SMS Group erhält Deutschen Logistik-Preis

Mit dem Hochregallagersystem Boxbay will der Anlagenbauer aus Düsseldorf den Containerumschlag in Häfen revolutionieren. Das Konzept hat die 17-köpfige Jury überzeugt. Der Preis wurde am Mittwochabend beim Deutschen Logistik-Kongress verliehen.

Bei Boxbay besteht die Möglichkeit, Container an mehreren Seiten ein- und auszulagern. (Foto: SMS Group)

Die Bundesvereinigung Logistik (BVL) hat am Mittwochabend den Mittelständler SMS Group mit dem Deutschen Logistik-Preis ausgezeichnet. Das Unternehmen überzeugte die 17-köpfige Jury mit seinem Hochregallagersystem Boxbay.

Damit will der Anlagenbauer aus Düsseldorf die Lagerkapazität eines Containerterminals auf gleicher Fläche verdreifachen und damit den Boxenumschlag von Grund auf verändern. Seit der Einführung des Containers 1956 habe sich in den Häfen der Welt nichts Wesentliches geändert, sagt Carsten Heide, Leiter Projektmanagement bei der SMS-Tochter Amova. „Die Boxen werden zur Lagerung immer noch einfach übereinandergestapelt. Mit einem kleinen Fortschritt allerdings: Vor 60 Jahren haben wir zwei Boxen aufeinander gestellt, heute immerhin bis zu sechs.“

Bei der Auslastung der Terminals spielen laut Heide nicht die reinen Umschlagzahlen die wichtigste Rolle, sondern mehrere andere Faktoren. „Dazu gehört vor allem die Transportkapazität der Schiffe, die in atemberaubendem Tempo gewachsen ist. Vor zehn Jahren war ein 16.000-TEU-Schiff schon sehr groß, heute sind wir bei 24.000 TEU angekommen.“ Die Folge: Mit dem Größenwachstum der Carrier ist auch die sogenannte Call Size gestiegen. Das ist die durchschnittliche Zahl von Boxen, die bei einem Hafenstopp gelöscht, zwischengelagert und wieder geladen werden müssen.

„Der Raum hinter der Kaimauer und die Lagerkapazitäten vieler Terminals sind jedoch begrenzt“, ergänzt Volker Brück, der die Geschäftsentwicklung bei Amova leitet. Die Firma hat sich auf den automatisierten Transport und die Lagerung schwerer Lasten spezialisiert. „Hinzu kommt, dass die Dwell Time, also die durchschnittliche Verweilzeit eines Containers auf den Terminals, kontinuierlich gestiegen ist: Lag diese Zahl vor fünf Jahren noch bei drei bis vier Tagen, haben sich die Werte heute vielfach verdoppelt.“

Jubel bei der SMS Group in Berlin (von links): Prof. Thomas Wimmer (BVL), Bernd Büdenbender (Amova), Christoph Roth, Carsten Heide (beide SMS Group), Ronald van der Meer (DP World), Volker Brück, Bernd Klein, Martin Aufschläger, Mathias Dobner (alle SMS Group), Ursula Weidenfeld (Juryvorsitzende) und Christina Thurner (BVL). (Foto: Dierk Kruse)

Umstapelungen entfallen

Die Häfen stehen also vor der Herausforderung, dass sie pro Flächeneinheit deutlich mehr Container lagern und umschlagen müssen – und das möglichst ohne die ineffizienten Umstapelungen. Die fallen schließlich immer dann an, wenn ein weiter unten stehender Container für den Weitertransport benötigt wird. „Hier kommen wir ins Spiel“, erklärt Projektmanager Heide: „Wie in einem Hochregallager haben wir bei Boxbay direkten Zugriff auf jeden Container.“

Das habe zwei wesentliche Effekte, die die Produktivität maßgeblich steigern. Erstens: Umstapelungen können komplett entfallen, es gibt nur produktive Containerbewegungen. Zweitens: Der Durchsatz von Boxbay ist unabhängig vom Belegungsgrad des Lagers. Zudem ließe sich mit der Lagerung auf bis zu elf Ebenen das Problem der Raumknappheit auf einen Schlag lösen: „Mit der Möglichkeit, Container an mehreren Seiten von Boxbay ein- und auszulagern, und in Verbindung mit einem umlaufenden Transportsystem, das die Gassen untereinander verbindet, schaffen wir Flexibilität und gewinnen Geschwindigkeit im Umschlag. Und zwar sowohl auf der Wasserseite als auch auf der Landseite zu Lkw und Bahn“, sagt Heide.

Testanlage in Dubai

Das funktioniert auch schon in der Realität: 2018 wurde das Joint Venture Boxbay zwischen der SMS Group und DP World gegründet, einem der größten Terminalbetreiber weltweit. Im Januar 2021 ging als Proof of Concept eine erste Anlage in Dubai in Betrieb. „Damit haben wir nicht nur Skeptiker aus der Branche überzeugt, sondern auch die Basis zur Weiterentwicklung der Technologie geschaffen. Durchsatz und Lagerkapazität sind nämlich problemlos skalierbar“, sagt Brück.

Schnell wird auch deutlich, dass Boxbay weit mehr ist als „nur“ ein elfstöckiges Hochregallagersystem für 20-, 40- und 45-Fuß-Container: Vor allem die vielseitigen Schnittstellen zur Land- und Wasserseite sowie das umlaufende Paletten-Transportsystem gelten als innovativ.

An der kaiseitigen Umschlagtechnologie ändert sich dabei nichts: Die eingelaufenen Containerschiffe werden wie bisher mit den vorhandenen Containerbrücken gelöscht. Die Boxen werden anschließend von den im Terminal eingesetzten Transportsystemen, etwa Straddle Carriern oder Terminal-Trucks, übernommen und bis zur Aufnahmeposition des Boxbay-Lagers transportiert. Dort übernehmen Regalbediengeräte, sogenannte Stacker Cranes, die Container und transportieren sie über die jeweiligen Gassen zu den Lagerplätzen im Boxbay-System.

Die Stacker Cranes können ihre Teleskop-Arme nach links oder rechts ausfahren. So kann ein Regalbediengerät die Container auf beiden Seiten einer Gasse ein- und auslagern. Im Regal selbst werden sie präzise auf Eckbeschlägen abgesetzt. Durchgehende Regalböden sind nicht erforderlich, da die Container selbsttragend sind – das spart Gewicht, ohne die Statik zu schwächen.

Drei entkoppelte Transportsysteme

Unter dem Lager befindet sich das umlaufende, schienengebundene Paletten-Transportsystem. Es bringt die Container zur landseitigen Lkw- oder Bahn-Übergabestation – oder holt sie von dort zur Einlagerung ab. In Unterflur-Bauweise verbindet das Transportsystem alle Boxbay-Gassen miteinander. Die Stacker Cranes können die aus dem Lagergerüst entnommenen Boxen zum Transportsystem durchreichen oder von dort aufnehmen.

Die Übergabestation selbst besteht aus handelsüblichen vollautomatischen Containerkranen, die stationär neben dem Lager positioniert sind. Sie nehmen die Boxen von der Palette des Umlaufsystems ab und übergeben sie an einen Zug oder Lkw – oder auch genau umgekehrt. „In einem Boxbay-System arbeiten also drei entkoppelte Transportsysteme parallel: das Paletten-Umlaufsystem, die Stacker Cranes in den Gassen des Hochregallagers und die Be- und Entladekrane für Züge oder Lkw“, fasst Projektmanager Heide das Konzept zusammen. „Dabei synchronisieren digitale Technologien die Bewegungen aller Krane und Transportpaletten.“

Im Ergebnis biete Boxbay damit „eine bisher nie erreichte Flexibilität und vollständige Entkopplung der Materialflüsse“. Weil alle Regalbediengeräte in den Lagergassen gleichzeitig arbeiten, ohne sich gegenseitig zu behindern, erzielt Boxbay eine besonders hohe Durchsatzleistung.

Mehr Arbeitssicherheit

Digitale Basis des vollautomatisch arbeitenden Boxbay-Systems ist ein Lagerverwaltungssystem. Es kennt die exakte Position jeden Containers – im Hochregallager oder im Umlaufprozess – und visualisiert die Informationen übersichtlich, bis hin zur 3-D-Darstellung, auf Monitoren oder mobilen Endgeräten. Manuelle Eingriffe in die vollautomatischen Logistikprozesse von Boxbay sind laut Brück in der Regel nicht notwendig: „Das steigert nicht nur die Effizienz, sondern auch die Arbeitssicherheit in den Terminals.“

Die SMS Group setze sich mit Boxbay gegen zwei weitere Finalisten durch. Bis zum Schluss im Rennen um den Deutschen Logistik-Preis waren auch die Volkswagen Group Components mit einem Konzept für die Logistik von Antriebsbatterien sowie das Software- und Beratungshaus Heureka Business Solutions mit einem Projekt für die Healthcare-Logistik im Klinikum Mannheim. (cs)

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