Mustafa Tonguc: Vom Nebenjob ins Top-Management

Der Manager ist seit Juni Chef von DHL Express Deutschland. Ohne Schulabschluss hat er sich in knapp 27 Jahren vom Operations Agent nach oben gearbeitet.

Mustafa Tonguc leitet seit Juni DHL Express Deutschland. (Foto: DHL Group)

Mustafa Tonguc kennt das Geschäft der Expresslogistik von der Pike auf. Noch als Schüler, mit gerade 18 Jahren, begann „Musti“, wie er von Kollegen genannt wird, einen Wochenendjob im Hub von DHL am Frankfurter Flughafen. Dort schuftete er in der Nachtschicht, um sein eigenes Geld zu verdienen. „Montagmorgens zur Schule zu gehen war manchmal schon schwierig, wenn ich erst um 5 Uhr wieder zu Hause war“, erinnert sich der heute 45-Jährige. Pakete sortieren, Sendungen scannen sowie Container ent- und beladen prägten seine Tätigkeit als Operations Agent. Heute kennt er das nur noch von seinen Besuchen in den Stationen vor Ort. Seit Juni dieses Jahres leitet Tonguc mit Deutschland die nach Umsatz fünftgrößte Landesorganisation von DHL Express mit rund 5.000 Beschäftigten.

Auf seinem Weg dorthin hat er sich peu à peu hochgearbeitet. Sein erster Vorgesetzter fragte ihn nach kurzer Zeit, ob er nicht Vollzeit arbeiten wolle, da er doch ein „fleißiger und intelligenter“ junger Mann sei. Für diesen ersten Karriereschritt hat Tonguc damals – kurz vor Abschluss seines Fachabiturs – die Schule geschmissen. „Meine Mutter war nicht begeistert und wollte, dass ich die Schule zu Ende bringe“, gesteht er. Als Nächstes wurde er Gefahrgutbeauftragter und später Schichtleiter in Frankfurt. In den rund zehn Jahren am Hub arbeitete er überwiegend nachts. „Da habe ich gelernt, dass ich raus aus meiner Komfortzone muss, wenn ich Karriere machen will.“

Persönlicher Kontakt „in die Fläche“

„Neben viel Einsatz und Arbeit hatte ich auch großes Glück und wurde von meinen Chefs gefördert“, sagt er rückblickend und ergänzt: „Ich würde niemandem raten, leichtfertig die Schule aufzugeben.“ Durch seine Neugierde habe er sich stets selbst weiterentwickelt. Nach Feierabend ist er zu seinen Kollegen in die Versandabteilung oder die Verzollung gegangen, um deren Arbeitsabläufe zu verstehen.

Mit dem Aufbau des DHL-Hubs in Leipzig folgte 2008 der entscheidende Schritt in seiner Karriere und eine „Riesenchance“, so Tonguc. Er betreute die Einführung eines damals neuen Quality Control Centers für Europa und schulte Kollegen. Damit endete für ihn auch die Zeit der ständigen Nachtarbeit. „Leipzig war zu der Zeit für den Konzern eines der wichtigsten Projekte global, und ich bin sehr stolz, dass ich beim Aufbau dabei sein konnte“, berichtet er.

Auch auf seine jüngste Station blickt er mit Freude zurück. In der Türkei, dem Heimatland seiner Eltern, baute er von 2014 an das gesamte Netzwerk von DHL wie Distributionszentren und Büros neu auf. Zunächst verantwortete er das operative Geschäft in dem Land, später zudem den Verkauf, und zuletzt war er zwei Jahre Chef der türkischen Landesorganisation. „Obwohl ich in Deutschland geboren und aufgewachsen bin, habe ich mich als Jugendlicher – auch aus Trotz – immer selbst als Türke gesehen. Als ich dann in dem Land gelebt habe, habe ich erst gemerkt, wie deutsch ich in meiner Arbeitsmoral und Disziplin bin“, so der gebürtige Hesse.

Obwohl er nach eigener Aussage heute sehr viel strategischer und mehr am Schreibtisch arbeitet, versucht er, mindestens einen Standort in der Woche zu besuchen, um die Beschäftigten vor Ort „in der Fläche“ kennenzulernen und sich direkt auszutauschen. „Mir ist wichtig, den Kollegen Wertschätzung für ihre Arbeit entgegenzubringen, sie zu motivieren und zu sehen, welche operativen Abläufe wir verbessern können.“

Als eine seiner ersten Amtshandlungen als Deutschland-Chef hat Tonguc die Struktur regelmäßiger Meetings geändert, um mehr Führungskräfte als bisher direkt in die Kommunikation einzubinden und um möglichst viele Kollegen persönlich sprechen zu können, erzählt er. „Das war eine der wichtigsten Entscheidungen für mich bisher, denn ich möchte, dass die Leute gut informiert sind und sich mitgenommen fühlen.“

„Logistik ist eine starke Branche“

Priorität hat für ihn auch, die Motivation der Beschäftigten zu steigern. Aus der Türkei bringt er dafür die nötige Erfahrung mit, denn dort war die Mitarbeiterzufriedenheit höher als hierzulande. Zudem gehe es in Zeiten steigender Lohnkosten und der Inflation darum, die Prozesse zu optimieren und damit die Produktivität zu erhöhen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Kommendes Jahr steht zudem die Inbetriebnahme eines neuen Terminals am Flughafen München an, das die Kapazität am Standort vervielfachen wird, kündigt er an.

Den aktuellen wirtschaftlichen Abschwung sieht er entspannt: „Diese konjunkturellen Wellen wird es immer wieder geben, und es ist nichts, was ich zum ersten Mal sehe. Die Logistik ist eine starke Branche und wird weiter wachsen“, ist er sich sicher. Schließlich sei der Sektor viel mehr als nur der Transport von Waren, er sichere den Lebensalltag. Diese wichtige Funktion der Logistik begeistere ihn, in der Branche zu arbeiten.

Auf die Frage nach seinen nächsten Karriereschritten reagiert er diplomatisch: „Mein Fokus ist erst mal dieser Job, und in den nächsten Jahren habe ich hier viel zu tun mit meinem Team.“ Am liebsten möchte Tonguc in zehn Jahren – mit 55 – aufhören und sein Leben mit freier Zeit genießen. „Das wäre mein Traum, und dafür arbeite ich jetzt umso härter.“

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