Supply-Chain-Transparenz: Anbieter locken Investoren

Die Transparenz von Lieferketten ist in Corona-Zeiten stark in den Fokus gerückt. Das Geschäft mit entsprechenden digitalen Lösungen zieht immer mehr Investoren an. Beim Deutschen Logistik-Kongress werden Vertreter zweier Anbieter über die neuesten Entwicklungen berichten.

Seetransporte sind im Zuge der Pandemie, der Havarie im Suezkanal und der Containerknappheit zuletzt deutlich in den Fokus gerückt. (Foto: Istock)

Die Coronakrise hat angesichts der vielen Störungen entlang der Supply Chains das Thema Lieferkettentransparenz ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Wer Zugriff auf Echtzeitinformationen hat und die voraussichtlichen Ankunftszeiten kennt, kann gefährdete Lieferungen frühzeitig erkennen und mit Notfallmaßnahmen reagieren. Die Marktforscher und Berater von Gartner prognostizieren, dass die Hälfte der führenden globalen Unternehmen bis 2023 in Lösungen für die Echtzeit-Transparenz von Lieferketten investiert haben werden.

Das überzeugt offenbar auch zunehmend Investoren. Vor allem der US-amerikanische Supply-Chain-Plattformanbieter Project44 hat zuletzt von sich reden gemacht. Im zweiten Quartal hatte das Unternehmen mit Sitz in Chicago seine Serie-E-Investition in Höhe von 202 Millionen US-Dollar abgeschlossen, die von den Investoren Goldman Sachs und Emergence Capital geleitet wurde. Insgesamt hat das Unternehmen über Finanzierungsrunden bislang 442,5 Millionen Dollar eingesammelt.

Im September hatte Project44 die Übernahme des Unternehmens Convey aus Austin (Texas) bekanntgegeben. Der Kaufpreis: 255 Millionen Dollar. Die Akquisition ist die dritte und bisher größte von Project44 in diesem Jahr. Davor hatte das 2014 gegründete Unternehmen die Softwarefirma Clear Metal und den Seefracht-Spezialisten Ocean Insights übernommen.

Project44 bietet eine cloudbasierte Plattform für Verlader und Logistikdienstleister, die Transportprozesse vernetzt, automatisiert und transparent macht. Durch den Zukauf deckt das Unternehmen nun auch die Paket-, Kurier- und Haustürzustellung sowie die Retouren ab. „Gemeinsam bedienen Convey und Project44 nun die gesamte globale End-to-End-Lieferkette“, teilen die Unternehmen mit. Sie versprechen einen einheitlichen Überblick über die Lieferkette vom Rohstoff bis zur Zustellung an der Haustür. Damit kann Project44 jetzt nach eigenen Angaben 880 Verlader und Logistikdienstleister mit einem Netzwerk von 113.000 Spediteuren, 2,6 Millionen Assets und 9 Milliarden Sendungsereignissen auf der letzten Meile verbinden.

„Schwierige Weihnachtssaison“

Die Lösungen sollen den Nutzern helfen, auf Veränderungen oder Ereignisse entlang der Lieferkette rechtzeitig reagieren zu können, so zum Beispiel bei Versandverzögerungen, Änderungen der voraussichtlichen Ankunftszeit, Corona-bedingtem Personalmangel oder bei Hafenschließungen wie zuletzt in China. Mithilfe von Convey werde es zum Beispiel möglich sein, Probleme bei der Paketzustellung durch automatisierte Kundenkommunikation zu lösen, heißt es weiter.

In diesem Jahr stehe eine schwierige Weihnachtssaison bevor, weiß Jett McCandless, der CEO und Gründer von Project44. Deshalb sei die Nachfrage nach einer durchgängigen Auftragsvisibilität und prädiktiver Problemerkennung größer denn je. Prädiktive Analysen (Predictive Analytics) nutzen komplexe Mathematik und maschinelles Lernen, um aus vorhandenen Daten möglichst präzise Prognosen abzuleiten, und zwar stark automatisiert. McCandless: „Unternehmen müssen nicht nur Aufträge erfüllen und Waren ausliefern. Sie müssen auch die richtigen Prognosen hinsichtlich Verfügbarkeit und Lieferung machen. Schwankungen, eine enorme Komplexität und blinde Flecken in der Supply Chain erschweren das jedoch.“

Einhorn-Status

Anfang 2021 hatte Project44 mit einer Bewertung von mehr als 1,2 Milliarden Dollar den Einhorn-Status erlangt. Das Softwareunternehmen gehört zu den großen Anbietern in Sachen Lieferkettentransparenz und strebt auch auf den europäischen Markt, inklusive der Region Deutschland, Österreich und Schweiz. Ein anderer großer Anbieter ist Fourkites, ebenfalls aus den USA, der inzwischen bereits in ganz Europa tätig ist. Großer Konkurrent der beiden US-Firmen in Europa ist das französische Unternehmen Shippeo.

Fourkites erhielt im April eine Serie-D-Investition in Höhe von 100 Millionen Dollar. Sie ist auch die Basis, um auf dem europäischen Markt zu wachsen. Die Finanzierung wurde von Thomas H. Lee Partners angeführt, mit Beteiligung von Qualcomm Ventures, Volvo Group Venture Capital und Zebra Technologies sowie den bestehenden Investoren August Capital, CEAS Investments, Hyde Park Angels, Hyde Park Venture Partners und Bain Capital Ventures. Damit hatte sich das insgesamt aufgebrachte Kapital auf etwa 200 Millionen Dollar erhöht. Der Anbieter investiert laut CEO und Gründer Mathew Elenjickal in diesem Jahr etwa 45 Millionen Euro in die europäische Expansion. Dafür hat sich das Unternehmen gerade erst mit Marc Boileau verstärkt. Der Senior Vice President, Sales and Carrier Operations für die EMEA-Region soll den Aufbau von Partnerschaften mit Spediteuren und Verladern forcieren. Boileau kam im September von Project44.

Zu den Kunden zählen Fourkites zufolge inzwischen etwa 620 Marken, darunter Konzerne wie Henkel, Bayer, Dow Chemical, Kimberly-Clark, Coca-Cola, AB Inbev oder 3M. Fourkites hat nach eigenen Angaben 450.000 Carrier angeschlossen, die 176 Länder erreichen. Es würden täglich circa 2 Millionen Sendungen auf der Straße, auf der Schiene, im Seeverkehr, in der Luft verfolgt; wobei auch Paket- und Kurierdienste abgedeckt werden. Fourkites hat wie Project44 seinen Hauptsitz in Chicago, der Europa-Sitz befindet sich in Amsterdam.

Shippeo zählt Verlader wie Carrefour, Schneider Electric, Faurecia, Saint-Gobain und Eckes Granini zu seinen Kunden. Der Anbieter mit Sitz in Paris trackt nach eigenen Angaben mehr als 25 Millionen Ladungen pro Jahr. Die Plattform sei verbunden mit etwa 850 Transportmanagement- und Telematiksystemen und circa 140.000 Spediteuren in ungefähr 75 Ländern. Seit der Gründung 2014 konnte Shippeo 71 Millionen Dollar einsammeln. Zuletzt hatte das Unternehmen 32 Millionen Dollar (Serie B) von Battery Ventures und den bestehenden Investoren Partech Ventures, NGP Capital, ETF oder Bpifrance erhalten. Diese hatten zuvor bereits zusammen 20 Millionen Euro in den Plattformanbieter investiert.

Seit Anfang des Jahres konnte Shippeo mehrere große internationale Kunden gewinnen. Dazu zählen der Abfüller Coca-Cola HBC, Nexans, ein Anbieter aus dem Energiesektor, XPO Logistics und der Autozulieferer Woco. Besonders gefragt sei derzeit Transparenz im maritimen Transport, sagt Lucien Besse, COO von Shippeo. Die Seetransporte seien im Zuge der Pandemie, der Havarie im Suezkanal und der Containerknappheit deutlich in den Fokus gerückt.

Der französische Anbieter ist zwar vor allem in Europa aktiv, hat seine Präsenz aber inzwischen auch global ausgeweitet und neue Kunden in Nord- und Lateinamerika sowie im asiatischen Raum gewonnen. Vor allem nach Nordamerika will Shippeo expandieren. Christopher Mazza, Senior Vice President International Growth, wird das Wachstum in der Region verantworten und die Geschäfte dort führen. Er war an der Gründung von Clear Metal beteiligt, wo er eine entscheidende Rolle bei der Geschäftsentwicklung gespielt hatte, bevor er nach der Übernahme des Unternehmens mit zu Project44 gewechselt war.

Shippeo und Project44 beim Logistik-Kongress

Shippeo-Mitgründer Lucien Besse wird beim Deutschen Logistik-Kongress am 22. Oktober ab 9.30 Uhr an der Sequenz „Agility-Driven Supply Chain Collaboration“ teilnehmen. Robin Jaacks von Project44 in Hamburg wird die Technik des Unternehmens am gleichen Tag ab circa 11.15 Uhr präsentieren. Der Titel seines Vortrags: Real-Time-Visibility – der entscheidende Überlebensfaktor in unsicheren Zeiten?

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Supply-Chain-Transparenz: Anbieter locken Investoren

Die Transparenz von Lieferketten ist in Corona-Zeiten stark in den Fokus gerückt. Das Geschäft mit entsprechenden digitalen Lösungen zieht immer mehr Investoren an. Beim Deutschen Logistik-Kongress werden Vertreter zweier Anbieter über die neuesten Entwicklungen berichten.

Seetransporte sind im Zuge der Pandemie, der Havarie im Suezkanal und der Containerknappheit zuletzt deutlich in den Fokus gerückt. (Foto: Istock)

Die Coronakrise hat angesichts der vielen Störungen entlang der Supply Chains das Thema Lieferkettentransparenz ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Wer Zugriff auf Echtzeitinformationen hat und die voraussichtlichen Ankunftszeiten kennt, kann gefährdete Lieferungen frühzeitig erkennen und mit Notfallmaßnahmen reagieren. Die Marktforscher und Berater von Gartner prognostizieren, dass die Hälfte der führenden globalen Unternehmen bis 2023 in Lösungen für die Echtzeit-Transparenz von Lieferketten investiert haben werden.

Das überzeugt offenbar auch zunehmend Investoren. Vor allem der US-amerikanische Supply-Chain-Plattformanbieter Project44 hat zuletzt von sich reden gemacht. Im zweiten Quartal hatte das Unternehmen mit Sitz in Chicago seine Serie-E-Investition in Höhe von 202 Millionen US-Dollar abgeschlossen, die von den Investoren Goldman Sachs und Emergence Capital geleitet wurde. Insgesamt hat das Unternehmen über Finanzierungsrunden bislang 442,5 Millionen Dollar eingesammelt.

Im September hatte Project44 die Übernahme des Unternehmens Convey aus Austin (Texas) bekanntgegeben. Der Kaufpreis: 255 Millionen Dollar. Die Akquisition ist die dritte und bisher größte von Project44 in diesem Jahr. Davor hatte das 2014 gegründete Unternehmen die Softwarefirma Clear Metal und den Seefracht-Spezialisten Ocean Insights übernommen.

Project44 bietet eine cloudbasierte Plattform für Verlader und Logistikdienstleister, die Transportprozesse vernetzt, automatisiert und transparent macht. Durch den Zukauf deckt das Unternehmen nun auch die Paket-, Kurier- und Haustürzustellung sowie die Retouren ab. „Gemeinsam bedienen Convey und Project44 nun die gesamte globale End-to-End-Lieferkette“, teilen die Unternehmen mit. Sie versprechen einen einheitlichen Überblick über die Lieferkette vom Rohstoff bis zur Zustellung an der Haustür. Damit kann Project44 jetzt nach eigenen Angaben 880 Verlader und Logistikdienstleister mit einem Netzwerk von 113.000 Spediteuren, 2,6 Millionen Assets und 9 Milliarden Sendungsereignissen auf der letzten Meile verbinden.

„Schwierige Weihnachtssaison“

Die Lösungen sollen den Nutzern helfen, auf Veränderungen oder Ereignisse entlang der Lieferkette rechtzeitig reagieren zu können, so zum Beispiel bei Versandverzögerungen, Änderungen der voraussichtlichen Ankunftszeit, Corona-bedingtem Personalmangel oder bei Hafenschließungen wie zuletzt in China. Mithilfe von Convey werde es zum Beispiel möglich sein, Probleme bei der Paketzustellung durch automatisierte Kundenkommunikation zu lösen, heißt es weiter.

In diesem Jahr stehe eine schwierige Weihnachtssaison bevor, weiß Jett McCandless, der CEO und Gründer von Project44. Deshalb sei die Nachfrage nach einer durchgängigen Auftragsvisibilität und prädiktiver Problemerkennung größer denn je. Prädiktive Analysen (Predictive Analytics) nutzen komplexe Mathematik und maschinelles Lernen, um aus vorhandenen Daten möglichst präzise Prognosen abzuleiten, und zwar stark automatisiert. McCandless: „Unternehmen müssen nicht nur Aufträge erfüllen und Waren ausliefern. Sie müssen auch die richtigen Prognosen hinsichtlich Verfügbarkeit und Lieferung machen. Schwankungen, eine enorme Komplexität und blinde Flecken in der Supply Chain erschweren das jedoch.“

Einhorn-Status

Anfang 2021 hatte Project44 mit einer Bewertung von mehr als 1,2 Milliarden Dollar den Einhorn-Status erlangt. Das Softwareunternehmen gehört zu den großen Anbietern in Sachen Lieferkettentransparenz und strebt auch auf den europäischen Markt, inklusive der Region Deutschland, Österreich und Schweiz. Ein anderer großer Anbieter ist Fourkites, ebenfalls aus den USA, der inzwischen bereits in ganz Europa tätig ist. Großer Konkurrent der beiden US-Firmen in Europa ist das französische Unternehmen Shippeo.

Fourkites erhielt im April eine Serie-D-Investition in Höhe von 100 Millionen Dollar. Sie ist auch die Basis, um auf dem europäischen Markt zu wachsen. Die Finanzierung wurde von Thomas H. Lee Partners angeführt, mit Beteiligung von Qualcomm Ventures, Volvo Group Venture Capital und Zebra Technologies sowie den bestehenden Investoren August Capital, CEAS Investments, Hyde Park Angels, Hyde Park Venture Partners und Bain Capital Ventures. Damit hatte sich das insgesamt aufgebrachte Kapital auf etwa 200 Millionen Dollar erhöht. Der Anbieter investiert laut CEO und Gründer Mathew Elenjickal in diesem Jahr etwa 45 Millionen Euro in die europäische Expansion. Dafür hat sich das Unternehmen gerade erst mit Marc Boileau verstärkt. Der Senior Vice President, Sales and Carrier Operations für die EMEA-Region soll den Aufbau von Partnerschaften mit Spediteuren und Verladern forcieren. Boileau kam im September von Project44.

Zu den Kunden zählen Fourkites zufolge inzwischen etwa 620 Marken, darunter Konzerne wie Henkel, Bayer, Dow Chemical, Kimberly-Clark, Coca-Cola, AB Inbev oder 3M. Fourkites hat nach eigenen Angaben 450.000 Carrier angeschlossen, die 176 Länder erreichen. Es würden täglich circa 2 Millionen Sendungen auf der Straße, auf der Schiene, im Seeverkehr, in der Luft verfolgt; wobei auch Paket- und Kurierdienste abgedeckt werden. Fourkites hat wie Project44 seinen Hauptsitz in Chicago, der Europa-Sitz befindet sich in Amsterdam.

Shippeo zählt Verlader wie Carrefour, Schneider Electric, Faurecia, Saint-Gobain und Eckes Granini zu seinen Kunden. Der Anbieter mit Sitz in Paris trackt nach eigenen Angaben mehr als 25 Millionen Ladungen pro Jahr. Die Plattform sei verbunden mit etwa 850 Transportmanagement- und Telematiksystemen und circa 140.000 Spediteuren in ungefähr 75 Ländern. Seit der Gründung 2014 konnte Shippeo 71 Millionen Dollar einsammeln. Zuletzt hatte das Unternehmen 32 Millionen Dollar (Serie B) von Battery Ventures und den bestehenden Investoren Partech Ventures, NGP Capital, ETF oder Bpifrance erhalten. Diese hatten zuvor bereits zusammen 20 Millionen Euro in den Plattformanbieter investiert.

Seit Anfang des Jahres konnte Shippeo mehrere große internationale Kunden gewinnen. Dazu zählen der Abfüller Coca-Cola HBC, Nexans, ein Anbieter aus dem Energiesektor, XPO Logistics und der Autozulieferer Woco. Besonders gefragt sei derzeit Transparenz im maritimen Transport, sagt Lucien Besse, COO von Shippeo. Die Seetransporte seien im Zuge der Pandemie, der Havarie im Suezkanal und der Containerknappheit deutlich in den Fokus gerückt.

Der französische Anbieter ist zwar vor allem in Europa aktiv, hat seine Präsenz aber inzwischen auch global ausgeweitet und neue Kunden in Nord- und Lateinamerika sowie im asiatischen Raum gewonnen. Vor allem nach Nordamerika will Shippeo expandieren. Christopher Mazza, Senior Vice President International Growth, wird das Wachstum in der Region verantworten und die Geschäfte dort führen. Er war an der Gründung von Clear Metal beteiligt, wo er eine entscheidende Rolle bei der Geschäftsentwicklung gespielt hatte, bevor er nach der Übernahme des Unternehmens mit zu Project44 gewechselt war.

Shippeo und Project44 beim Logistik-Kongress

Shippeo-Mitgründer Lucien Besse wird beim Deutschen Logistik-Kongress am 22. Oktober ab 9.30 Uhr an der Sequenz „Agility-Driven Supply Chain Collaboration“ teilnehmen. Robin Jaacks von Project44 in Hamburg wird die Technik des Unternehmens am gleichen Tag ab circa 11.15 Uhr präsentieren. Der Titel seines Vortrags: Real-Time-Visibility – der entscheidende Überlebensfaktor in unsicheren Zeiten?

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Die Transparenz von Lieferketten ist in Corona-Zeiten stark in den Fokus gerückt. Das Geschäft mit entsprechenden digitalen Lösungen zieht immer mehr Investoren an. Beim Deutschen Logistik-Kongress werden Vertreter zweier Anbieter über die neuesten Entwicklungen berichten.

Seetransporte sind im Zuge der Pandemie, der Havarie im Suezkanal und der Containerknappheit zuletzt deutlich in den Fokus gerückt. (Foto: Istock)

Die Coronakrise hat angesichts der vielen Störungen entlang der Supply Chains das Thema Lieferkettentransparenz ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Wer Zugriff auf Echtzeitinformationen hat und die voraussichtlichen Ankunftszeiten kennt, kann gefährdete Lieferungen frühzeitig erkennen und mit Notfallmaßnahmen reagieren. Die Marktforscher und Berater von Gartner prognostizieren, dass die Hälfte der führenden globalen Unternehmen bis 2023 in Lösungen für die Echtzeit-Transparenz von Lieferketten investiert haben werden.

Das überzeugt offenbar auch zunehmend Investoren. Vor allem der US-amerikanische Supply-Chain-Plattformanbieter Project44 hat zuletzt von sich reden gemacht. Im zweiten Quartal hatte das Unternehmen mit Sitz in Chicago seine Serie-E-Investition in Höhe von 202 Millionen US-Dollar abgeschlossen, die von den Investoren Goldman Sachs und Emergence Capital geleitet wurde. Insgesamt hat das Unternehmen über Finanzierungsrunden bislang 442,5 Millionen Dollar eingesammelt.

Im September hatte Project44 die Übernahme des Unternehmens Convey aus Austin (Texas) bekanntgegeben. Der Kaufpreis: 255 Millionen Dollar. Die Akquisition ist die dritte und bisher größte von Project44 in diesem Jahr. Davor hatte das 2014 gegründete Unternehmen die Softwarefirma Clear Metal und den Seefracht-Spezialisten Ocean Insights übernommen.

Project44 bietet eine cloudbasierte Plattform für Verlader und Logistikdienstleister, die Transportprozesse vernetzt, automatisiert und transparent macht. Durch den Zukauf deckt das Unternehmen nun auch die Paket-, Kurier- und Haustürzustellung sowie die Retouren ab. „Gemeinsam bedienen Convey und Project44 nun die gesamte globale End-to-End-Lieferkette“, teilen die Unternehmen mit. Sie versprechen einen einheitlichen Überblick über die Lieferkette vom Rohstoff bis zur Zustellung an der Haustür. Damit kann Project44 jetzt nach eigenen Angaben 880 Verlader und Logistikdienstleister mit einem Netzwerk von 113.000 Spediteuren, 2,6 Millionen Assets und 9 Milliarden Sendungsereignissen auf der letzten Meile verbinden.

„Schwierige Weihnachtssaison“

Die Lösungen sollen den Nutzern helfen, auf Veränderungen oder Ereignisse entlang der Lieferkette rechtzeitig reagieren zu können, so zum Beispiel bei Versandverzögerungen, Änderungen der voraussichtlichen Ankunftszeit, Corona-bedingtem Personalmangel oder bei Hafenschließungen wie zuletzt in China. Mithilfe von Convey werde es zum Beispiel möglich sein, Probleme bei der Paketzustellung durch automatisierte Kundenkommunikation zu lösen, heißt es weiter.

In diesem Jahr stehe eine schwierige Weihnachtssaison bevor, weiß Jett McCandless, der CEO und Gründer von Project44. Deshalb sei die Nachfrage nach einer durchgängigen Auftragsvisibilität und prädiktiver Problemerkennung größer denn je. Prädiktive Analysen (Predictive Analytics) nutzen komplexe Mathematik und maschinelles Lernen, um aus vorhandenen Daten möglichst präzise Prognosen abzuleiten, und zwar stark automatisiert. McCandless: „Unternehmen müssen nicht nur Aufträge erfüllen und Waren ausliefern. Sie müssen auch die richtigen Prognosen hinsichtlich Verfügbarkeit und Lieferung machen. Schwankungen, eine enorme Komplexität und blinde Flecken in der Supply Chain erschweren das jedoch.“

Einhorn-Status

Anfang 2021 hatte Project44 mit einer Bewertung von mehr als 1,2 Milliarden Dollar den Einhorn-Status erlangt. Das Softwareunternehmen gehört zu den großen Anbietern in Sachen Lieferkettentransparenz und strebt auch auf den europäischen Markt, inklusive der Region Deutschland, Österreich und Schweiz. Ein anderer großer Anbieter ist Fourkites, ebenfalls aus den USA, der inzwischen bereits in ganz Europa tätig ist. Großer Konkurrent der beiden US-Firmen in Europa ist das französische Unternehmen Shippeo.

Fourkites erhielt im April eine Serie-D-Investition in Höhe von 100 Millionen Dollar. Sie ist auch die Basis, um auf dem europäischen Markt zu wachsen. Die Finanzierung wurde von Thomas H. Lee Partners angeführt, mit Beteiligung von Qualcomm Ventures, Volvo Group Venture Capital und Zebra Technologies sowie den bestehenden Investoren August Capital, CEAS Investments, Hyde Park Angels, Hyde Park Venture Partners und Bain Capital Ventures. Damit hatte sich das insgesamt aufgebrachte Kapital auf etwa 200 Millionen Dollar erhöht. Der Anbieter investiert laut CEO und Gründer Mathew Elenjickal in diesem Jahr etwa 45 Millionen Euro in die europäische Expansion. Dafür hat sich das Unternehmen gerade erst mit Marc Boileau verstärkt. Der Senior Vice President, Sales and Carrier Operations für die EMEA-Region soll den Aufbau von Partnerschaften mit Spediteuren und Verladern forcieren. Boileau kam im September von Project44.

Zu den Kunden zählen Fourkites zufolge inzwischen etwa 620 Marken, darunter Konzerne wie Henkel, Bayer, Dow Chemical, Kimberly-Clark, Coca-Cola, AB Inbev oder 3M. Fourkites hat nach eigenen Angaben 450.000 Carrier angeschlossen, die 176 Länder erreichen. Es würden täglich circa 2 Millionen Sendungen auf der Straße, auf der Schiene, im Seeverkehr, in der Luft verfolgt; wobei auch Paket- und Kurierdienste abgedeckt werden. Fourkites hat wie Project44 seinen Hauptsitz in Chicago, der Europa-Sitz befindet sich in Amsterdam.

Shippeo zählt Verlader wie Carrefour, Schneider Electric, Faurecia, Saint-Gobain und Eckes Granini zu seinen Kunden. Der Anbieter mit Sitz in Paris trackt nach eigenen Angaben mehr als 25 Millionen Ladungen pro Jahr. Die Plattform sei verbunden mit etwa 850 Transportmanagement- und Telematiksystemen und circa 140.000 Spediteuren in ungefähr 75 Ländern. Seit der Gründung 2014 konnte Shippeo 71 Millionen Dollar einsammeln. Zuletzt hatte das Unternehmen 32 Millionen Dollar (Serie B) von Battery Ventures und den bestehenden Investoren Partech Ventures, NGP Capital, ETF oder Bpifrance erhalten. Diese hatten zuvor bereits zusammen 20 Millionen Euro in den Plattformanbieter investiert.

Seit Anfang des Jahres konnte Shippeo mehrere große internationale Kunden gewinnen. Dazu zählen der Abfüller Coca-Cola HBC, Nexans, ein Anbieter aus dem Energiesektor, XPO Logistics und der Autozulieferer Woco. Besonders gefragt sei derzeit Transparenz im maritimen Transport, sagt Lucien Besse, COO von Shippeo. Die Seetransporte seien im Zuge der Pandemie, der Havarie im Suezkanal und der Containerknappheit deutlich in den Fokus gerückt.

Der französische Anbieter ist zwar vor allem in Europa aktiv, hat seine Präsenz aber inzwischen auch global ausgeweitet und neue Kunden in Nord- und Lateinamerika sowie im asiatischen Raum gewonnen. Vor allem nach Nordamerika will Shippeo expandieren. Christopher Mazza, Senior Vice President International Growth, wird das Wachstum in der Region verantworten und die Geschäfte dort führen. Er war an der Gründung von Clear Metal beteiligt, wo er eine entscheidende Rolle bei der Geschäftsentwicklung gespielt hatte, bevor er nach der Übernahme des Unternehmens mit zu Project44 gewechselt war.

Shippeo und Project44 beim Logistik-Kongress

Shippeo-Mitgründer Lucien Besse wird beim Deutschen Logistik-Kongress am 22. Oktober ab 9.30 Uhr an der Sequenz „Agility-Driven Supply Chain Collaboration“ teilnehmen. Robin Jaacks von Project44 in Hamburg wird die Technik des Unternehmens am gleichen Tag ab circa 11.15 Uhr präsentieren. Der Titel seines Vortrags: Real-Time-Visibility – der entscheidende Überlebensfaktor in unsicheren Zeiten?

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