Hermes-Managerin: „Niemand sollte irgendeine Quote erfüllen müssen“

Logistik statt Immobilien: Durch einen Glücksfall hat Jasmin Stanislawski ihren Weg in die Logistikbranche gefunden. Im DVZ-Interview spricht sie sich für mehr Mut und Diversität in der Branche aus.

Logistik statt Immobilien: Durch einen Glücksfall hat Jasmin Stanislawski ihren Traumjob gefunden. (Foto: Zoran Leban)

Logistik statt Immobilien: Durch einen Glücksfall hat Jasmin Stanislawski ihren Weg in die Logistikbranche gefunden. Im DVZ-Interview spricht sie sich für mehr Mut und Diversität in der Branche aus.

DVZ: Frau Stanislawski, Sie sind seit März 2021 Area Managerin bei Hermes Germany in Hannover. Wollten Sie schon immer in der Logistik arbeiten?

Jasmin Stanislawski: Meine Eltern kommen aus der Immobilienbranche. Eigentlich war der Plan, dass ich auch diesen Weg einschlage. Ich hatte sogar schon einen unterschriebenen Ausbildungsvertrag, als sich plötzlich noch eine Spedition auf meine Bewerbung gemeldet hat. Vor dem Bewerbungsgespräch habe ich in einem Durchgangsbereich zwischen Büros und Halle gewartet und das Treiben dort fasziniert wie beim Tennis verfolgt. Ich sehe mich selbst eher als extrovertierten und lauten Menschen, diese Dynamik und Lösungsorientiertheit hat mich sofort begeistert; vor allem, dass man immer mit einem Grinsen und einem flotten Spruch von A nach B läuft. In den Immobilienunternehmen hatte man fast das Gefühl, auf den Fluren flüstern zu müssen. So war die Entscheidung dann schnell getroffen, auch wenn meine Eltern anfangs gar nicht begeistert waren...

Waren Ihnen die Geschlechterverhältnisse in der Branche damals schon bewusst?

Ja, ich habe das wahrgenommen. Schon während der Ausbildung war ich die einzige Frau in diesem Jahrgang. Im ersten Moment war ich wirklich überrascht: Ich hatte mich auf mehrere Ausbildungsstellen beworben und vorab gar nichts von dem entsprechenden Ruf der Branche mitbekommen – und mir hat es dort extrem gut gefallen. Ich glaube aber, dass dieses „klassische Rollenmodell“ noch immer dazu beiträgt, dass viele Frauen zum Beispiel eher im Marketing unterwegs sind.

Wie geht Hermes mit dem Thema um?

Gerade auf Führungsebene ist auf jeden Fall noch Luft nach oben. Wir haben uns hier in den letzten Jahren aber schon positiv in die richtige Richtung entwickelt und haben ambitionierte Ziele, die wir konsequent verfolgen. Für mich persönlich ist es egal, ob Männlein oder Weiblein, solange die Qualifikationen beziehungsweise in erster Linie die Menschen selbst zu uns passen.

Welche Chancen bietet mehr Diversität in Unternehmen?

Diversität ist die Zukunft. Ich glaube fest daran, dass durchmischte Teams ein Unternehmen leistungsstärker machen und helfen, alle Aspekte mitzudenken. Von daher schätze ich meine männlichen Kollegen und generell unsere bunte Truppe sehr, weil sie mich perfekt ergänzen und mir andere Seiten aufzeigen.

In der Interviewserie „Frauen in der Logistik“ werden regelmäßig Mitarbeiterinnen von Hermes Germany vorgestellt. Warum?

Wir wollen Frauen von der Staplerfahrerin bis zur Area Managerin sichtbarer und vor allem nahbarer machen. Es fehlt oft noch an weiblichen Role Models und dem Bewusstsein, dass Logistik nicht nur Männerdomäne ist. Da gibt es auch super viele Frauen, die einen ganz tollen Job machen.

Fehlt es der Logistik denn an weiblichen Vorbildern oder deren öffentlicher Sichtbarkeit?

In vielen Logistikzeitungen und Fachgesprächen sind in der Tat oft grauhaarige Männer zu sehen. Durch Interviews wie dieses hier können wir aber zeigen, dass sich die Branche gerade in eine sehr schöne Richtung entwickelt. Ich glaube, dass diese kleinen Einblicke und „greifbaren“ Gesichter helfen, die vielfältige Welt der Logistik in der Öffentlichkeit noch transparenter zu machen.

Jasmin Stanislawski

Die 39-Jährige ist seit März 2021 Area Managerin bei Hermes Germany in Hannover. Ihre Karriere in der Logistik begann sie 2005 mit einer Ausbildung zur Kauffrau für Spedition und Logistikdienstleistung bei der IGS Schreiner GmbH. Im Anschluss folgte ein Studium im Bereich Sozialökonomie an der Universität Hamburg. In ihrer Freizeit fährt sie gern Motorrad, um den Kopf freizubekommen und die schönen Landschaften Deutschlands zu erkunden, zudem ist sie im Vielseitigkeitssport aktiv.

Was muss noch passieren, um mehr Frauen für die Logistik zu begeistern?

Zum Beispiel könnte mehr Präsenz an Schulen und auf Messen gezeigt werden. Wir arbeiten auch schon mit unserer HR-Abteilung daran, zum Beispiel Stellenanzeigen anders zu formulieren und diverseres Bildmaterial zu verwenden.

Ist ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis in Branchen wie der Logistik überhaupt erstrebenswert?

Ich denke, das hängt auch davon ab, welche körperlichen Voraussetzungen gebraucht werden. Beispielsweise wenn es darum geht, schwere Dinge zu tragen. Grundsätzlich glaube ich, dass niemand gezwungen sein sollte, irgendeine Quote zu erfüllen. Jeder Mensch sollte beruflich das machen, was das eigene Herz glücklich macht und einen mit Freude und Leidenschaft erfüllt, nur so kann man den Job auch wirklich gut machen.

Das stereotypische Vorurteil lautet: Männer sind logisch, Frauen sind emotional. Was sagen Sie dazu?

Ich glaube, dass Frauen den Vorteil haben, sowohl rational als auch emotional zu sein. Ich bin bei Hermes Germany neben neun männlichen Kollegen die einzige Area Managerin. Wenn ich mich mit meinen Kollegen über bestimmte zwischenmenschliche Wahrnehmungen und Empfindungen austauschen möchte, fällt ihnen das manchmal durchaus gar nicht so leicht, während sie über Dinge wie KPIs reden können wie ein Wasserfall.

Nun ist es ja so, dass es der Logistik nicht nur an Frauen, sondern generell an Fach- und Nachwuchskräften mangelt. Woran liegt das?

Den Mangel an Fach- und Nachwuchskräften spüren wir natürlich auch bei Hermes Germany. Da ich selbst die Branche als so abwechslungsreich und dynamisch erlebe, kann ich manchmal gar nicht verstehen, warum Logistik teilweise so uninteressant zu sein scheint. Wenn ich auf meinen bisherigen Werdegang zurückblicke, habe ich immer die Möglichkeit bekommen, mich weiterzuentwickeln und neue Schnittstellen und Prozesse kennenzulernen – unabhängig davon, ob ich Mann oder Frau bin. Von daher sind Aspekte wie Weiterentwicklung bei uns vielleicht sogar deutlich mehr gegeben als in anderen Branchen. Manchmal braucht es nur eine Person, die an einen glaubt.

Also ist vor allem die Unternehmenskultur entscheidend?

Genau. Zum Beispiel, indem Raum für einen offenen und ehrlichen Austausch geschaffen oder die Möglichkeit geboten wird, in andere Unternehmensbereiche und Standorte reinzuschnuppern. Viele Mitarbeitende müssen auch Beruf und Kinderbetreuung gleichzeitig managen, da geht es dann um Dinge wie flexible Arbeitszeiten und Homeoffice-Möglichkeiten – gerade für viele Frauen und Mütter ist das ein entscheidender Aspekt. Solche individuellen Bedürfnisse versuchen wir dann auch zu berücksichtigen. Manchmal braucht es aber einfach das Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein. Wenn man sich wohlfühlt, ist es egal, ob jemand Mann oder Frau, klein oder groß, dick oder dünn, hell- oder dunkelhäutig ist.

Haben Sie einen Tipp für junge Frauen, die gerne in der Logistik arbeiten würden, aber noch unsicher sind?

Unbedingt ausprobieren! Den Mut haben, einfach mal ein paar Bewerbungen an verschiedene Unternehmen und Branchen loszuschicken, sich einladen zu lassen und zu schauen, wie die Stimmung und die Menschen vor Ort auf einen wirken. Hätte ich diesen Glücksfall damals nicht erlebt, wäre ich auch niemals in die Logistikbranche gegangen. Vielleicht ergeht es anderen ja auch so wie mir.

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