Gasknappheit: Nordseehäfen werden zur zentralen Drehscheibe

Robert Habeck hat die Alarmstufe im Notfallplan Gas ausgerufen. Das wirft ein Schlaglicht auf Häfen wie Wilhelmshaven und Brunsbüttel. An beiden Standorten könnte bis Ende dieses Jahres ein schwimmendes LNG-Terminal andocken. Und wie sind die Chancen anderer norddeutscher Standorte? Der Überblick.

Die Bundesregierung hat am Donnerstag die zweite Stufe im Notfallplan Gas ausgerufen. Russland hatte seine Gaslieferungen im Mai in fünf europäische Länder eingestellt, zuletzt folgten weitere fünf EU-Staaten, auch Deutschland ist betroffen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bezeichnete die angespannte Situation als Gaskrise. „Gas ist von nun an ein knappes Gut in Deutschland“, erklärte er am Donnerstag.

Wie lassen sich die fehlenden russischen Gasmengen kompensieren?

Oberste Priorität sei es nun, die Gasspeicher zu füllen. Zu Beginn der Woche kündigte Habeck zusätzliche Maßnahmen an, um Gas in Deutschland einzusparen. Unter anderem plant das Bundeswirtschaftsministerium, den Einsatz von Gas für die Stromerzeugung in der Industrie zu senken. Darüber hinaus sollen mehr Kohlekraftwerke zum Einsatz kommen. Doch um russisches Gas in Zukunft vollständig ersetzen zu können, muss auch der Ausbau von erneuerbaren Energien in Deutschland beschleunigt werden. Den norddeutschen Häfen fällt dafür eine Schlüsselrolle zu.

Die Bundesregierung hat vier Floating Storage and Regasification Units (FSRU) für Deutschland gechartert. Die ersten beiden FSRUs in Deutschland könnten bis Ende des Jahres in Wilhelmshaven und Brunsbüttel stationiert werden. Aus Sicht von Frank Schnabel, Hafenchef in Brunsbüttel, seien jedoch die geplanten Terminals nicht ausreichend, um Deutschland langfristig unabhängig von russischem Gas aufzustellen. Die Entscheidung über die zwei weiteren Standorte steht noch aus. Im Gespräch sind Hamburg, Stade und Rostock.

Stade bietet Terminalbuchungen

In Stade können Kunden unterdessen im Rahmen einer „Binding Open Season“ Buchungen für das geplante Terminal 2026 anfragen. Auch mit einem schwimmenden Terminal werde geplant, dennoch liege der Fokus „auf der Fertigstellung des landbasierten Terminals, da wir für die dauerhafte Gestaltung der Energiewende eine zukunftsflexible Infrastruktur benötigen. Bis 2026 das landseitige Terminal einsatzbereit ist, kann in unserem Energiehafen ein schwimmendes Terminal andocken und unsere bereits vorhandene Infrastruktur nutzen“, erklärte Johann Killinger, Geschäftsführer und einer der Gesellschafter des Hanseatic Energy Hub der DVZ.

Bedenken gegen LNG-Terminal in Hamburg

Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) sprachen sich kürzlich für die schnelle Realisierung eines schwimmenden Terminals in der Hansestadt aus. Doch es gibt Bedenken. Das Problem: Für den Einsatz von LNG gelten spezielle Sicherheitsregeln. Das verflüssigte Gas kann sich entzünden oder aus dem Transportbehälter austreten. Passiert ein Gastanker die Elbe, müsste die Fahrrinne zeitweise gesperrt werden. Zudem muss ein Sicherheitsabstand von 200 Meter zum FSRU eingehalten werden. Das schränkt die Nutzung umliegender Hafenflächen sowie die Produktion für Industrieunternehmen ein. Die FDP fordert schnelles Handeln in Hamburg. „Der Senat muss sich schleunigst um die verbliebenen FSRU bemühen und das Projekt vorantreiben“, sagte Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der FDP, der DVZ.

Hamburgs Wirtschaftssenator Michael Westhagemann glaubt nicht daran, dass die Hansestadt zeitnah ein Floating LNG-Terminal bekommt. „Mir fehlt dafür die Fantasie“, sagte er am Mittwoch auf der gemeinsamen Hafenveranstaltung der Bundesländer Hamburg, Bremen und Niedersachsen. Er befürchtet, dass die übrige Schifffahrt auf der Elbe über die Maßen beeinträchtigt würde, da beispielsweise nicht klar sei, wie groß der Gefahrenradius rund um ein solches Terminal gezogen werden müsse. Ihm zufolge könne es dann aber sein, dass im hinteren Teil des Hafens, wo eine solche Einheit prinzipiell angesiedelt werden könnte, die Elbe bei jedem LNG-Tanker-Anlauf für bis zu 36 Stunden für die übrige Schifffahrt gesperrt werden müsse. Und dabei seien zwei Tanker-Anläufe pro Woche nicht unrealistisch.

Der niedersächsische Wirtschaftsstaatssekretär Berend Lindner unterstrich am Mittwochabend in Berlin, dass erste Rammschläge für die Terminalstrukturen getan sind. Das erste LNG könne zum Jahreswechsel angelandet werden. In den bremischen Häfen wiederum wird es ebenfalls keinen LNG-Umschlag geben, wie die dortige Häfensenatorin Claudia Schilling erst jüngst im DVZ-Interview betont hat. Auch dort fehlt der Platz.

Zusätzlich soll LNG aus anderen Ländern nach Deutschland importiert werden. Diese Woche wurde bekannt, dass es einen verbindlichen Vertrag zwischen dem Energieversorgungsunternehmen EnBW Energie Baden-Württemberg aus Karlsruhe und der amerikanischen Firma Venture Global LNG gibt. Ab 2026 soll für die nächsten 20 Jahre 1,5 Millionen Tonnen LNG pro Jahr aus den USA bezogen werden. Es sei der erste Abnahmevertrag „für langfristiges US-LNG, der von einem deutschen Unternehmen unterzeichnet wurde“, erklärte Mike Sabel, CEO von Venture Global LNG. (sr)

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