„Recruiting über Social Media funktioniert heutzutage immer“

Die Logistikbranche hat kein Fachkräfteproblem, sondern ein Imageproblem.
Teilweise richtig. Ein Imageproblem haben wir definitiv. Während der Pandemie sind wir zwar kurzzeitig in die Heldenrolle geschlüpft, diesen Ruf konnten wir aber leider nicht aus der Corona-Krise heraus mitnehmen. Dazu kommt, dass die unattraktiven Bedingungen in der Logistik nicht ausreichend abgegolten werden. Wer will schon zwei Wochen im Lkw leben, wenn er beispielsweise mit einem Job im Schichtbetrieb einer Fabrik für das gleiche Geld einen halbwegs geregelten Familienalltag haben kann?
Ohne Zuwanderung und internationales Recruiting werden Logistikunternehmen ihren Personalbedarf in spätestens zehn Jahren nicht mehr decken können.
Richtig. Auch wenn internationales Recruiting das Problem trotzdem nicht grundsätzlich löst. Denn ich sehe hier klar einen Verdrängungsmarkt. Vor 20 Jahren haben bereits Transportunternehmen in Polen ihr Portfolio dem Bedarf angepasst, und die Ausweitung Richtung Osten ist seitdem immer weiter fortgeschritten. Aber die Erde ist nun mal eine Kugel, und irgendwann landen wir bei der Ostorientierung auch wieder bei uns. Deshalb ist es notwendig, neue Konzepte zu entwickeln, um die Berufe in der Logistik wieder attraktiver zu machen. Natürlich gehört dazu auch, die Bezahlung den Belastungen anzupassen und die Berufe damit wieder wettbewerbsfähig mit anderen Jobs zu machen.
Recruiting über Social Media funktioniert – aber nicht für klassische Logistikberufe.
Falsch. Recruiting über Social Media funktioniert heutzutage immer. Es kommt allerdings auf den Aufwand an. Man darf nicht glauben, man könne eine Stelle neu besetzen, indem man ein Jobinserat bei Facebook und Co. mit Werbung im Wert von 20 Euro pusht. Eine Stellenanzeige auf konventionellen Recruiting-Kanälen hat früher im Schnitt 700 Euro gekostet, damit muss man auch pro Kampagne in den sozialen Medien rechnen, um erfolgreich zu sein. Und natürlich sind auch die Voraussetzungen relevant: Präsentiert sich das Unternehmen mit Website, Bild- und Videomaterial ansprechend?
Der Fachkräftemangel in der Logistik ist stark regional geprägt, damit ist der Standort einer der entscheidendsten Faktoren im Recruiting-Erfolg.
Teilweise richtig. Natürlich spielt der Standort im Recruiting eine Rolle, manche Gegenden sind für Zuzug von potenziellen Mitarbeitenden attraktiver als andere. Aber es ist nicht der einzige Faktor, sonst müssten sich beispielsweise Lagerunternehmen im Umkehrschluss vermehrt in Spanien oder Griechenland ansiedeln, wo die Arbeitslosenquote bei 9 bis 11 Prozent liegt. Aus meiner Erfahrung heraus kann ich sagen, dass eine starke Arbeitgebermarke weitaus wichtiger ist.
Unternehmen müssen ihre Mitarbeitenden so flexibilisieren, dass sie in möglichst vielen Bereichen und Abteilungen dynamisch eingesetzt werden können.
Falsch. Flexibilität ist entscheidend, aber man sollte hier nicht bei den Mitarbeitenden ansetzen, sondern bei den Unternehmensprozessen selbst. Egal, wie komplex eine Aufgabe ist – je detaillierter sie beschrieben wird, desto flexibler kann sie zugeteilt und ausgeführt werden.
Personal sollte dort, wo es möglich ist, unternehmensübergreifend eingesetzt werden.
Teilweise richtig. Unternehmensübergreifende Personaleinsätze schaffen natürlich Effizienz- und Flexibilitätsvorteile. Gleichzeitig benötigen Mitarbeitende jedoch Planungssicherheit und klare Entwicklungsperspektiven. In jedem Fall ist transparente Kommunikation entscheidend, um Erwartungen frühzeitig abzustimmen, Ängste abzubauen und eine vertrauensvolle Grundlage zu schaffen, auf der Mitarbeitende ihre Einsätze effizient gestalten und gleichzeitig ihre persönliche Entwicklung aktiv vorantreiben können.
Wer heute noch auf Papierbewerbungen wartet, ist morgen nicht mehr am Markt.
Richtig – nicht wegen des Papiers, sondern wegen des Wartens. Auf Bewerber wartet man genauso wenig wie auf Kunden. Für Logistikbetriebe ist es heute sogar eine größere Herausforderung, qualifizierte Mitarbeitende zu finden, als neue Kunden zu akquirieren. Deshalb muss man im Recruiting aktiv auf alle Kanäle setzen, um potenzielle Mitarbeitende zu werben: von der Webseite über Social Media und Werbeanzeigen bis hin zu Mitarbeiterempfehlungen. Gleichzeitig gilt es, den Kontakt zum Unternehmen für mögliche Bewerber so einfach wie möglich zu gestalten, sei es für die klassische Papierbewerbung bis hin zur mobilen Bewerbung per Smartphone.
Künstliche Intelligenz kann nur eine unterstützende Hilfe im Recruiting sein.
Richtig. Derzeit sehe ich in der künstlichen Intelligenz vor allem eine effiziente Unterstützung im Recruiting. Unsere Software Spedijobs nutzt KI beispielsweise, um automatisch Entwürfe für Stellenanzeigen zu erstellen. Diese Automatisierung spart Zeit und ist ein klarer Mehrwert in puncto Effizienz. Dennoch bleibt die menschliche Prüfung unerlässlich. Einzelne Schritte im Recruiting-Prozess allein der KI zu überlassen, empfehle ich zum jetzigen Stand (noch) nicht. Die Entwicklungen sind allerdings rasant.
Digitales Onboarding kann in der Logistik auch bei operativen Tätigkeiten sinnvoll eingesetzt werden – zum Beispiel über Erklärvideos oder Lernapps.
Richtig. Digitale Onboardingprozesse lassen sich auf sämtliche Schulungsanlässe ausweiten, bei denen theoretisches Hintergrundwissen vermittelt werden soll. Bei unserer Schulungsplattform Spedifort haben sich beispielsweise digitale Sicherheitsunterweisungen oder individuell erstellte Firmenschulungen als Verkaufsrenner herausgestellt. Durch die Einbindung verschiedenster Dateiformate sind den Einsatzmöglichkeiten kaum Grenzen gesetzt. Nur dort, wo Mitarbeitende praktische Fertigkeiten direkt anwenden müssen, empfiehlt sich ergänzend eine Übung in der Praxis.
Die Bindung von Fachkräften gelingt besser durch Entwicklungsperspektiven als durch Lohnanreize – der Faktor Geld ist heutzutage zweitrangig.
Teilweise richtig. Ein angemessenes Lohnniveau vorausgesetzt, rückt der reine Geldfaktor tatsächlich in den Hintergrund oder mindestens an den Rand. Entscheidend sind dann Entwicklungsmöglichkeiten und ein verlässliches Leaderverhalten. Fachkräfte schätzen vor allem transparente Perspektiven und eine Führung, die auf Vertrauen und Partnerschaftlichkeit setzt.