Hyperloop: Mit 700 km/h in die Zukunft

Hyperloop klingt für viele nach Science-Fiction. Das Unternehmen Hardt Hyperloop in Rotterdam ist aber überzeugt, dass durch Vakuumröhren sausende Magnetschwebebahnen schon bald Realität werden können, und entwickelt die entsprechende Technik.

Julia Oomens-Meer (rechts), Leiterin für Business Development bei Hardt Hyperloop, zeigt DVZ-Redakteur Frank Hütten (links) das Modell eines Hyperloop-Fahrzeugs. (Foto: DVZ/ Hardt Hyperloop)

Das Geschwindigkeitsgefühl, mit bis zu 700 Kilometern pro Stunde in einem kapselförmigen Fahrzeug dahinzugleiten, fehlt natürlich. Auch durch die eigentlich vorgesehene Luftschleuse, die das annähernde Vakuum im Inneren der Hyperloop-Stahlröhre beim Ein- und Aussteigen aufrechterhält, gehe ich im Experience Center von Hardt Hyperloop in Rotterdam nicht. Aber wie es sich anfühlt, in einem Hyperloop-Wagen zu sitzen, kann ich dort schon ausprobieren.

Die Röhren werden einen Durchmesser von 3,5 Metern haben, die Fahrzeuge von etwa 2,5 Metern, vergleichbar mit einem Cityhopper-Flugzeug, sagt Julia Oomens-Meer, Leiterin für Business Development bei Hardt Hyperloop. „Man muss sich darin nicht krumm machen, sondern kann ganz normal stehen.“ Hinausschauen könne man aus der Röhre allerdings nicht. Viele Menschen befürchteten, dass das beengend wirkt. „Deshalb gibt es Deckenmonitore, auf denen etwa der Himmel oder auch die Skyline einer Stadt oder die Umgebung gezeigt werden kann, an der das Fahrzeug gerade vorbeifährt, um ein Gefühl von Weite zu geben“, sagt Oomens-Meer. Bei meinem Besuch werden Nordlichter projiziert, was entspannend wirken soll.

Wegen des hohen Tempos soll man nicht zu lange in den Kapseln sitzen müssen. Von Rotterdam nach Hamburg prognostiziert Hardt eine Reisezeit von 1,58 Stunden, von Rotterdam nach Mailand von 3,05 Stunden. Das wäre - von Stadtzentrum zu Stadtzentrum - schneller als mit dem Flugzeug (5,09/5,34 Stunden) oder mit der Bahn (7,12/11,01 Stunden).

Vorteile durch geringen Luftwiderstand

Möglich wird das durch die bei der Schwebebahn fehlende Reibung und den sehr geringen Luftwiderstand in den Vakuumröhren, sagt Tim Houter, Mitgründer von Hardt. „Hyperloop kommt dadurch mit zehnmal weniger Energie aus als der Straßen- oder Luftverkehr“, dabei sei der Energieverbrauch der Vakuumpumpen bereits eingerechnet. Direkte CO2- oder Schadstoffemissionen gebe es ebenfalls nicht, und Hyperloop-Strecken bräuchten deutlich weniger Platz als Straßen oder Bahnstrecken mit gleicher Transportkapazität. Laut Oomens-Meer lassen sich die Röhren dadurch leichter als U-Bahnen in neue Gebäude integrieren oder durch Tunnel führen.

24-Stunden-Betrieb möglich

Durch die Magnettechnik könnten die Hyperloop-Fahrzeuge, die nicht aneinandergekoppelt werden müssen, im Abstand von 15 Sekunden (das entspricht etwa 3 Kilometern) durch die Röhren sausen, und das –weil keine Anwohner gestört werden – prinzipiell rund um die Uhr, mit einem sehr verlässlichen Fahrplan. „Es gibt keine Störungen durch Regen, Schnee, Sturm, Äste auf den Schienen, Steinschlag oder Tiere oder Personen auf der Strecke“, sagt Houter.

Die Vision von Hardt ist es, 2030 eine Zertifizierung für den Passagiertransport zu bekommen. Dann könne in mehreren europäischen Regionen mit dem Bau von Strecken begonnen werden, die bis 2040 grenzüberschreitend verbunden werden sollen. Bis 2050 soll dann ein Hyperloop-Netz von rund 25.000 Kilometern entstehen, das zumindest alle EU-Staaten und Großbritannien verbindet und eine Alternative zu Hochgeschwindigkeitsbahnstrecken und innereuropäischen Flügen bietet.

Tests in größerem Maßstab sind nötig

Nicht weit vom Rotterdamer Experience Center liegt eine 30 Meter lange Hyperloop-Röhre zu Demonstrationszwecken. Im niederländischen Groningen entsteht eine rund 420 Meter lange Teströhre. „Sie ist die Einzige auf der Welt, in der ein Spurwechsel erprobt werden kann“, sagt Houter.

Solche Testmöglichkeiten seien sehr wichtig, sagt Lucienne Krosse. „Der nächste Schritt ist es, zu beweisen, dass die Technologie in größerem Maßstab funktioniert.“ Krosse ist verantwortlich für das Thema Hyperloop bei EIT InnoEnergy, einem Unternehmen, das umfangreich in Klima- und Energietechnologie investiert und vom European Institute for Innovation and Technologie der EU unterstützt wird.

Weltweit beschäftigen sich laut Krosse etwa sieben Unternehmen mit der Entwicklung von Hyperloop-Technologie. In Europa erwähnt sie neben Hardt besonders die spanische Zeleros und Nevomo aus Polen. Nevomo arbeite daran, konventionelle Züge magnetisch über die Gleise „schweben“ zu lassen und auf bis zu 550 Kilometer pro Stunde zu beschleunigen. Für Krosse ist Hyperloop keine Science-Fiction, als solche sieht sie eher Tiefsee-U-Boote an.

Netz von 60.000 Kilometern in Europa

Krosse hält in Europa sogar ein Hyperloop-Netz von rund 60.000 Kilometern für realisierbar. Die Investitionskosten lägen schätzungsweise bei 25 Millionen Euro pro Kilometer, vergleichbar mit Hochgeschwindigkeitsbahnstrecken.

Wegen des geringeren Platzbedarfs hält sie Hyperloop auch für rascher realisierbar, besonders in der Nähe bestehender Verkehrsinfrastruktur. „Entlang der meisten Autobahnen, die wir uns angesehen haben, könnte man Hyperloop-Röhren bauen“, sagt sie. Das könne in 5 statt 23 Jahren gelingen – der durchschnittlichen Planungs- und Bauzeit für eine Bahnstrecke in Deutschland.

Rentieren könnten sich die Strecken wegen der geringeren Investitions- und Betriebskosten in „deutlich weniger als 20 Jahren“, was für Investoren interessant sei. Krosse rechnet mit Fahrpreisen für Passagiere von 10 bis 15 Euro für 100 Kilometer.

Mehr Platz für Güterzüge

Passagierverkehr werde das eigentlich lukrative Geschäft sein. Aber auch wertvolle und schnell verderbliche Waren wie Früchte, Meeresfrüchte oder Blumen könnten auf Paletten per Hyperloop transportiert werden. Zudem könne Gütertransport in den Nachtstunden reizvoll sein, wenn kaum Passagierverkehr stattfindet.

„Der Effekt für den Güterverkehr ist eher indirekt“, sagt Krosse. Per Hyperloop könnten ähnlich viele Passagiere befördert werden wie mit Hochgeschwindigkeitszügen. „Für jeden ICE, den man aus dem Bahnnetz nimmt, entsteht dort – grob gerechnet – Kapazität für drei zusätzliche Güterzüge. Ich glaube, es gibt einen politischen Konsens in Europa, dass die Bahn viel stärker für den Gütertransport genutzt werden sollte. Hyperloop wäre ein sehr wirksamer Weg, die Kapazität der Bahn für Cargo-Transporte zu erhöhen“.

EU-Regulierungsrahmen erwartet

Wenn in Europa 2030 mit dem Bau von Hyperloop-Strecken begonnen werden soll, müssen vorher einheitliche technische Standards festgelegt und Vorgaben für die Sicherheit gemacht werden. Die EU-Kommission arbeite zusammen mit europäischen Unternehmen bereits an der Standardisierung, sagt Tim Houter. „Ein europäischer Regulierungsrahmen hilft bei der Planung des Rollouts der Infrastruktur. Je schneller er steht, umso besser, um Partner und Investoren zu gewinnen.“

Eigentlich wollte die EU-Kommission vor dem Jahreswechsel noch eine Strategie zur Entwicklung der Hyperloop-Technologie präsentieren. So ist es im Jahresarbeitsprogramm für 2023 angekündigt. Wie die DVZ erfuhr, will das Kommissionskollegium dieses Thema aber seinen Amtsnachfolgern überlassen, die nach der Europawahl im Juni 2024 nominiert werden. Derzeit arbeiten Kommissionsbeamte an einer Analyse, welche Auswirkungen eine Regulierung der Hyperloop-Technologie haben könnte. Die Analyse soll ein klareres Bild davon liefern, welche Regeln und welche Standards benötigt werden. Lucienne Krosse erwartet die Ergebnisse der Auswirkungsstudie im Oktober 2024. „Mit dieser Verzögerung können wir leben“, sagt sie.

Hardt Hyperloop

An seinem Firmensitz in Rotterdam hat das Tech-Unternehmen ein Experience Center eingerichtet. Dort kann man zum Beispiel in einer Hyperloop-Kapsel sitzen, sich an einem Modell die Funktionsweise der Magnetschwebetechnik anschauen oder den Platzbedarf von Hyperloop-Röhren mit dem von Straßen und Bahntrassen vergleichen.

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