Ein Jahr Krieg: Schreckensbilanz, Resilienz und Blick nach vorn

Russland führt nun schon 365 Tage einen brutalen Krieg gegen die Ukraine. Zu dem furchtbaren menschlichen Leid kommen riesige ökonomische Verluste, vor allem in der Ukraine, aber auch weltweit. Eine Bestandsaufnahme zum Jahrestag der völkerrechtswidrigen Invasion.

Diese Woche stand einmal mehr im Zeichen des Ukraine-Krieges, der heute vor einem Jahr begann. Die Schreckensbilanz: Viele Zehntausende getötete Soldaten und Zivilisten, Millionen Flüchtlinge, deportierte Kinder, unzählige Kriegsverbrechen, systematische Zerstörung von Infrastruktur, Städten und Dörfern sowie ein minenverseuchtes Land. Und trotzdem: Die Ukraine existiert – und verteidigt tapfer weiter ihre Freiheit, Souveränität und Demokratie.

Zu dem furchtbaren menschlichen Leid kommen riesige ökonomische Verluste, vor allem in der Ukraine, aber auch weltweit – durch Kostenschocks, Inflation und Unsicherheit. Dazu nur eine Zahl: Der russische Angriffskrieg hat im ersten Jahr etwa 1,6 Billionen US-Dollar an globaler Wertschöpfung gekostet, wie das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) berechnet hat.

Immerhin: Aktuell sieht es besser aus, als viele im Herbst befürchtet hatten. Der Welthandel sowie die Konjunktur in den fortgeschrittenen Volkswirtschaften zeigen sich resilient. Das gilt allerdings auch für die russische Wirtschaft, die bisher nicht in die Knie gezwungen werden konnte. Nach den jüngsten Schätzungen des Internationalen Währungsfonds schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr nur um 2,2 Prozent – und das trotz der laut Open-Sanctions-Datenbank von Correctiv mehr als 14.500 aktiven Sanktionen gegen russische Unternehmen, Institutionen oder Einzelpersonen.

Geschäftsklima verbessert sich

Deutschland ist es vorerst gelungen, eine Gasmangellage abzuwenden. Die deutsche Industrieproduktion wurde im Februar zum ersten Mal seit neun Monaten wieder ausgeweitet, wenn auch hauptsächlich wegen der besseren Materialverfügbarkeit, wie die Umfragen für den Einkaufsmanagerindex (EMI) ergeben haben. Und das Geschäftsklima im Sektor Lagerei und Spedition sowie in der Industrie hat sich laut Ifo Institut den vierten Monat in Folge verbessert.

Nun zum schwierigsten Teil, dem Blick nach vorn. Auch hier machen die Frühindikatoren etwas Hoffnung. Zwar hält sich der Optimismus angesichts der Nachfrageflaute noch in Grenzen. Aber die Auftragsbestände der Industrie sind nach wie vor hoch. Zudem erwarten die Ifo-Forscher, dass die Inflation nicht auf dem aktuell hohen Niveau bleiben wird. IW-Experte Michael Grömling sieht aber noch keinen Grund zur Entwarnung. Seinen Modellrechnungen zufolge könnten sich die globalen Produktionsausfälle infolge des Krieges 2023 auf rund 1 Billion Dollar belaufen.

Unsicherheit bleibt

Und wird der Krieg in einem Jahr immer noch andauern? Diese Frage stellte die Moderatorin der ZDF-Sendung „Maybrit Illner“ gestern Abend Olaf Scholz. „Das ist eine meiner größten Sorgen, dass das ein sehr lange sich hinziehender Krieg wird“, antwortete der Bundeskanzler. Leider deutet in der Tat noch vieles auf eine lange Konfrontation mit Russland hin, ganz zu schweigen von dem Risiko eines Konflikts zwischen dem Westen und China.

Das Reich der Mitte hat Putins Angriffskrieg bis heute nicht als völkerrechtswidrige Invasion verurteilt. Erst gestern wieder enthielt sich China – wie übrigens auch die G20-Staaten Indien und Südafrika – bei der Abstimmung in der UN-Vollversammlung für eine neue Resolution gegen Russlands Krieg, für die 141 der 193 Mitgliedsstaaten des Gremiums der Vereinten Nationen stimmten. Auch für die globalen Lieferketten dürfte das Verhalten Chinas das Top-Risiko schlechthin bleiben. Sicher ist damit einmal mehr nur die Unsicherheit.

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