Koalitionsausschuss: Höhere Lkw-Maut und mehr Tempo bei Infrastrukturprojekten

Das Geld aus der erhöhten Lkw-Maut soll zu 80 Prozent in den Ausbau der Schiene fließen, sagte Grünen-Chefin Ricarda Lang am Dienstagabend. In dem Beschlusspapier wurde auch die Förderung von Landstromanlagen in Häfen festgehalten.

Die Parteichefs der Koalitionsparteien Lars Klingbeil (SPD, rechts), Ricarda Lang (Grüne) und Christian Lindner (FDP) sprechen im Bundestag nach dem Koalitionsausschuss. (Foto: dpa/Michael Kappeler)

Die Ampelkoalition will Infrastrukturprojekte auf der Schiene und der Straße deutlich beschleunigen. Zentraler Baustein einer modernen und leistungsfähigen Infrastruktur sei der Ausbau und die Modernisierung des Schienennetzes, heißt es im Ergebnispapier des Koalitionsausschusses. Dafür sollten Planung, Genehmigung und Umsetzung erheblich beschleunigt werden.

Die Koalition habe vereinbart, deutlich mehr Geld in die Schiene als in die Straße zu investieren und bei Straßen einen stärkeren Fokus auf Erhalt und Sanierung zu legen, mit besonderem Schwerpunkt auf Ingenieurbauwerke. Für Bundesfernstraßen sei vorgesehen, dass existierende marode Brücken deutlich schneller und einfacher saniert beziehungsweise ersetzt werden können als bisher. Auch im Netz der Bundesfernstraßen gebe es Stauschwerpunkte und Engstellen, die den Verkehrsfluss stark beeinträchtigten. „Daher wird die Bundesregierung für eine eng begrenzte Zahl von besonders wichtigen Projekten und Teilprojekten zur Engpassbeseitigung das überragende öffentliche Interesse festschreiben.“ Das bedeutet zum Beispiel weniger Umweltschutzprüfungen.

FDP-Chef Christian Lindner sprach von 144 Projekten. Gerade um den schnelleren Bau auch von Autobahnen – eine Forderung der FDP – hatte es im Vorfeld ein hartes Ringen gegeben. Die Grünen hatten dies eigentlich sehr skeptisch gesehen.

Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hatte argumentiert, der Güterverkehr besonders auf der Straße werde laut einer Prognose in den kommenden Jahrzehnten stark wachsen. Mit dem schnelleren Ausbau von Strecken sollten Staus verringert werden – durch die auch wirtschaftliche Schäden entstünden.

Scharfe Kritik kam vom Umweltverband Greenpeace. Der geschäftsführende Vorstand Martin Kaiser kommentierte, wenn nun 144 zusätzliche „klimaschädliche Autobahnprojekte“ beschleunigt durchs Land asphaltiert werden sollten, werde das Klima weiter vor die Wand gefahren.

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nannte das Maßnahmenpaket für die Bahn und den Schwerlastverkehr „sehr wuchtig“. Habeck räumte in der ZDF-Sendung „Markus Lanz“ ein, dass die Planungsbeschleunigung für Autobahnprojekte seiner Partei nicht leichtgefallen, aber Teil der Kompromissfindung gewesen sei. „Das war kein Wunsch der Grünen“, sagte Habeck. Wichtig sei aber, dass Probleme gelöst worden seien.

Mehr Klimaschutz und höhere Lkw-Maut

Die Bundesregierung will außerdem mehr Klimaschutz im Verkehr voranbringen. Dazu sollten unter anderem „erhebliche Mittel“ zur Modernisierung und Erweiterung des Schienennetzes bereitgestellt werden, heißt es im Beschlusspapier nach den Beratungen der Spitzen von SPD, Grünen und FDP von Dienstagabend. Bei der bundeseigenen Deutschen Bahn gebe es dafür einen Investitionsbedarf bis 2027 von rund 45 Milliarden Euro.

Dieser solle unter anderem durch Einnahmen aus der Lkw-Maut auf Autobahnen und Bundesstraßen gedeckt werden. Bei der Nutzungsgebühr sollen demnach zum 1. Januar 2024 eine CO₂-Differenzierung und ein CO₂-Aufschlag von 200 Euro je Tonne eingeführt werden. Emissionsfreie Lkw sollen bis Ende 2025 von der Maut befreit und anschließend nur 25 Prozent des regulären Satzes zahlen müssen. Zudem sollen ab 2024 auch schon kleinere Lkw ab 3,5 Tonnen in die Mautpflicht einbezogen werden. „Handwerksbetriebe werden ausgenommen“, heißt es im Papier.

Förderung von Landstromanlagen

Die Ampelkoalition will die Nutzung von Strom durch See- und Binnenschiffe unterstützen, damit diese in Häfen weniger klimaschädliche Gase ausstoßen. In dem Beschlusspapier zum Koalitionsausschuss haben SPD, Grüne und FDP festgehalten, dass mit Bundeshilfen „weitere Landstromanlagen für Seeschiffe und Binnenschiffe insbesondere in den großen Seehäfen Hamburg und Bremen und am Rhein“ gefördert werden sollen.

Kritik von Verbänden

Peter Westenberger, Geschäftsführer des Verbandes „Die Güterbahnen“, zeigte sich nur teilweise zufrieden mit den Beschlüssen der Koalition: „Der angekündigte finanzielle Rückenwind für Modernisierung und Erweiterung der Schieneninfrastruktur reagiert auf die Versäumnisse der Vergangenheit und nimmt die Chancen für die Zukunft in den Blick. Auf keinen Fall darf es eine neue Ära von Hochgeschwindigkeitsverkehrs-Prestigeprojekten geben, die im Gesamtnetz kaum Verbesserungen auslösen. Klimaschutz-Beiträge müssen vor allem im Güterverkehr gehoben werden. Es ist richtig, dass die zusätzliche Schienenfinanzierung aus mindestens 80 Prozent der Zusatzeinnahmen der ab 2024 erhobenen CO₂-Komponente in der Lkw-Maut kommt. Den weiteren Ausbau des Straßennetzes kann sich die Regierung dann getrost sparen.“

Lob kam von der Allianz pro Schiene. Deren Geschäftsführer Dirk Flege begrüßte, dass die Bahn mehr Geld bekommen soll und dafür auch Mittel aus der Lkw-Maut fließen sollen. „Endlich wird der Zwang abgeschafft, die Lkw-Mauteinnahmen in Bundesfernstraßen investieren zu müssen. Jetzt darf in umweltfreundliche Alternativen investiert werden, das ist ein Riesenfortschritt“, sagte Flege.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert die soeben vorgestellten Ergebnisse des mehrtägigen Koalitionsausschusses aufs Schärfste. Insbesondere die geplante Aufweichung des Bundesklimaschutzgesetzes stelle eine absolute Katastrophe dar. Jürgen Resch, DUH-Bundesgeschäftsführer, sagte: „Diese Anti-Klimaschutz-Koalition legt allen Ernstes Hand an das Bundesklimaschutzgesetz. Damit versündigt sie sich an allen künftigen Generationen. Im Verkehrsbereich sind die Horror-Nachrichten kaum zählbar, unter anderem sage und schreibe 144 beschleunigte Autobahn-Bauvorhaben und die geplante faktische Gleichstellung von Verbrenner-Pkws mit Elektrofahrzeugen. Gleichzeitig gibt es trotz des Versagens von Minister Wissing erneut keine sofort wirksamen Klimaschutzmaßnahmen wie das Tempolimit oder den Abbau von klimaschädlichen Subventionen.“ (dpa/fw)

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