„Es braucht keinen Neubau von Autobahnen mehr“

Vertreter von drei Verkehrsverbänden und der Gewerkschaft GDL fordern von Bundesverkehrsminister Volker Wissing, sich deutlich stärker für den Schienengüterverkehr einzusetzen.

Die Verbände des Schienengüterverkehrs fordern einen schnelleren Ausbau des Schienennetzes wie hier in Berlin. (Foto: Bernd Settnik/dpa)

Die Verbände „Die Güterbahnen“, Allianz pro Schiene, Verband der Güterwagenhalter in Deutschland (VPI) und die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) fordern von der Bundesregierung mehr Engagement zu Verlagerung von Transporten von der Straße auf die Schiene. Nur so könnten die Klimaziele erreicht werden.

Aussage Wissings „geschäftsschädigend“

Peter Westenberger, Geschäftsführer des Verbandes „Die Güterbahnen“, betonte, dass niemand etwas dagegen habe, die Planung von Infrastrukturprojekten an sich zu beschleunigen, sofern die notwendige Qualität der Planung eingehalten wird. Westenberger stellte angesichts der derzeitigen Aussagen von Bundesverkehrsminister Volker Wissing die Frage, ob die Aussagen im Koalitionsvertrag noch Gültigkeit haben oder ob diese im Rahmen einer neuen Verkehrspolitik uminterpretiert würden. Er bezeichnete die Aussage Wissings, dass die Schiene nicht leistungsfähig und daher der Ausbau der Autobahnen notwendig sei, als „geschäftsschädigend“ für seine Mitgliedsunternehmen.

Die privaten Güterbahnen hätten in der Vergangenheit ganz wesentlich dazu beigetragen, dass die Transportleistung auf der Schiene in den letzten Jahren gestiegen sei und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit unterstrichen. Das wolle man auch in Zukunft tun, um das Ziel eines Modal Splits in Höhe von 25 Prozent im Jahr 2030 zu erreichen. „Aus unserer Sicht braucht es daher keinen Neubau von Autobahnen mehr, um das prognostizierte Güterverkehrsaufkommen zu bewältigen“, sagte Westernberger. Seine Mitgliedsbetriebe hätten zuletzt nochmals betont, dass bis 2035 sogar ein Marktanteil von 35 Prozent möglich sei. „Dann wären etwa 10 bis 15 Prozent weniger Lkw unterwegs als heute.“ Die von Wissing heraufbeschworene Gefahr eines Versorgungsengpasses sieht Westenberger nicht in einer fehlenden Straßeninfrastruktur begründet, sondern in fehlenden Lkw-Fahrern.

Hochleistungsnetz ist ein „Etikettenschwindel“

Dirk Flege, Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, kritisierte, dass Wissing über „leere Supermarktregale schwadroniere, wenn keine neuen Autobahnen gebaut werden“. Und die FDP-Spitze würde behaupten, der Neubau neuer Autobahnen diene dem Klimaschutz. „Zur Bahnpolitik hört man vom Minister wenig“, warf er dem Minister vor. Die viel zitierten Hochleistungskorridore würden von Wissing auch gerne als Hochleistungsnetz bezeichnet. Das ist jedoch laut Flege ein „Etikettenschwindel“, da die Korridore nur einen geringen Teil im Netz abdecken würden. Zudem handele es sich bei dieser Sanierung nur um eine konzertierte Aktion vom regionalen Baustellenmanagement. „Es wird mit den Hochleistungskorridoren nicht ein einziger Kilometer Schiene neu gebaut“, sagte Flege.

Es gäbe vom Wissing auch keine Aussage dazu, wie das in der Koalitionsvereinbarung festgehaltene Ziel von 25 Prozent Marktanteil erreicht werden könne, wenn gleichzeitig das Autobahnnetz ausgebaut und das Schienennetz stagnieren soll. „Dabei ist das ganz einfach: Bei der Schiene muss Instandhaltung und Neubau beschleunigt werden, bei der Straße nur die Instandhaltung“, schlug Flege vor.

Zudem zeigte er sich enttäuscht darüber, dass es keinerlei Fortschritte zu dem Bericht der Beschleunigungskommission Schiene gäbe. Die Experten inklusive der Politiker aus der Ampelkoalition hätten den Bericht im Dezember unter hohem Druck abgegeben. „Seitdem haben wir nichts gehört“, sagte Flege. Es gäbe keinen Kabinettsbeschluss, was er als „desaströse Konsequenz des ideologisch angezettelten Streits innerhalb der Koalition“ um die Beschleunigung der Infrastrukturprojekte bezeichnete. „Hier muss die Koalition endlich, endlich zur Besinnung kommen und was unstrittig ist, auf den Weg bringen. Und unstrittig ist die Beschleunigung des Schienenausbaus.“

Unternehmen benötigen verlässliche Aussagen 

„Auch wir beobachten die Entwicklung im Bundesverkehrsministerium mit großer Sorge“, sagte Malte Lawrenz, Vorsitzender des Güterwagenhalterverbandes VPI. Er appellierte an die Politik, die Wachstumsziele der Schiene nicht zu verwässern. Das Wachstum im Güterverkehr könne nur über eine leistungsstarke Schiene abgewickelt werden. Seine Mitgliedsunternehmen bräuchten verlässliche Aussagen aus der Politik, weil Güterwagen langfristig Investitionen sei, die sich die Unternehmen gut überlegen würden.

Westenberger wies darauf hin, dass in der EU ein deutlich höherer Modal Split angestrebt werde als hierzulande: „Da kann sich Deutschland als wichtiges Transitland in Europa nicht ausnehmen.“ Flege kritisierte die Maßnahmen in der Vergangenheit, die aus den positiven Wachstumsvorhersagen für den Straßengüterverkehr resultiert hätten, mit den Worten: „Wir haben diesen Prognosen immer hinterherasphaltiert.“ Er forderte die Politik auf, nicht in den Rückspiegel zu gucken, sondern ein Ziel zu formulieren, wo man hinwolle: „Und das Ziel heißt 25 Prozent Marktanteil für die Schiene. Das bedeutet nichts anderes, als dass der Lkw Marktanteile abgeben muss.“

Stopp von Straßenneubau nur für Fernstraßen 

Flege wies darauf hin, dass sich die Aussagen zu einem Stopp von Neubau ausschließlich auf die Bundesfernstraßen bezögen. „Natürlich benötigen wir zur Anbindung von neuen Wohngebieten, Gewerbegebieten oder Bahnterminals auch neue Straßen. Das liegt aber in der Verantwortung der Länder oder Kommunen, nicht in der von Volker Wissing.“

Lawrenz zeigte sich zuversichtlich, die 25-Prozent bis 2030 zu erreichen, weil solche Instrumente wie das Zugsicherungssystem ETCS und die Digitale Automatische Kupplung (DAK) große Kapazitätssprünge ermöglichen würden. „Aber das hilft uns nichts, wenn wir eine marode Infrastruktur haben“, wies er auf die Basis des Schienenverkehrs hin, die verbessert werden müsse.

 

 

 

 

 

 

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