Digital-Gipfel: Bundesregierung will Datenauswertungen erleichtern

Die Ampelkoalition erhofft sich von einer stärkeren Digitalisierung mehr Innovationskraft und Wachstum. Die Umsetzung verläuft aber nur schleppend. Auf dem Digital-Gipfel wurde nun ein Konzept vorgestellt, mit dem Datenauswertungen künftig erleichtert werden sollen. 

Robert Habeck (links, Bündnis 90/Die Grünen), Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, und Volker Wissing (FDP), Bundesminister für Verkehr und Digitales, geben am Rande des Digital-Gipfels 2022 „Daten – Gemeinsam digitale Werte schöpfen“ eine Pressekonferenz. (Foto: dpa/Kay Nietfeld)

Die Bundesregierung will künftig mehr Daten besser verfügbar und nutzbar machen, um Innovationsprojekte bei Start-ups, Unternehmen, aber auch der Wissenschaft und Zivilgesellschaft zu ermöglichen. Das kündigten Digital- und Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck auf dem Digital-Gipfel am Freitag in Berlin an. „Dafür werden wir den bestehenden Rechtsrahmen handhabbar gestalten“, sagte Wissing. Das trage dazu bei, dass Innovationen die nötigen rechtlichen Bedingungen schneller und einfacher erfüllten. 

Mehr Projekte, weniger Papiere

Die Minister wollen mehr Projekte statt noch mehr Papiere. In die Zuständigkeit des Bundesverkehrsministeriums (BMDV) fallen zwei Vorhaben. Zum einen sollen Mobilitätsdaten vermehrt bereitgestellt werden. Dafür will das Ministerium eine vertrauenswürdige Dateninfrastruktur aufbauen. „Mit der Mobilithek wird ein nationaler Zugangspunkt zu öffentlich verfügbaren Mobilitätsdaten geschaffen, etwa zu Fahrplandaten oder Daten zur Verkehrslage in Echtzeit“, so das BMDV. Zum anderen sei mit dem Mobility Data Space ein Raum für das freiwillige Teilen und Handeln von Daten ins Leben gerufen worden. Durch die Verknüpfung beider Plattformen entstehe ein gemeinsames Datenökosystem, mit dem Mobilitätsangebote verbessert werden könnten.  

Darüber hinaus soll die Einführung des elektronischen Frachtbriefs für die Schifffahrt und den Lkw-Verkehr Fahrt aufnehmen. Damit ließe sich zeigen, wie eine gemeinsame Open-Source-Entwicklung die komplette Logistik verbindet, heißt es beim BMDV. Durch die Digitalisierung von Handelsdokumenten entstehe eine Datenbasis, an die unternehmensinterne Anwendungen und Sekundärnutzungen anknüpfen können. 

„Daten stehen im Mittelpunkt des digitalen Wandels. Sie bestimmen Produktionsprozesse und Lieferketten genauso wie unseren Konsum und unsere Lebensweise. Daten klug zu nutzen, ist ein Schlüssel zu Innovation und nachhaltigem Wachstum“ sagte Wissing.  

Deutschland hinkt digital hinterher

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) räumte zum Abschluss des zweitägigen Digital-Gipfels in einem Gespräch mit der Premierministerin von Estland, Kaja Kallas, Defizite bei der Internet-Infrastruktur und das Fehlen einer digitalen Identität in Deutschland ein. Aber trotz der Herausforderungen durch Krisen wie dem Ukraine-Krieg werde in der Bundesregierung hart und erfolgreich daran gearbeitet, die Potenziale der Digitalisierung zu erschließen. Kallas riet Scholz, mit Vorrang eine eID einzurichten, also digitale Identitätsnachweise für Bürger und Organisationen. Deutschland könne sich Digitalprojekte in Estland zum Vorbild nehmen. Estland gilt in Europa als Vorreiter der Digitalisierung. 

Die Bundesregierung hatte zuvor auf dem Digital-Gipfel den Aufbau eines „Dateninstituts“ angekündigt. Es solle den Datenzugang und die Datennutzung erleichtern und vor allem in den Bereichen Gesundheit, Mobilität und bei politischen Entscheidungsprozessen Verbesserungsvorschläge machen. Für den Aufbau und die Arbeit des Instituts sollen von 2023 bis 2025 jährlich 10 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Das Institut soll zunächst mit drei Pilotprojekten starten. Dabei geht es um die Auswertung von Daten zu Long Covid, Mobilität in den Kommunen sowie zur Gaspreisbremse. 

Digitale Herausforderungen

Habeck sagte, der Digital-Gipfel finde nicht im luftleeren Raum statt: „Die großen Krisen und Herausforderungen unserer Zeit sind alle auch digital: die Klimakrise, der Krieg in der Ukraine oder die Covid-19-Pandemie.“ Der Wettbewerb um intelligente grüne Technologien habe längst begonnen, sagte Habeck. „Deutsche Unternehmen sind hier sehr gut aufgestellt und genießen einen exzellenten Ruf. Aber um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen wir besser werden im klugen Umgang mit digitalen Daten. Datenverfügbarkeit ist die Bedingung für künftige Wettbewerbsfähigkeit.“

Der Vizekanzler räumte ein, dass es bei der Umsetzung der Digitalisierungspläne noch Defizite gebe: „Gemessen an unseren eigenen Ansprüchen ist das so ein bisschen wie beim Fußball. Und das kann natürlich nicht zufriedenstellend sein.“ 

Der Digitalverband Bitkom forderte auf dem Event „eine digitale Zeitenwende in Deutschland“. „Ein bisschen Veränderung hier, ein wenig dort und vor allem niemandem auf die Füße treten – so kommen wir nicht weiter“, sagte Verbandspräsident Achim Berg. Der Verband setzte sich unter anderen für die Einrichtung einer digitalen Identität ein. Ohne eine eID seien viele digitalen Arbeitsabläufe nicht möglich. 

Daten gezielt einsetzen

Der Bitkom forderte, Daten gezielt einzusetzen, um die großen gesellschaftlichen Aufgaben zu lösen. So könnten 41 Prozent der CO₂-Einsparziele der Bundesregierung bis 2030 allein durch eine beschleunigte Digitalisierung erreicht werden. 

Vertreter der digitalen Zivilgesellschaft bemängelten die inhaltliche Ausrichtung und personelle Zusammensetzung des Digital-Gipfels. Christian Humborg, Vorstand von Wikimedia Deutschland, sagte, für den Gipfel gelte, was sich allgemein in der Digitalpolitik der vergangenen Jahre beobachten lasse: „Viel zu oft stehen wirtschaftliche Interessen im Vordergrund.“ Der Verein Wikimedia Deutschland unterstützt ehrenamtliche Autorinnen und Autoren des digitalen Wissensprojektes Wikipedia. 

Markus Beckedahl, Gründer der Online-Plattform Netzpolitik.org, sagte, der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP habe Hoffnung gemacht, dass die Digitalisierung endlich gesellschaftlich gestaltet werde. „In der Realität ist davon noch zu wenig sehen – der Digital-Gipfel zeigt das anschaulich. Viele Vertreter aus der Wirtschaft sitzen prominent auf den Bühnen des Gipfels. Eine engagierte digitale Zivilgesellschaft mit ihren Perspektiven darf am Katzentisch im Publikum zuschauen.“ Der Gipfel sei nicht zeitgemäß, sagte Beckedahl. (sl/dpa)

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