Wie viel Daseinsvorsorge kann sich der Staat noch leisten?

Fonds könnten Investitionen verstetigen. Fondsgesellschaften würden sich gern am Infrastrukturausbau beteiligen. Beides wird kritisch gesehen. Ist das noch zeitgemäß?

Fonds könnten Investitionen verstetigen. Fondsgesellschaften würden sich gern am Infrastrukturausbau beteiligen. Beides wird kritisch gesehen. Ist das noch zeitgemäß? (Illustration: DVZ)

Es gibt wohl kaum ein Thema in der Politik, über das sich besser streiten ließe als Geld. Wie viel ist da? Für welches Ministerium? Für welches Vorhaben? Die gewählten Parlamentarier entscheiden über jeden Euro, der aus dem Bundeshaushalt in Schiene oder Straße, Kanäle oder Schleusen fließen soll. Das System ist erprobt und richtig, Kontrolle weitgehend garantiert.

Trotzdem gibt es immer wieder Rufe nach einer Reform. „Die Haushalte der einzelnen Ressorts sind zu unübersichtlich, zu wenig langfristig angelegt, und es bleibt zu viel Geld übrig“, lautet die Kritik. Allein für die Bundesschienenwege gibt es über 30 verschiedene Posten im Verkehrsetat. Deshalb wünschen sich manche Politiker und Verbandsvertreter Fonds, um jene Projekte zu finanzieren, die gesellschaftlich wichtig sind – Gleise zum Beispiel, um mehr Verkehre auf die Schiene zu verlagern.

Vorbild ist die Schweiz. Sie hat seit 2016 einen Bahninfrastrukturfonds. Der Vorteil: Alles Geld, das für den Neu- und Ausbau sowie den Erhalt der Schieneninfrastruktur benötigt wird, fließt aus diesem Topf in die Projekte. Das Netzwerk europäischer Eisenbahnen verspricht sich von so einem Fonds „Kontinuität, bessere Planbarkeit und Verlässlichkeit der künftig tatsächlich zur Verfügung stehenden Mittel für einen längeren Zeitraum“.

Fonds für bestimmte Vorhaben gibt es schon heute in den Bundeshaushalten. Aus dem Energie- und Klimafonds, der beim Bundeswirtschaftsministerium angesiedelt ist, finanziert die Bundesregierung eine ganze Reihe von Projekten, die dem Klimaschutz dienen. Im Verkehrssektor sind es beispielsweise das „Sofortprogramm saubere Luft“, Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Elektromobilität oder Forschungen zu grünem Wasserstoff. Das Bundesverkehrsministerium arbeitet zudem mit einem Sondervermögen „Digitale Infrastruktur“, um 5.000 Mobilfunkstandorte zu erschließen. Die verfügbaren Mittel beliefen sich für die abgelaufene Legislaturperiode auf 10 bis 12 Milliarden Euro, um private Investoren beim Ausbau des Giganetzes zu unterstützen und den Ländern Finanzhilfen zu gewähren.

Sondervermögen und zweckgebundene Fonds sehen Haushaltspolitiker im Bundestag allerdings nicht gern, da die Gelder so an bestimmte Vorhaben geknüpft sind. Den Finanzierungskreislauf Straße etwa – also die bisher verpflichtende Verwendung der Lkw-Mautmittel für den Straßenbau – kritisierte der haushaltspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Sven-Christian Kindler. Er würde die Einnahmen aus der Lkw-Maut lieber zusammen mit den allgemeinen Steuern in einen Topf werfen und anschließend schauen, wo das Geld am dringendsten gebraucht wird.

In den Verkehrssektor fließt privates Geld von überallher. Die Wagenhalter machen ihre Flotten fit, die Spediteure kaufen regelmäßig neue Lkw oder investieren in die Digitalisierung der Logistik. Hoheitliche Aufgaben für die Daseinsvorsorge, wie Straßen-, Schienen- und Wasserstraßenbau, übernehmen aber Bund, Länder und Kommunen. Vor allem Letztere sind häufig klamm. Am Start stehen deshalb Fondsgesellschaften, die gern mehr in öffentliche Infrastruktur investieren würden.

Kritik an privaten Geldgebern

Was anderswo durchaus üblich ist, ist in Deutschland hoch umstritten. Ein Beispiel ist die Autobahn GmbH, die am 1. Januar 2021 ihre Arbeit aufgenommen hat: Ein erster Entwurf über die Gesellschaftsstruktur aus dem Jahr 2015 sah Beteiligungen von Versicherungen oder privaten Investoren vor. Die Diskussion über die genaue Ausgestaltung der Gesellschaft war anschließend von der Angst vor einer Privatisierung von Autobahnen und Bundesstraßen geprägt. Als abschreckendes Beispiel wurden immer die Projekte in öffentlich-privater Partnerschaft genannt – ein Modell, das in vielen anderen Ländern angewendet wird. Hier lautet der Vorwurf, dass es den Unternehmen vor allem um die Rendite gehe. Für Streckenabschnitte, die möglicherweise nicht so lu- krativ seien, interessierten sie sich nicht. Am Ende pflegten die Parlamentarier mehrere Privatisierungsschranken in die Gesetzgebung für die Autobahn GmbH ein, damit der Staat weiterhin allein über die Geschicke der Straßeninfrastruktur entscheiden kann.

Daseinsvorsorge ist richtig. Ob der Bund sie sich aber in dem Umfang wie bisher leisten kann, ist fraglich. Durch die Corona-Krise steht Deutschland vor einem riesigen Schuldenberg. Zugleich muss die Regierung die Klimaziele erreichen und die gesamte Wirtschaft klimagerecht umbauen. Dafür sind gigantische Investitionen notwendig. Die Haushaltsberatungen für 2022 stehen bald nach der Koalitionsbildung an. Statt private Geldgeber weiter kritisch zu beäugen, sollten die Koalitionäre genau schauen, was wirklich wichtig ist und im Zweifel auch mal privat finanziert werden muss. (kl)

Susanne Landwehr ist Politik-Redakteurin der DVZ mit Sitz in Berlin.

Lastverteilung

Von finanziellen Lasten zur Ladungslastverteilung in Lkw – das klingt vielleicht weit hergeholt. Doch eine Verteilung auf mehrere Schultern oder Achsen sowie eine kontinuierliche Überprüfung während eines Projekts oder Transports statt im nachhinein oder nur stichprobenartig ist in beiden Fällen sinnvoll. In Lkw ist dies bei der Beladung und während der Beförderung mittels diverser Sensoren, die Temperatur, Druck und Beschleunigung messen, möglich. Daran wird im Verbundprojekt „CargoTrailSense“ unter Leitung der FH Dortmund mit Praxispartnern gearbeitet. Ziel: mehr Sicherheit im Beladeprozess und auf der Straße, weniger Zeitaufwand an der Rampe, verschleißgesteuerte Fahrzeug-Wartungsintervalle und letztendlich auch eine geringere Beanspruchung der In- frastruktur. Das zu entwickelnde Produkt soll für Fahzeugneubauten und zum Nachrüsten geeignet sein. Das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur fördert das Projekt.

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