EU-Gipfel: Verbrennerverbot sorgt weiter für Wirbel

Das Verbrennerverbot stand beim Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs am Donnerstag in Brüssel eigentlich nicht auf der Tagesordnung. Für Gesprächsstoff sorgte es dennoch.

Am 23. und 24. März findet in Brüssel ein Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs statt. (Foto: European Union)

Der Streit um die Verabschiedung der neuen europäischen CO₂-Grenzwerte für Lieferwagen und Pkw zwischen der EU-Kommission und Deutschland war am Donnerstag weiter ungelöst. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stellte sich beim Auftakt des EU-Gipfels in Brüssel – wo das Thema offiziell nicht auf der Tagesordnung stand – auf einen ähnlichen Standpunkt wie Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP): Im Gesetzgebungsprozess sei es Konsens gewesen, dass die Kommission eine Regelung vorschlagen werde, „wie auch nach 2035 noch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor zugelassen werden können“. Diese müssten nach Lesart der FDP ausschließlich mit klimaneutralen E-Fuels betankt werden. Jetzt gehe es darum, „ganz pragmatisch einen Weg zu finden, wie man das auch umsetzt“, sagte Scholz. Die Gespräche zwischen den zuständigen Bundesministerien und der Kommission dazu seien „auf einem guten Weg“.

EU-Kommission widerspricht Scholz

Die Kommission weist allerdings zurück, dass sie gegebene Zusagen einlösen müsse. Die Deutsche Presse-Agentur erfuhr am Donnerstag aus der Kommission, die Behörde habe zu keinem Zeitpunkt einen Vorschlag vor der Abstimmung über das umstrittene Gesetz versprochen. Den Angaben zufolge wurde im November bei einem Treffen von EU-Botschaftern eine Erklärung verlesen, in der es hieß: „Nachdem die Verordnung durch das Europäische Parlament und den Rat endgültig angenommen wurde, wird die Kommission den potenziellen Beitrag von CO₂-neutralen Kraftstoffen zur Erreichung einer klimaneutralen Mobilität prüfen.“

Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten hatten sich im Herbst darauf verständigt, dass in der Europäischen Union ab 2035 nur noch neue Vans und Pkw zugelassen werden dürfen, die kein Kohlendioxid mehr ausstoßen. Deutschland handelte jedoch einen – nicht rechtsverbindlichen – sogenannten „Erwägungsgrund“ in das Abkommen, wonach die EU-Kommission einen Vorschlag vorlegen soll, wie nach 2035 „außerhalb der Flottengrenzwerte“ Fahrzeuge zugelassen werden können, die ausschließlich mit CO₂-neutralen Kraftstoffen betrieben werden.

Gesetzestext unterschiedlich interpretiert

In der EU-Kommission las man den entsprechenden Absatz stets so, dass davon Sonderfahrzeuge wie Kranken- oder Feuerwehrwagen betroffen sein sollen. Nach Berliner Lesart soll die E-Fuel-Ausnahme dagegen für alle Fahrzeuge gelten. Nachdem die Bundesregierung dem Gesetzeskompromiss im November zunächst auf Ebene der EU-Botschafter zugestimmt und das Europäische Parlament die CO₂-Normen inzwischen verabschiedet hat, blockierte die FDP Anfang März dann die abschließende Schlussabstimmung im EU-Ministerrat. Bei einer deutschen Enthaltung hätte es dort nicht mehr die notwendige Mehrheit gegeben, weil auch Länder wie Italien, Bulgarien oder Österreich nicht mehr zustimmen wollten.

Zwischen Berlin und Brüssel wird nun verhandelt, wie die Blockade zu lösen ist. In Brüssel ist zu hören, dass über einen sogenannten „delegierten Rechtsakt“ nachgedacht wird, mit dem im EU-Typenzulassungsrecht eine neue Kategorie von Fahrzeugen etabliert werden könnte, die ausschließlich mit klimaneutralen Treibstoffen fahren. Zugleich könnte es eine verbindliche Zusage der EU-Kommission geben, bei der nächsten Überarbeitung der CO₂-Grenzwerte diese Fahrzeuge als „Nullemissionsfahrzeuge“ anzuerkennen. Fest vereinbart ist solch eine Lösung aber offenbar noch nicht.

Wenig Appetit auf neuen Gesetzesvorschlag

Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte (Liberale) sagte beim EU-Gipfel, er vertraue darauf, dass in den nächsten Tagen eine Lösung „im Rahmen des geltenden Regelwerks“ gefunden werde. Er unterstütze den ausgehandelten Kompromiss mit einer völligen Reduzierung des CO₂-Ausstoßes bei Neuwagen ab 2035. „Aber alle Länder haben das Recht, in jedem Moment noch Bedenken vorzubringen“, sagte Rutte.

Laut EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen versuchen die Kommission und das Bundesverkehrsministerium, das Problem „im Rahmen der Regeln zu lösen, die von EP und Rat ausgehandelt wurden“. Beim EU-Gipfel sei das Thema am Donnerstag nicht zur Sprache gekommen. Es sei wichtig, das Problem schnell zu lösen. Die bisher noch nicht verabschiedeten Gesetzesvorschläge aus dem EU-Klimaschutzpaket „Fit for 55“ müssten im Zeitplan bleiben, hatte von der Leyen zuvor gesagt.

Die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola (Christdemokraten), machte deutlich, dass das EP nicht noch einmal über ein gut zwei Jahre lang diskutiertes Gesetz verhandeln will. „Es geht hier letztlich um Vertrauen und die Glaubwürdigkeit unserer Gesetzgebung“, sagte sie.

Ähnlich besorgt äußerte sich Lettlands Premierminister Krišjanis Karinš. „Wenn ein Mitgliedsstaat das tun kann, was sollte den nächsten stoppen? Wenn wir das alle tun würden, würde die gesamte Entscheidungsfindung auseinanderfallen“, sagte er.

Der belgische Premier Alexander De Croo (Liberale) merkte an, Europa habe die Führung beim Weg zur Elektromobilität übernommen. „Wir dürfen jetzt nicht an uns zweifeln“, so De Croo. Das wolle er bei Gelegenheit beim Gipfel auch Olaf Scholz sagen.

Österreich für „grünen Verbrenner“

Unterstützung für die deutsche Position gab es von Österreichs Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). „Wie der Wasserstoff sind auch E-Fuels eine Möglichkeit, dem Klimawandel zu begegnen“, sagte er.  „Wir werden uns weiter dafür einsetzen und die Staaten unterstützen, die dieses Thema auf die Agenda gesetzt haben.“ Der Forschungs- und Entwicklungsstandort Europa dürfe laut Nehammer im Zuge der Debatte nicht gefährdet werden.

Mitte Februar hat die EU-Kommission ein Gesetz vorgeschlagen, demzufolge der CO₂-Ausstoß von schweren Nutzfahrzeugen bis 2040 um 90 Prozent reduziert werden soll. Die Diskussionen über die Flottengrenzwerte für Lieferwagen und Pkw dürften sich hier wiederholen. (ab/fh/dpa)

 

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