Die Spannung steigt

Die Politik in Berlin befindet sich im Wahlkampfmodus. Fast alle Parteien haben bereits ihre programmatischen Entwürfe vorgestellt. Klimaschutz, Digitalisierung, Infrastruktur und eine neue und vernetzte Mobilität stehen bei den meisten Parteien ganz oben auf der Agenda. 
Ein Überblick.

Die Politik in Berlin befindet sich im Wahlkampfmodus. Fast alle Parteien haben bereits ihre programmatischen Entwürfe vorgestellt. Klimaschutz, Digitalisierung, Infrastruktur und eine neue und vernetzte Mobilität stehen bei den meisten Parteien ganz oben auf der Agenda. 
Ein Überblick.

CDU/CSU: Programm fehlt, hohe Erwartungen

Der Generalsekretär der CSU, Markus Blume, bekräftigte kürzlich, dass CDU und CSU nur zusammen ein Wahlprogramm für die Bundestagswahl erstellen wollen. Vor vier Jahren hatte Bayern sich mit dem „Bayernplan“ in einigen Punkten distanziert. Das war bisher aber auch das Einzige, was die beiden Parteien hervorgebracht haben. Im Gegensatz zu allen anderen wartet die Basis auf das wegweisende Papier.

Anzunehmen ist, dass der Klimaschutz im Verkehr ein zentrales Thema sein wird. Hier gibt es noch viel zu tun. Zwar hat der Sektor für 2020 die Klimaziele geschafft, doch das ist vor allem auf die Coronapandemie und die daraus folgende eingeschränkte Mobilität zurückzuführen.

Die Entwicklung von Alternativen Antrieben und der Ausbau der Tank- und Ladeinfrastruktur müssen voranschreiten. Ebenso wird die Union den Ausbau der Infrastruktur von Straßen, Schiene und Wasserstraße vorantreiben wollen. Die umfangreiche Planungsgesetzgebung, die sie in dieser Legislaturperiode auf den Weg gebracht hat, wird sie mit Leben füllen wollen. Schienen- und Wasserstraßenprojekte, die per Gesetz schneller realisiert werden sollen, müssen in der kommenden Legislaturperiode umgesetzt werden.

Die Mobilfunkinfrastrukturgesellschaft soll Ähnliches beim beschleunigten Ausbau des Mobilfunknetzes bewirken. Denn ebenso wie der Breitbandausbau kam dieser in den vergangenen Jahren nur sehr schleppend voran. Damit lässt sich im Verkehrssektor beispielsweise die Verkehrslenkung besser organisieren.

Die Union wird während des Wahlkampfes und in ihrem Programm ebenso wie die anderen Parteien die Bahnpolitik zu einem der zentralen Themen machen. Denn sie ist ein wichtiger Baustein bei der Umsetzung der Klimaziele bis 2030.

Es geht dabei um herausragende Projekte wie den Brenner-Nordzulauf und den Ausbau des Mittelrheintals. Sie wird sich aber auch der Frage annehmen müssen, wie sie die hochverschuldete Deutsche Bahn sanieren will. Ein Satz ist dabei zu erwarten: Netz und Betrieb werden nicht getrennt. Eine Privatisierung der Bahn ist nicht geplant.

SPD: Die Schiene spielt eine zentrale Rolle

Zukunft, Respekt, Europa und soziale Gerechtigkeit – um diese Begriffe rankt sich der Wahlprogrammentwurf der SPD. Bei der Mobilität ist der Schienenverkehr der Schwerpunkt ihrer verkehrspolitischen Agenda. Sie will den Deutschlandtakt umsetzen und einen Europatakt mit aufbauen. Deshalb seien Investitionen in den Aus- und Neubau des Schienennetzes, in den Lärmschutz und in den Ausbau von Bahnhöfen wichtig.

Bis 2030 sollen 75 Prozent des Streckennetzes elektrifiziert und die Schiene weiter digitalisiert sein. Außerdem wollen die Sozialdemokraten den Einsatz von Zügen mit Wasserstoffantrieben unterstützen. Die Deutsche Bahn sieht sie dabei als einen „verlässlichen Garanten der Mobilität“. Sie soll als integrierter Konzern in öffentlichem Eigentum erhalten bleiben. Die SPD schreibt aber auch: „Wir wollen, dass sich die Deutsche Bahn AG auf ihr Kerngeschäft des Transports von Personen und Gütern auf der Schiene konzentriert und auf gemeinwohlorientierte Ziele ausrichtet.“ Neben dem Ausbau und der Modernisierung des Schienengüterverkehrs wollen die Sozialdemokraten die Kostennachteile der Schiene gegenüber der Straße parallel zum Kapazitätsaufbau im Schienengüterverkehr verringern.

Auch die Wasserstraße soll gestärkt werden, damit mehr Güterverkehr von der Straße auf Binnenschiffe verlagert werden kann.

Ziel ist es, alternative Antriebe und die Entwicklung der E-Mobilität voranzutreiben. „Im Schwerlastverkehr wird auch die Wasserstoff-Brennstoffzelle eine wichtige Rolle spielen“, schreibt die SPD. Deutschland solle Leitmarkt für Wasserstofftechnologien werden.

Im Kapitel Arbeit sieht sie wie die Linken den Mindestlohn bei mehr als 12 Euro. Infolge der Coronakrise hält sie zudem einen Rechtsanspruch auf mobile Arbeit für notwendig. Bei den Paketdienstleistern will sie sich für bessere Arbeitsbedinungen einsetzen und die „Arbeit sozial und ökologisch“ ausrichten.

Bei der Digitalisierung will sich die SPD auch für Open-Source-basierte Modelle und eine europäische Cloud-Infrastruktur einsetzen.

FDP: Mobilität ist Freiheit

Wie schon vor vier Jahren stellt die FDP die Digitalisierung und Modernisierung des Staates in den Vordergrund. Lange sei in Deutschland das Bild vermittelt worden, es könne alles so bleiben wie es ist. Die Krise jedoch habe gezeigt, dass das Land einen großen Nachholbedarf habe. Mit Briefeinladungen für das Impfen und Bezugsscheinen für Masken „haben wir uns in der Krise an die Basistechnologie Papier geklammert, als wären wir noch im 20. Jahrhundert“, schreibt die FDP in ihrem Programmentwurf.

Die Freien Demokraten wollen einen „Entfesselungspakt für die deutsche Wirtschaft“, eine Entlastung von der Bürokratie und eine Unternehmenssteuerlast von 25 Prozent. Unnötige Beteiligungen an der Deutschen Post oder an der Telekom sollte der Staat abstoßen und das Geld in die digitale Infrastruktur investieren. Der Solidaritätspakt soll komplett abgeschafft werden.

Zur Mobilität schreibt die Partei, dass eine innovative, ökologische und bezahlbare Mobilität angewiesen auf eine zukunftsweisende Verkehrspolitik ohne ideologische Scheuklappen sei. Die FDP postuliert: „Mobilität ist Freiheit.“ Deshalb setzt sie auf Innovationen statt Verbote. Tempolimits, Diesel- oder Motorradfahrverbote seien weder progressiv noch nachhaltig.

Ein pauschales Verbot von Verbrennungsmotoren lehnen die Liberalen ab. Nur durch Innovationen und eine bessere Infrastruktur könnten Verkehrssicherheit und ein umweltfreundlicher Verkehrsfluss vorangebracht werden. Einschränkungen des Individualverkehrs seien hingegen keine Lösung.

Bei der Schiene will die FDP Infrastruktur und Bahnbetrieb trennen und den Betrieb privatisieren. Ziel sei es, mehr Personen und Güter auf der Schiene zu transportieren. Das gelinge aber nicht mit einer Staatsbahn, sondern nur mit mehr Wettbewerb, mehr Digitalisierung und niedrigeren Trassenpreisen für die Nutzung der Schienenwege.

Für den Ausbau der Infrastruktur will die FDP Planungen beschleunigen. Verfahren müssen gestrafft und Doppeluntersuchungen abgeschafft, die Möglichkeiten der Digitalisierung in allen Bereichen der Planung genutzt und eine frühzeitige und umfassende Bürgerbeteiligung sichergestellt werden.

Die Linke: Mindestlohn soll auf 13 Euro steigen

Die Linke will eine gerechte Mobilität, die ökologisch und bezahlbar für alle ist. Ihre Visionen sind ein kostenloser öffentlicher Nahverkehr, Investitionen in die Schiene, günstigeres Bahnfahren, weniger Autos in den Städten und ein Lieferverkehr, der öffentlich organisiert wird. Ziel ist es hier, die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten zu verbessern. Die Belastung durch Autos und Lkw treffe vor allem diejenigen, die es sich nicht leisten könnten, von der Hauptverkehrsstraße wegzuziehen. Für Beschäftigte fordert sie einen Mindestlohn von 13 Euro pro Stunde. Außerdem verspricht sie, sich für längere Ruhezeiten für Lkw-Fahrer einzusetzen.

Mobilität für alle mit weniger Verkehr, lautet ein wichtiges Ziel der Linken. Sie ist davon überzeugt, dass die öffentliche Hand Mobilitätsangebote besser organisieren kann als private Unternehmen. „Alle Privatisierungen, Ausgliederungen und Aufspaltungen bestehender Eisenbahngesellschaften müssen rückgängig gemacht werden“, schreibt sie. Die Geschäftspolitik der Deutschen Bahn will sie am Gemeinwohl ausrichten statt am Bilanzgewinn.

Bei der Infrastruktur will die Linke einen Stopp des Neu- und Ausbaus von Autobahnen und einen alternativen Verkehrswegeplan, mit dem die sozial-ökologische Mobilitätswende vollzogen wird und bei dem der schienengebundene Personen- und Güterverkehr im Mittelpunkt steht, heißt es. Auf Autobahnen wünscht sie sich ein Tempolimit von 120 Kilometern in der Stunde, auf Landstraßen 80 Kilometer in der Stunde.

Im Straßengüterverkehr will sie die Lkw-Maut auf allen Straßen und höhere Mautsätze. Externe Kosten wie Luftverschmutzung und Lärmbelästigung müssten einbezogen werden. Außerdem will sie die Nutzung von Bundes- und Landstraßen für Lkw untersagen, wenn eine Bundesautobahn parallel vorhanden ist. Oberleitungs-Lkw und Platooning betrachtet sie als falsche Weichenstellung. Staatliche Hilfen für die Schifffahrt müssen an soziale und ökologische Kriterien geknüpft werden. Die Konkurrenz der Häfen muss durch eine enge Kooperation abgelöst werden. In die Hoheitsgewässer der EU sollen nur noch mit Diesel oder umweltfreundlicheren Antriebsarten betriebene Fracht- und Kreuzfahrtschiffe einfahren dürfen.

AfD: Freie Wahl der Verkehrsmittel

„Die Alternative für Deutschland (AfD) spricht sich für eine an den Bedürfnissen der Bürger orientierte Verkehrspolitik aus“, schreibt die Partei in ihrem Leitantrag der Bundesprogrammkommission. Sie lehnt dabei eine ideologisch geleitete Verbotspolitik ab, die bestimmte Verkehrsmittel bevorzugt oder diskriminiert. Im Vordergrund stehe für uns die Freiheit der Bürger in der Wahl des Verkehrsmittels.

Für den Güterverkehr will sich die Partei für mehr Lkw-Parkplätze an Autobahnen und die konsequente Anwendung bestehender Lkw-Überholverbote zur Sicherheit aller Verkehrsteilnehmer einsetzen. „Das Konzept der ,Rollenden Landstraße‘ und des Wechselbrückenumschlags soll für die Transitverbindungen durch Deutschland mit regelmäßigen Taktungen etabliert werden“, so die AfD.

Das Netz an Verladestellen und multimodalen Güterverkehrszentren (Straße, Schiene und Wasserwege) sei zu verdichten. Die Partei will mehr in Brücken und Straßen investieren. Eine generelles Tempolimit auf Autobahnen lehnt sie ab. Den Ausbau der Schieneninfrastruktur und den Deutschlandtakt hält sie für richtig.

Beim Klimaschutz sagt die AfD „Nein“ zum Green Deal. „Eine komplette Umstellung unserer Energieversorgung auf volatile ‚erneuerbare‘ Energielieferanten ist unökologisch und unrealistisch“, schreibt sie. Deshalb teilt sie die Ziele der Bundesregierung nicht, die CO2-Emissionen auf Null zu senken. Das Verhältnis von Aufwand und Nutzen der Klimamaßnahmen müsse stärker berücksichtigt werden. Der Anspruch auf eine deutsche Vorbildfunktion bei der „Klimarettung” sei anmaßend. Den Klimaschutzplan 2050 der Bundesregierung und die Dekarbonisierungsmaßnahmen lehnt sie ab.

Büdnis 90/Die Grünen: Moderne Infrastruktur vermeidet Verkehr 

Die Grünen wollen den Lkw-Verkehr sauberer machen. Eine CO2-Maut, ambitionierte CO2-Flottengrenzwerde und klimafreundliche Antriebe sind nur einige Ideen, die sich im Entwurf des Wahlprogramms finden. „Wir sorgen für nachhaltige Mobilität“, ist das Verkehrskapitel überschrieben. Dazu gehören auch der Ausbau der Infrastruktur und Verkehrsvermeidung.

Die Bahnpolitik steht auch hier im Zentrum. „Den Deutsche-Bahn-Konzern wollen wir transparenter und effizienter machen, die Strukturen für mehr Schienenverkehr neu ordnen und in neuer staatlicher Verantwortung am Gemeinwohl ausrichten“, schreiben die Grünen in ihrem Programm. Der Bund müsse zudem mehr Verantwortung für das Schienennetz und die Koordinierung des Zugverkehrs im Deutschlandtakt übernehmen.

Im Kapitel „Moderne Verkehrsinfrastruktur“ heißt es, dass Deutschland eine Infrastrukturentwicklung brauche, die an den Zielen der Mobilität für alle und an Klimaneutralität ausgerichtet sei und den Fokus auf den Ausbau von Schienen, Radwegen und auf eine intelligente Vernetzung umweltfreundlicher Verkehrsmittel lege. Der Güterverkehr wird allerdings nicht explizit erwähnt.

Er taucht nur kurz auf einer halben Seite auf. Dort nennen die Grünen einige wesentliche Themen, die sie in der kommenden Legislaturperiode vorantreiben wollen. Der Kombinierte Verkehr soll gestärkt und die Industrie unterstützt werden, ihre Betriebe wieder an das Bahnnetz anzuschließen. Schiffe sollen künftig nicht mehr mit Schweröl, sondern mit alternativen Antrieben und Kraftstoffen fahren.

Wichtig ist es den Grünen, die Verkehrssicherheit im Lkw-Bereich zu erhöhen und die Arbeitszeitvorschriften besser durchzusetzen. Die Arbeitsbedingungen für Lkw-Fahrerinnen und -Fahrer müssten erheblich verbessert werden. Zur städtischen Logistik schreiben sie, dass sie den Einsatz von Lastenrädern und neue Verteilkonzepte wie Cityhubs oder Güterbeförderung auf Schienen fördern wollen.

Um die vielen Unfälle von Radfahrern und Fußgängern zu verhindern, wollen die Grünen Lkw-Abbiegeassistenzsysteme verpflichtend vorschreiben. Für die Verkehrssicherheit, aber auch für einen besseren Umweltschutz schlagen sie ein Tempolimit von 130 Kilometern in der Stunde auf Autobahnen vor.

Beim Klimaschutz will die Partei Tempo machen. Mit dem CO2-Preis, der seit dem 1. Januar 2021 gilt, ist sie nicht zufrieden. Sie schlägt vor, den Preis schon 2023 auf 60 Euro anzuheben, bisher ist das erst zwei Jahre später geplant.

Die Einigung auf ein europäisches Klimagesetz kommt den Grünen entgegen. Denn sie plädieren in ihrem Wahlprogramm dafür, das deutsche Klimaziel 2030 auf 70 Prozent Treibhausgaseinsparungen anzuheben. Bisher stehen im Klimaschutzgesetz 55 Prozent, für den Verkehrssektor sind 40 bis 42 Prozent vorgeschrieben. Referenzjahr ist 1990.

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