrtägigen Workshops zu Themen wie Persönlichkeitsentwicklung, Berufsfelderkundung und Potenzialanalysen zusammen – abseits von Schulnoten. Der Name Mariposa (spanisch für „Schmetterling“) steht für die Idee, junge Menschen bei ihrer Entfaltung zu begleiten.
„Uns ist wichtig, dass die Schüler selbst erkennen, was sie glücklich macht – und nicht nur das, was ihre Eltern oder Lehrer für sinnvoll halten“, erklärt Evering. Ein zentraler Baustein ihrer Arbeit ist der direkte Draht zur Generation Z: „Wir wollen den Schülern weltweit eine Stimme geben und sie auch nach der Vermittlung, etwa im Visumsprozess oder bei der Eingewöhnung in Deutschland, unterstützen.“ Um das zu ermöglichen, werden die beiden Gründer von zwei interkulturellen Coaches unterstützt. Das Workshop-Material haben sie weitgehend selbst erarbeitet.
Chancen für Logistiker
Der direkte Kontakt in die Logistikbranche entstand durch ein Gespräch mit der Logistikinitiative Hamburg auf einer Jobmesse. Inzwischen sind die Gründer selbst Teil der Initiative und freuen sich über das wachsende Potenzial ihrer Arbeit für die Logistikbranche.
Ein Beispiel dafür ist eine kleine deutsche Schule in Manila, der Hauptstadt der Philippinen. Sie bietet Ökonomie und Logistik als Schwerpunkte in der Oberstufe an. „Das ist natürlich ein Jackpot für deutsche Logistikunternehmen“, sagt Herr. „Hinzu kommt, dass viele große Logistiker wie zum Beispiel DB Schenker dort einen Standort haben und bei den Schülern dementsprechend bekannt sind.“ Den Unternehmen bietet sich somit auch die Möglichkeit, junge Talente in Deutschland auszubilden und sie anschließend gezielt in den Heimatmärkten einzusetzen.
Digitale Erleichterung geplant
Trotz aller Erfolge bleibt die Bürokratie ein Hindernis. Ausbildungsvisa erfordern unterschriebene Arbeitsverträge, deutsche Botschaften arbeiten mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. „Das kostet Zeit – und Zeit haben Unternehmen meist nicht“, weiß Evering. Mariposa unterstützt deshalb auch bei diesen Prozessen und nutzt Kontakte zu Schulen und Botschaften, um Verfahren zu beschleunigen.
Aktuell finanziert sich das Start-up vor allem über Honorare von Schulen für Workshops und Seminare sowie über Vermittlungs- oder Coachinggebühren von Unternehmen und Eltern. Für die Entwicklung einer digitalen Plattform setzt das Gründer-Duo auf Fördergelder der EU und deutscher Ministerien und perspektivisch auch auf Investoren. Mit Hilfe von digitalen Schülerprofilen, die Informationen zu Interessen und Stärken enthalten, Sprachtests und Gamification-Elementen sollen passende Matches zwischen Absolventen und Unternehmen in Zukunft schneller und unkomplizierter gefunden werden können.




