Berlin: To-do-Liste für 2022

Auf der politischen Tagesordnung stehen in diesem Jahr viele wichtige Projekte. Die DVZ hat einen Blick auf die wesentlichen Themen geworfen.

Auf der politischen ­Tagesordnung ­stehen in diesem Jahr viele wichtige Projekte. Klimaschutz, Infrastruktur­ausbau und die Harmonisierung zahlreicher Regeln in den EU-Mitgliedstaaten sind nur einige wenige. Es geht ­darum, europäische Strategien und die Pläne aus dem Koalitions­vertrag der neuen Regierung in Deutschland umzusetzen oder zumindest auf den Weg zu bringen. Die DVZ hat einen Blick auf die wesentlichen Themen geworfen.

Die neue Regierung von SPD, Grünen und FDP hat sich viel vorgenommen. Schon in den ersten Monaten will sie die gesetzlichen Regeln ändern, damit Infrastruktur schneller geplant und gebaut werden kann. Der Aufbau von Tank- und Ladeinfrastruktur oder die Digitalisierung der Schiene sind langfristig angelegt. In der folgenden Übersicht finden Sie eine Auswahl wichtiger Themen, mit denen sich die Regierung 2022 beschäftigen oder die sie anstoßen sollte.

Klimaschutz-Sofortprogramm: Bereits in diesem Jahr will die Ampel laut Koalitionsvertrag das Programm auf den Weg bringen. Jedes Ressort soll künftig seine Gesetzentwürfe auf ihre Klimawirkung prüfen.

Maut: Lkw ab 3,5 Tonnen sollen bemautet werden, außerdem will die Ampel den Vor- und Nachlauf im Kombinierten Verkehr von der Maut befreien.

Bundeshaushalt: 2022 Voraussichtlich im Sommer wird der Haushalt für das kommende Jahr vorliegen, die Planung für 2023 kommt wahrscheinlich zeitgleich.

Maße und Gewichte: In einer Studie wird derzeit untersucht, ob die 44-Tonnen-Regelung im Vor- und Nachlauf der Binnenschifffahrt ausgeweitet werden kann. Ein Feldversuch soll dann folgen.

Digitale Schiene: Mit Digitalisierung kann die Schiene mehr Kapazitäten schaffen. Es geht um die digitale Automatische Kupplung und die Ausrüstung von Strecken und Wagen mit ETCS.

Groß- und Schwerlasttransporte: Sie sind relevant unter anderem für den Ausbau erneuerbarer Energien, besonders Windkraftanlagen. Genehmigungen sollen schneller erteilt werden.

Netzkataster: Ein einheitliches System ist notwendig, mit dem alle Leitungen und Kabel unter der Erde erfasst werden.

Fachkräfte: Bessere Arbeitsbedingungen für Mitarbeiter in der Logistik, mehr Personal in den Verwaltungen und ein neuer Anlauf für die Anwerbung von Fachkräften aus dem EU-Ausland und aus Drittstaaten sind dringend angezeigt.

Lieferzonen: Spezielle Parkplätze für die Lieferdienste stehen sogar im Koalitionsvertrag. Um sie einzuführen, ist eine Änderung des Straßenverkehrsgesetzes notwendig.

Förderprogramme: Förderungen mit dem Ziel, klimafreundliche Mobilität zu schaffen, müssen bei allen Verkehrsträgern weiterlaufen. Ein erster Schritt ist kurz nach Amtsantritt von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gemacht. Die Kaufprämie für E-Antriebe gilt bis Ende 2022.

Planungsbeschleunigung: Die Ampel will eine leistungsfähige Infrastruktur bei Straße, Schiene, Binnenschiff und Digitalisierung schon im ersten Jahr der Regierungszeit auf den Weg bringen.

Brücken: Brücken und Tunnel sind Nadelöhre. Die für Bundesfernstraßen zuständige Autobahn GmbH will die Sanierung von Brückenbauwerken beschleunigen.

Kabotage: Fast täglich verstoßen Lkw-Fahrer gegen die Kabotagebestimmungen. Kontrollen von BAG und Polizei finden regelmäßig statt. Eine nachhaltige Lösung, wie illegale Kabotage verhindert werden kann, ist bisher nicht in Sicht.

Energie: Der Preis pro Tonne CO2 beträgt vom 1. Januar 2022 an 30 Euro. Damit will die Regierung den Verbrauch von fossilen Kraftstoffen drosseln.

Alternative Antriebe: Noch ist nicht geklärt, welche Kraftstoffe Lkw künftig tanken sollen. Es kommen immer mehr E-Fahrzeuge auf den Markt, der Durchbruch für Wasserstoff ist aber erst 2025 zu erwarten.

Die Koalition will Verkehre stärker über die Maut steuern

Die Lkw-Maut ist einer der zentralen Hebel, um die Straßeninfrastruktur zu finanzieren. Nach der Einführung im Jahr 2005 und mehreren Erweiterungsrunden – zuletzt auf alle Bundesstraßen – will die Ampel-Koalition nun auch Fahrzeuge ab 3,5 Tonnen bemauten. Das hat sie zumindest im Koalitionsvertrag angekündigt.

Über die sogenannte Mautlücke haben sich in der Vergangenheit bahnaffine Verbände und auch Oppositionspolitiker von den Grünen aufgeregt. Die Große Koalition hat sich gegen die Einführung immer gewehrt, weil sie Handwerkern, die vor allem mit Transportern fahren, keine zusätzlichen Belastungen auferlegen wollte.

„Wir werden 2023 eine CO2-Differenzierung der Lkw-Maut vornehmen, den gewerblichen Güterkraftverkehr ab 3,5 Tonnen einbeziehen und einen CO2-Zuschlag einführen unter der Bedingung, eine Doppelbelastung durch den CO2-Preis auszuschließen“, schreiben die Koalitionäre in ihrem Vertrag. Der folgende Satz erzeugte bei so manchem Logistiker allerdings Sorgenfalten auf der Stirn. „Wir werden die Mehreinnahmen für Mobilität einsetzen“, heißt es. Das könnte bedeuten, dass der sogenannte Finanzierungskreislauf aufgehoben wird. Denn derzeit ist per Bundesfernstraßenmautgesetz festgelegt, dass die Einnahmen aus der Lkw-Maut in die Straßeninfrastruktur fließen müssen. Dem Haushaltspolitiker der Grünen-Bundestagsfraktion, Sven-Christian Kindler, ist das schon lange ein Dorn im Auge. Er sähe es viel lieber, die Mautmittel dem allgemeinen Haushalt zuzuführen und anschließend da zu verwenden, wo es am dringendsten ist.

Mautbefreiung im Vor- und Nachlauf des KV

Ein weiteres Versprechen der Koalitionäre ist, den Vor- und Nachlauf des Kombinierten Verkehrs (KV) im Umkreis eines Terminals bis maximal 50 Kilometer von der Maut zu befreien. Der DSLV Bundesverband Spedition und Logistik sieht die Mautbefreiung positiv. Sie trage dazu bei, dass der KV im Wettbewerb besser bestehen könne. Der KV ist für viele Beobachter der Schlüssel für die Verkehrswende und die Verlagerung von der Straße auf Schiene und Binnenschiff. Clemens Bochynek, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Studiengesellschaft für den Kombinierten Verkehr, sagte der DVZ, dass zwar jeder Euro helfe. Die Ersparnis aus der Mautbefreiung belaufe sich aber nur auf etwa 15 Euro für die gesamte Strecke. Rund 80 bis 85 Prozent des Verkehrsaufkommens bewege sich im 50-Kilometer-Radius der Terminals.

Digitale Schiene ist eine zentrale Aufgabe

Die Bahn nimmt im Koalitionsvertrag der neuen Ampel-Regierung großen Raum ein. Der Güterverkehr soll bis 2030 den Marktanteil auf 25 Prozent steigern. Um das zu schaffen, sind viel Geld, eine klare Linie bei der Finanzierung und die Digitalisierung der Schiene notwendig. „Wenn wir 25 Prozent wollen, darf man keinen Tag verlieren“, sagte Peter Westenberger, Geschäftsführer des Netzwerkes Europäischer Eisenbahnen, in Berlin.

Beschleunigungspotenzial haben unter anderem die Digitale Automatische Kupplung und die Ausrüstung von Strecken und Wagen mit dem europäischen Zugsicherungssystem ETCS. Auch die Vorgängerregierungen der Ampel hätten die Themen bisher beschleunigt oder eine Fahrzeugförderung auf den Weg gebracht, beklagt Westenberger. Immerhin steht nun im Koalitionsvertrag: „Die Digitalisierung von Fahrzeugen und Strecken werden wir prioritär vorantreiben.“

DVF: „Bund muss treibende Kraft sein“

Über das Wort „prioritär“ freut sich Sarah Stark, Bahnexpertin beim Deutschen Verkehrsforum, besonders. „Der Bund muss eine treibende Funktion bei der Digitalisierung der Schiene übernehmen“, sagt sie. Er könne steuern, wie groß der Nutzen sein werde. Je stärker er sich finanziell beteilige, desto besser. Sie ist überzeugt, dass mit der digitalen Schiene­ Kapazität geschaffen wird. Aus ihrer Sicht braucht es schnelle politische Entscheidungen. Bei der Finanzierung bemängelt Stark, dass Investitionen für die Digitalisierung aus vielen unterschiedlichen Schienentöpfen koordiniert werden müssen. Das koste Zeit. Hinzu komme, dass die Finanzierung der Digitalisierung für Deutschland insgesamt zu sichern sei statt nur für einzelne Leuchtturmprojekte.

Die Unternehmensberatung Roland Berger hat errechnet, dass für die Ausrüstung der wesentlichen Korridore und Strecken mit ETCS bis 2035 zwischen 1 und 1,5 Milliarden Euro nötig seien.

Schnelleres Planen und Bauen ist auch für Klimaschutz wichtig

Die Infrastruktur ist und bleibt auch im kommenden Jahr eines der zentralen Themen. Die neue Ampel-Regierung hat in ihrem Koalitionsvertrag versprochen, zügig die Weichen für einen beschleunigten Infrastrukturausbau zu stellen. Dabei geht es nicht nur um Straßen und Schienen, sondern im Güterverkehr auch um den Bau von Terminals des Kombinierten Verkehrs.

Für die Energieversorgung müssen bis 2030 mehr Windkrafträder aufgestellt werden. Denn der Anteil der erneuerbaren Energien soll bis dahin 80 Prozent betragen. Um das zu schaffen, ist ein jährlicher Zubau von 2.500 Windrädern notwendig. Zugleich setzt die Regierung auf Gas als Brückentechnologie. Auch hier braucht es rund 140 neue Kraftwerke, um die Versorgung sicherzustellen, ist der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) überzeugt. Nicht zuletzt muss die Lade- und Tankinfrastruktur für E- und Gasfahrzeuge ausgebaut werden.

Städtebund fordert Klimabeschleunigungsgesetz

Der DStGB fordert für die Investitionen ein Klimaschutzbeschleunigungsgesetz. „Zu einem solchen Vorhaben gehören digitale Genehmigungsverfahren, der Verzicht auf naturschutzrechtliche Ausgleichsregelungen, wenn die Maßnahme dem Klimaschutz oder der Klimaanpassung dient, eine Verkürzung der Gerichtswege und auch Präklusions- und Stichtagsregelungen, um die Gerichtsverfahren zu beschleunigen“, schreibt er in seinem Bericht „Bilanz 2021 und Ausblick 2022“. Denn er befürchtet viel Streit zwischen Bauträgern, Hausbesitzern und Naturschützern um Flächen. Der DStGB hält es zudem für notwendig, dass Infrastruktur angesichts von Naturkatastrophen resilienter sein muss. „Klimaanpassung und Klimaschutz müssen als neue Gemeinschaftsaufgabe in Artikel 91a Grundgesetz verankert werden“, heißt es. Die Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen habe gezeigt, dass Handlungsbedarf bestehe.

Zur Beschleunigung gehört auch der schnellere Ausbau der digitalen Infrastruktur. Stichworte sind der neueste Mobilfunkstandard 5G und Breitband. In den vergangenen Jahren standen Milliarden Euro zur Verfügung, die häufig nicht abgerufen wurden. Positiv ist nun, dass das Thema Digitales in einem Ministerium zusammengefasst wird. Mit Volker Wissing als Bundesminister für Digitales und Verkehr übernimmt ein FDP-Mann die Verantwortung. Die Liberalen forderten schon lange ein eigenes Digitalisierungsministerium.

Was ist 2021 gelungen, und wo hakt es noch?

Trassenpreise: Die sogenannte Schienenmaut wurde 2021 um 970 Millionen Euro gesenkt.

Einfuhrumsatzsteuer: Das Fristenmodell ist neu, die Branche wartet aber noch auf das Verrechnungsmodell.

KV-Richtlinie: Die EU-Kommission muss der Richtlinie noch zustimmen. Sie soll im Sommer 2022 vorliegen.

Gleisanschlüsse: Der Staat beteiligt sich an Investitionen in Gleisanlagen mit bis zu 80 Prozent.

Saubere Schiffe: Das Flottenmodernisierungsprogramm für Binnenschiffe liegt seit September 2021 vor.

Kabotage: Verstöße gegen Kabotageregeln sind nach wie vor zahlreich und nur schwer zu kontrollieren.

Breitband: Der Ausbau der Infrastruktur von Breitband- und Mobilfunknetzten hinkt immer noch hinterher.

CO2-arme Lkw: Die Förderrichtlinie für Lkw mit Wasserstoff- und Elektro­antrieb wurde verlängert.

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