Ukraine-Krieg isoliert die Schifffahrt

Mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine ist die Schifffahrt in den betroffenen Gebieten zum Stillstand gekommen. Mehrere Frachter kamen selbst unter Beschuss, zahlreiche andere liegen in den Häfen fest.

Die Reederei Bernhard Schulte Shipmanagement (BSM) in Hamburg ist nicht die einzige, die in diesen Tagen um das Leben ihrer Seeleute bangt. Ihr 9.400-TEU-Frachter „Joseph Schulte“ kam vergangene Woche nicht mehr rechtzeitig los. Das an Cosco vercharterte und im Fernost-Mittelmeer-Dienst der Ocean Alliance eingesetzte Containerschiff steckt nun seit Tagen im Hafen von Odessa fest. Es gehört zu den größten, die die Ukraine anfahren.

Das Unternehmen stehe in ständigem Kontakt mit Schiff und Besatzung, die bislang sicher und wohlauf seien, wie eine Sprecherin erklärt. Wann der Frachter zurück in See stechen kann, ist fraglich. Denn die Sicherheitslage ist extrem angespannt. Drei Handelsschiffe sind nach Agenturangaben in der Gegend um Odessa bereits unter Raketenbeschuss geraten: die Bulk Carrier „Yasa Jupiter“ (61.078 tdw) und „Namura Queen“ (85.065 tdw) und der kleine Treibstofftanker „Milennial Spirit“.  Zwei andere Frachter sollen nach ihrer Abfahrt von russischen Kriegsschiffen aufgehalten und zur Halbinsel Krim geleitet worden sein.

Zusatzprämien für die Schiffsversicherung

Odessa ist der wichtigste Hafen für die Ukraine. Angesichts der Kriegshandlungen ist der Betrieb in allen ukrainischen Häfen im Schwarzen Meer und dem Asowschen Meer eingestellt worden. Die Passage aus dem Asowschen Meer heraus durch die Straße von Kertsch war aber Berichten zufolge am Montag wieder befahrbar. Schiffe, die noch einen Weg aus der Region heraus finden, sind darüber hinaus mit hohen Kosten konfrontiert. Nach dem Ausschluss der ukrainischen und russischen Gewässer aus der Kriegsversicherung fallen pro Tag horrende Zusatzprämien für die Schiffsversicherung an. Bis zu 10 Prozent des Schiffswertes sollen Versicherer bei Lloyd’s of London als Extraprämie quotiert haben. Auch für die weiterhin offenen russischen Häfen am Schwarzen Meer wie Noworossijsk fallen erhebliche Zusatzkosten an.

Containerrückstau erwartet

Die großen Linienreedereien, die die Ukraine bislang direkt oder in Umladung bedient und alle weiteren Buchungen gestoppt haben, müssen zunächst mit einem erheblichen Rückstau an Ladung fertig werden. Viele Container werden umgeroutet oder zwischengelagert, was die Engpässe in dem Segment erneut befeuern könnte. So warnte MSC bereits, dass die Ausweichkapazitäten zum Löschen von Ladung an Hafenplätzen außerhalb der Ukraine im Schwarzen Meer und dem Mittelmeer immer knapper würden. „Die Stapelflächen in anderen Hub-Häfen der Region sind bereits sehr voll. Wir erwarten, dass die Auswirkungen der Ukraine-Krise zu zusätzlichen Herausforderungen innerhalb der gestörten Lieferketten führen“, so MSC. Importcontainer für die Ukraine würden jeweils im nächsten ausländischen Häfen entlang der Fahrplanroute von Bord geholt. CMA CGM teilte mit, dass ukrainische Ladung auf die Häfen Konstanza, Tripolis und Piräus verteilt werde. Maersk will die entsprechenden Container in Port Said und Körfez (Türkei) löschen und zwischenlagern. „Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Container für einen langen Zeitraum im Hafen oder einem Depot in der Nähe stehen bleiben müssen“, warnt der Branchenexperte Lars Jensen von der Beratungsfirma Vespucci Maritime.

Neben zahlreichen Feeder-Diensten sind nach Angaben der Beratungsfirma Drewry drei Deepsea-Dienste der Linienreedereien von den Hafenschließungen in der Ukraine betroffen: ein Asien-Dienst der Ocean Alliance sowie je ein Europa-Mittelost- und Nordamerika-Dienst von Maersk.

Steigende Inflation und Versorgungsengpässe

Neben den operativen Störungen warnt Drewry vor allem vor den wirtschaftlichen Auswirkungen der Russland-Ukraine-Krise auf den Welthandel. Die Carrier müssten sich auf deutliche Korrekturen in den Wachstumsprognosen einstellen. So zeichnet sich ab, dass die Inflation aufgrund möglicher Versorgungsengpässe bei Öl, Gas, Metallen und Getreide jetzt noch einmal stark anziehen wird. Die Rohstoffpreise zogen am Montag bereits auf breiter Front weiter an.

Ein Segment der Schifffahrt verzeichnet aufgrund des Krieges aber eine Sonderkonjunktur. So sind die Fracht- und Charterraten der Rohöltanker seit Mitte vergangener Woche steil gestiegen. Die Spoteinnahmen der Suezmax-Tanker (150.000 tdw), die vermehrt im Schwarzen Meer und dem Mittelmeer zum Einsatz kommen, liegen mit durchschnittlich 54.400 Dollar/Tag mehr als siebenmal so hoch wie vor einer Woche. Aus Sorge um künftige Lieferungen und weitere Preissteigerungen bei Rohöl haben Handel und Befrachtung im Ölsektor kurzfristig spürbar angezogen. (fho)

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