Warum man Schifffahrt neu denken muss


Reedereien tragen die Verantwortung für gewaltige Mengen an Emissionen. Gleichzeitig sind sie bei der Dekarbonisierung der Branche von allen Marktteilnehmern in der schwierigsten Lage. Janin Aden von Hapag-Lloyd gibt Einblick.

Auch in den Seehäfen wie hier in Hamburg müssen sich Reedereien künftig auf veränderte Rahmen­bedingungen einstellen. (Foto: Getty Images/iStockphoto)

Die Schifffahrt muss bis 2030 mindestens 5 Prozent emissionsfreie Brennstoffe nutzen, um eine Dekarbonisierung bis 2050 zu erreichen. Hapag-Lloyd hat das Ziel, den spezifischen CO₂-Ausstoß der gesamten Flotte bis 2030 um 30 Prozent zu senken. Bis 2045 sollen unsere Schiffe komplett klimaneutral betrieben werden.

Letztlich sind klimaneutrale Treibstoffe der effektivste Weg, den CO₂-Ausstoß in der Schifffahrt auf ein Minimum zu verringern. Hier sind die Investitionsunsicherheiten momentan allerdings sehr groß. Wir wissen heute noch nicht, welche klimaneutralen Treibstoffe künftig in ausreichender Menge zur Verfügung stehen.

Engpass grüner Strom

Deshalb legen wir zurzeit einen Fokus auf Biomethan und synthetisches Methan, da diese Treibstoffe bereits auf Schiffen mit Dual-Fuel-Motoren einsetzbar sind. Denkbar sind in Zukunft aber auch synthetisches Methanol, synthetischer Ammoniak oder Biomethanol. Natürlich muss ein zukunftsfähiger Treibstoff sicher in der Anwendung und wirtschaftlich sein. Für unterschiedliche Bereiche wie interkontinentale Verkehre und Feederverkehre werden sich möglicherweise auch verschiedene Treibstoffe durchsetzen, was vermutlich für einen Energiemix sorgen wird. Der wesentliche Engpass ist jedoch grüner Strom, der letztendlich zur Produktion aller E-Fuels benötigt wird.

Die Investitionszyklen von Containerschiffen liegen üblicherweise bei etwa 25 Jahren – deshalb ist klar, dass ab jetzt jedes neu bestellte Schiff zukunftsfähig sein muss. Angesichts der gewaltigen Investitionssummen für Schiffsneubauten und der derzeitigen Ungewissheit, welche Treibstoffe sich in Zukunft durchsetzen werden, muss der Schiffsantrieb möglichst viele Optionen zulassen.

Dual-Fuel-Antriebe bieten hier einen guten Lösungsansatz, denn sie ermöglichen erstens durch den Betrieb mit LNG bereits heute deutliche CO2-Einsparungen und eröffnen zweitens mehr Flexibilität mit Blick auf neue Treibstoffgenerationen, ganz gleich, ob diese flüssig oder gasförmig sein werden.

Globale Regulierung

Unsere Branche ist weltweit tätig, und genau deshalb benötigen wir eine globale Regulierung, damit wir unter fairen Wettbewerbsbedingungen arbeiten können. Selbstverständlich begrüßen wir den „Green Deal“ und die vorgeschlagenen Maßnahmen des „Fit for 55“-Pakets, denn sie können zu einer weiteren Beschleunigung der Dekarbonisierung beitragen. Zugleich bleiben Forschung und Entwicklung jedoch weiterhin essenzielle Themen, die dringend gestärkt werden müssen. Deshalb wäre es sinnvoll, wenn die Einnahmen aus einer CO2-Bepreisung in entsprechende Forschungs- und Entwicklungsinitiativen investiert würden. Ein weiterer wichtiger Schritt sind staatliche Unterstützungsprogramme, die Risiken für Vorreiter reduzieren.

Es liegt insbesondere an der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (IMO), globale Vorgaben zu machen. Sie muss die Dinge vorantreiben, denn sie hat die Möglichkeit, die richtigen Voraussetzungen für die weltweite Schifffahrt zu schaffen, einen einheitlichen Rahmen zu setzen und einen Flickenteppich an Regeln und Gesetzen zu verhindern. Die Containerreedereien stehen im Zuge der Klimaziele unter einem sehr hohen Transformationsdruck und sind daher darauf angewiesen, dass die IMO einen verlässlichen und ambitionierten Handlungsrahmen schafft, der die Reedereien bei der Dekarbonisierung unterstützt.

Die richtigen politischen Rahmenbedingungen können den Weg zu einer emissionsfreien Schifffahrt beschleunigen. Doch Maßnahmen zum Klimaschutz gibt es nicht umsonst. Es sind hohe Investitionen nötig. Zur Emissionsreduktion müssen alle ihren Teil beitragen – Staaten, Unternehmen und auch Konsumenten. Beispielsweise kosten unsere zwölf neuen Schiffe mit den emissionsärmeren Dual-Fuel-Motoren, die wir vor kurzem bestellt haben, insgesamt etwa 2 Milliarden US-Dollar.

Weitere Kostenpunkte sind Investitionen in Forschung und Entwicklung, um eine nachhaltigere Schifffahrt voranzutreiben. Für die Herstellung von grünen Treibstoffen sind spezielle Anlagen notwendig. Damit der Treibstoff klimaneutral ist, muss er mithilfe von grünem Strom produziert werden. Auch der Ausbau der Infrastruktur fordert Investitionen: Nötig sind Trassen hin zu den Produktionsanlagen sowie eine Infrastruktur bis an die Hafenkante.

Aus diesem Grund werden klimaneutrale Treibstoffe zumindest in der Aufbauphase teurer sein als fossile Brennstoffe. Trotz weiterer Effizienzmaßnahmen der Containerreedereien verteuern sich dadurch auch die Transporte. Diese zusätzlichen Kosten müssen über die Wertschöpfungskette zum Endkunden durchgereicht werden, da Reedereien die Mehrkosten nicht tragen können. Jedoch würden sie als Teil der gesamten Wertschöpfungskette für die Endkonsumenten kaum ins Gewicht fallen. Aufgrund der Volumina, die auf einem Schiff transportiert werden, verteuert sich das einzelne Produkt oft nur um wenige Cent oder Euro.

Greenwashing ausschließen

Bei der Dekarbonisierung helfen und gleichzeitig entsprechende finanzielle Anreize schaffen – das leisten grüne Finanzierungen. Diese Finanzierungen sind zurzeit sehr gefragt: Unternehmen profitieren von einem Preisvorteil bei Projekten mit Nachhaltigkeitsbezug – eine echte Win-win-Situation. Doch damit diese Art der Finanzierung funktioniert, müssen die Standards hoch liegen, und es darf kein Greenwashing betrieben werden. Die finanzierenden Banken nehmen hierbei die Rolle der Gatekeeper ein, denn sie tragen dafür Sorge, dass Grün letztlich auch wirklich Grün ist.

Wir wollen unseren Beitrag zum 1,5-Grad-Ziel leisten. Dafür haben wir schon einiges getan. Es ist uns allerdings sehr bewusst, dass auch wir mehr tun können und mehr tun müssen. Wir haben die Herausforderung erkannt. Deshalb legt unsere erweiterte Nachhaltigkeitsstrategie einen noch stärkeren Fokus darauf, die Auswirkungen von Hapag-Lloyd auf die Umwelt und insbesondere auf den Klimawandel so stark wie möglich zu reduzieren – Klimaneutralität ist unser Ziel für die Zukunft.

Gemeinsame Aufgabe

Den CO₂-Ausstoß in der Schifffahrt dauerhaft reduzieren, langfristig klimaneutral agieren und das 1,5-°C-Klimaziel erreichen – das ist noch ein langer Weg, aber die Uhr tickt. Dekarbonisierung ist eine globale Aufgabe, und jeder muss seinen Teil dazu beitragen, auch die Schifffahrt. Wichtig ist, dass wir alle industrieübergreifend zusammenarbeiten, denn nur gemeinsam werden wir diese Ziele erreichen. Wir müssen globale Lösungen finden und dürfen nicht nur regional oder national denken. Dafür braucht es einen globalen politischen Rahmen, der unterschiedliche Maßnahmen auf dem Weg zur Klimaneutralität ermöglicht und die Risiken für die Vorreiter reduziert.

Eine klimaneutrale Schifffahrt ist möglich. Die Kosten würden zwar über die Wertschöpfungskette an den Endverbraucher weitergereicht werden, am Ende würden einzelne Produkte wie T-Shirts oder Laptops aber kaum teurer werden. (ol)

Janin Aden ist Senior Director Sustainability bei Hapag-Lloyd.

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