Zum Tod von Wolf-Rüdiger Bretzke: Philosophie als Konzept

Mit Wolf-Rüdiger Bretzke ist ein brillanter Denker verstorben. Ein Nachruf.

Neben mehr als 200 Fachpublikationen veröffentlichte Wolf-Rüdiger Bretzke auch zwei Gedichtbände. Foto: Schmauch/Archiv

Continuous Replenishment kennen wir alle aus unserer alltäglichen Versorgung. Wenn im Haushalt etwas zur Neige geht, wird es nachgekauft. Mit solch bildlichen Vergleichen brachte Wolf-Rüdiger Bretzke abstrakte Supply-Chain-Management-Begriffe auf ein einfaches Level.  

Der 1944 Geborene war in Wirtschaft und Wissenschaft ein renommierter Experte und Fachautor. Seine Kenntnisse umfassten die operative Ebene in Transport- und Logistik ebenso wie Strategieentwicklung sowie Supply-Chain-Planung und die Gestaltung weltweiter Lieferketten mit all ihren vielfältigen Facetten. Bretzke war Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Bundesvereinigung Logistik (BVL) und hat maßgeblich die Definition des Begriffs Logistik geprägt. Im Rahmen seiner wissenschaftlichen Arbeit beschäftigte er sich mit der Entwicklung zukunftsfähiger Netzwerk- und Prozessmodelle. Dabei spielte für ihn der Aspekt der Nachhaltigkeit durchgehend eine wichtige Rolle.

Bei Veranstaltungen war Bretzke ein exzellent vorbereiteter Diskussionsteilnehmer und Moderator. Im fachlichen Austausch und menschlichen Umgang zeigte er sich immer offen und herzlich. Er mied eine Meinungskonfrontation nicht und bewahrte dabei stets Stil und Respekt für sein Gegenüber. Sachargumente zählten für ihn mehr als Stimmungen. Für viele, gerade jüngere Logistiker, war Bretzke ein Vorbild, dessen Wort in Schrift und Rede Gewicht hatte. „Er war einer der wenigen Menschen, der brillante Gedanken umfassend, analytisch präzise und wissenschaftlich fundiert zu Papier bringen und ebenso pragmatisch, strukturiert und zielgerichtet Praxisfragen beantworten konnte“, sagt einer der vielen Wegbegleiter. „Die Diskussionen mit ihm haben gefordert, aber auch immer schlauer gemacht.“ Bretzke, der aus einer Spediteursfamilie stammte, beeindruckte durch seine Klugheit, und er teilte sein Wissen in der Logistikgemeinschaft mit jedem ohne Berührungsängste oder Vorbehalte.

​Seine Arbeit hat wichtige Impulse gesetzt. Die vielfältigen Herausforderungen der Logistikwirtschaft hat Bretzke in Büchern, Artikeln, Vorträgen und Kommentaren behandelt. Insgesamt sind es weit über 200 Fachpublikationen. Sie belegen, dass er mit Weitblick kurzfristige Modeerscheinungen von langfristigen Trends zu unterscheiden wusste. Dadurch hat er Methoden weiterentwickelt, die Grundlagen für erfolgreiche Unternehmensstrategien sind. Supply Chain Management war für ihn eher eine Philosophie als ein konkretes Konzept zur Optimierung von Wertschöpfungsketten. Und er plädierte für eine Entschleunigung in der Transport- und Logistikbranche.

Sein Wort in Schrift und Rede hatte Gewicht. Die Diskussionen mit ihm haben gefordert, aber auch immer schlauer gemacht.

Als Experte zeichnete ihn aus, dass er die Logistikwirtschaft nicht aus einer einzigen Perspektive betrachtete. Er kannte die wirtschaftlichen Notwendigkeiten der Unternehmenswelt ebenso wie den Wissenschaftsbetrieb und das Beratungswesen. Aus diesen drei Polen speiste sich seine große Expertise, die sein hohes Ansehen in der Fachwelt begründet. Wer ihn als Supply-Chain-Experten erlebt hat, wird ihn als scharfsinnigen und unbeirrbaren Denker in Erinnerung behalten. Auch bei der DVZ hat er in vielen Beiträgen und als Mitglied der ersten LEO-Jury seine Spuren hinterlassen.

Bretzke studierte Ende der 1960er Jahre an der Universität Köln Betriebswirtschaftslehre und promovierte 1975 zum Prognoseproblem bei der Unternehmungsbewertung. Er hat auf Führungsebene bei logistischen Dienstleistungsunternehmen gearbeitet und in den 1990er Jahren ein eigenes Beratungsunternehmen aufgebaut. Einer seiner Grundsätze dabei war, vor allem bei Projektbeginn mehr zuzuhören als selbst zu reden. Zudem hatte er von 1996 bis 2000 den Lehrstuhl für Verkehrsbetriebslehre und Logistik am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Duisburg inne.

Der in der ganzen Logistik-Community hochgeschätzte Branchenkenner hatte zudem eine poetische Ader. Außer zahlreichen Fachpublikationen hat er 2015 und 2017 zwei Gedichtbände veröffentlicht.

Wolf-Rüdiger Bretzke ist am 23. Dezember 2022 im Alter von 78 Jahren gestorben.

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