Ein Auftritt, der Fragen aufwirft

Zweifelsohne wollte der Bundesverkehrsminister mit seinem Auftritt bei der Bilanzpressekonferenz der Deutschen Bahn ein Zeichen setzen. Doch ob er damit die Weichen tatsächlich neu stellt, bleibt noch abzuwarten.

Einen Überraschungsgast gibt es bei Konzerten. Oder bei TV-Shows. Eher unüblich ist ein Überraschungsgast bei Bilanz-Pressekonferenzen. Dass Bundesverkehrsminister Volker Wissing bei der Bilanz-Pk der DB auftauchte, damit hatten offenbar selbst die Bahnverantwortlichen nicht gerechnet. Die vorgefertigten Reden jedenfalls, die der DB-Vorstandsvorsitzende Richard Lutz und sein Finanzvorstand Levin Holle normalerweise halten, waren alle bereits geschrieben. Nur vortragen, das war den beiden Bahnchefs aufgrund des halbstündigen Auftritts von Wissing zusammen mit Lutz bei der Pk aus Zeitgründen nicht mehr möglich.

Warum dieser ungewöhnliche Auftritt? Zum einen dürfte der FDP-Politiker damit signalisieren wollen, wer bei der DB das Sagen hat: er, der Bundesverkehrsminister, als Vertreter des Eigentümers. Wissing hatte ja schon mehrfach angedeutet, dass er sich stärker einbringen will bei der DB. So wird gemunkelt, dass DB-Aufsichtsratschef Michael Odenwald im Juni 2022 deshalb sein Amt niedergelegt habe, weil Wissing sich eingemischt und Kontrollaufgaben an sich gerissen habe, die genauso gut der Aufsichtsrat hätte übernehmen können.

Ein zweiter Grund: Wissing wollte die zwei Tage zuvor gefassten Beschlüsse des Koalitionsausschusses nochmals an prominenter Stelle präsentieren. In dem Papier sind ja in der Tat einige Maßnahmen enthalten, die auf ein positives Echo in der Bahnbranche gestoßen sind: mehr Geld für das Schienennetz, Ausbau von Terminals und Umschlageinrichtungen für den Schienengüterverkehr, Planungsbeschleunigung bei den Bauvorhaben und nicht zu vergessen: eine kräftige Erhöhung der Lkw-Maut. Nicht nur, dass diese Gelder zum großen Teil in Investitionen für die Schiene fließen sollen. Die Verteuerung wird auch dazu führen, dass die Schiene preislich wettbewerbsfähiger wird im Vergleich zur Straße.

Wissing wollte die Bilanz-Pk womöglich auch dazu nutzen, um sein Image als Auto-Minister, an dem er selber kräftig mitgewirkt hat, zumindest ein wenig zu korrigieren. „Seht her, ich mache doch einiges für die Schiene. Ich bringe den Konzern auf Vordermann“, so die Botschaft. Aber der Minister hatte sich ja nicht nur kräftig für die Straße ins Zeug gelegt. Er hatte mit einigen Aussagen die Schienengüterverkehrsbranche auf die Palme gebracht. Ein aus ihrer Sicht negativer Höhepunkt war die Langfrist-Verkehrsprognose aus seinem Hause, nach der die Schiene bis 2051 bei Modal Split sogar an Bedeutung verliert. Diesem Eindruck, er sei der Schiene nicht wohlgesonnen, wollte er entgegentreten. Deshalb auch seine Aussage in der Pk, dass der Beschluss der Koalition "ein klares Bekenntnis zur Schiene" sei.

Aber sicherlich kann man darüber streiten, ob das die feine Art ist, sich einfach so in eine Bilanz-Pk reinzudrängen. Ob Lutz und Holle davon angetan waren? Wie dem auch sei, es wirft ein bezeichnendes Licht auf Wissing. Er verfolgt seine Ziele eisern. Auf die Befindlichkeiten anderer nimmt er dabei längst nicht immer Rücksicht. Dazu passt, was die Süddeutsche jüngst über den Minister geschrieben hat: „Selbstzweifel plagen Volker Wissing selten. Er neigt eher dazu, ein Abweichen von seiner Analyse für Realitätsverweigerung zu halten.“

Bleibt die Frage, wie Wissing zukünftig mit der Bahn umgeht, wenn es darum geht: Straße oder Schiene? War diese Zustimmung nur ein kurzes Aufflackern? Oder folgen diesem Bekenntnis weitere Taten? Jedenfalls kann man sich fast sicher sein: Das war nicht die letzte Überraschung, für die Wissing sorgen wird.

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