CO2-Preis soll erst später steigen

Mit insgesamt 65 Milliarden Euro will die Regierung angesichts steigender Energiekosten Bürgern und Unternehmen unter die Arme greifen. Industrie und Handwerk kritisieren, dass es zu wenig Hilfen für Unternehmen gebe.

Die Ampelkoalition hat am Sonntag ein drittes Entlastungspaket beschlossen. Relevant für die Transportbranche ist unter anderem, dass die weitere Erhöhung des CO₂-Preises verschoben wird. Statt zum 1. Januar 2023 soll der Preis erst am 1. Januar 2024 um 5 auf 35 Euro steigen. Auch die Folgeschritte sollen sich verschieben.

In dem 13-seitigen Papier, das die Ampelregierung am Sonntag vorstellte, heißt es weiter, dass im „Etat des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr für die Schiene im Haushalt 2023 zusätzliche 500 Millionen Euro und in den Jahren darauf 1 Milliarde Euro Verpflichtungsermächtigungen zur Verfügung gestellt werden“.

Insgesamt soll das Entlastungspaket ein Volumen von 65 Milliarden Euro umfassen. Zu den Unternehmenshilfen heißt es, dass energieintensive Firmen, die Kostensteigerungen nicht weitergeben können, mit einem neuen Programm unterstützt werden. Der Spitzenausgleich bei den Strom- und Energiesteuern soll um ein weiteres Jahr verlängert werden. Bestehende Unternehmenshilfen, unter anderem mit zinsgünstigen Krediten und erweiterten Bürgschaften, sollen bis 31. Dezember verlängert werden. Geprüft werden laut Beschluss Schritte für Unternehmen, die aufgrund von Gasmangel und hohen Energiepreisen die Produktion temporär einstellen müssen.

Auch bei der Insolvenzantragspflicht will die Regierung Erleichterungen einführen. Im Beschlusspapier heißt es dazu: „Auch Unternehmen, die im Kern gesund und auch langfristig unter den geänderten Rahmenbedingungen überlebensfähig sind, sollten ihre Geschäftsmodelle anpassen
können. Daher wird für Erleichterungen bei der Insolvenzantragspflicht gesorgt.“

Steuerzahler sollen ab 1. Januar ihre Rentenbeiträge voll absetzen können. Mit einer Senkung der Umsatzsteuer auf Gas zum 1. Oktober 2022 auf 7 Prozent soll die Gasumlage ausgeglichen werden. Zudem soll die bis Ende 2022 verlängerte Homeoffice-Pauschale entfristet und verbessert werden.

Weitere Maßnahmen sind Hilfen für Privathaushalte, eine Energiepauschale für Rentner, Studierende und Fachhochschüler oder Heizkostenzuschüsse für Wohngeldbezieher.

Lob und Kritik

Zahlreiche Expertinnen und Experten sowie Verbände haben das geplante dritte Entlastungspaket der Ampel-Koalition grundsätzlich gelobt. An Kritik mangelt es aber trotzdem nicht: Industrie und Handwerk zeigten sich enttäuscht darüber, dass es in dem Paket vor allem um die Entlastung privater Haushalte geht. Manchen Sozialverbänden gehen diese Entlastungen dagegen nicht weit genug. Klimaschützer bezeichnen das Paket als „fatales Signal“

Ifo-Präsident Clemens Fuest sprach in der „Bild“ von „Licht und Schatten“ in dem Paket. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), ‌Marcel Fratzscher, lobte in der „Augsburger Allgemeinen“ einzelne Elemente, übte aber vor allem Kritik. „Die Bundesregierung bleibt bei der wichtigsten Herausforderung, der Begrenzung von Strom- und Gaspreisen, eine Lösung schuldig“, so der DIW-Chef. Die geplante Strompreispreisbremse sei „völlig unausgegoren“, werde erst in Monaten umgesetzt werden können und folge dem Prinzip Hoffnung.

Deutliche Kritik kam auch von Arbeitgeberverbänden: Das Paket sei „enttäuschend“, sagte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Es sei zwar richtig, dass die Bundesregierung soziale Härten auffange. Der Regierung fehle jedoch offensichtlich der Mut für eine neue Energiepolitik. „Die Ausweitung des Sozialstaates kann keine Antwort auf eine Kostensteigerung der Energiepreise auf dem Weltmarkt sein.“

Industrie: Nur wenige Hilfen für Unternehmen

Industrie und Handwerk kritisierten derweil vor allem, dass es in dem Paket nur wenige Hilfen für Unternehmen gebe. Die Unterstützung privater Haushalte sei gesamtwirtschaftlich sicherlich richtig, sagte Peter Adrian, Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), der „Rheinischen Post“. „Die Ausführungen zu den unternehmensbezogenen Maßnahmen bleiben hingegen weitgehend unkonkret - und sind daher nicht der angekündigte 'wuchtige' Wurf.“

Enttäuscht zeigte sich auch Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass mögliche Entlastungen für Handwerksbetriebe erst zeitverzögert angegangen werden, sagte er. „Denn Zeit haben wir nicht: Uns erreichen inzwischen mehr und mehr existenzielle Notrufe von Betrieben, die unmittelbar Hilfe
brauchen.“ Hier hätte es deutlich stärkere, direkte und schnellere Unterstützung gebraucht.

Positiver ist das Echo der großen Gewerkschaften. Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi bezeichnete das Paket als „insgesamt beeindruckend“. „Die guten Absichten jetzt schnell in konkrete und überzeugende Gesetzgebung zu überführen, bleibt nun die zentrale Aufgabe.“ Nur dann werde es gelingen, Menschen Sicherheit zu geben. Verdi-Chef Frank Werneke kritisierte das Fehlen weiterer direkter Zahlungen für Menschen mit niedrigen und mittleren Einkommen. „Hochverdiener werden durch die Steuerpläne stattdessen mit bis zu 1.000 Euro entlastet.“

Ähnlich lautet auch die Kritik der Sozialverbände: Der SoVD bezeichnete die Unterstützung für Rentnerinnen und Rentner als „überfällig“ - es fehle aber an Unterstützung für Menschen mit kleinem Einkommen, die kein Wohngeld erhalten. „Da reichen die 300 Euro Energiepauschale nicht. Wir brauchen ein Inflationsgeld“, sagte die SoVD-Vorsitzende Michaela Engelmeier. Ulrich Schneider, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, sagte, mit dem Paket würden vor allem Fehler des vergangenen Entlastungspakets korrigiert. Es würden aber keinerlei zusätzliche zielgerichteten Hilfen für die Ärmsten in der Grundsicherung auf den Weg gebracht.

Heftige Kritik kam auch von der Umweltschutzorganisation WWF. Das Paket sei kontraproduktiv für die Einhaltung der Klimaziele, sagte Viviane Raddatz, Bereichsleitern für Klima- und Energiepolitik beim WWF. „Preisdeckel wie die angekündigte Strompreisbremse setzen keine Einsparanreize und senden ein fatales Signal für die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung beim Klimaschutz. Ebenso wie die ausgesetzte CO2-Preisanhebung.“ (dpa/sl)

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