Derzeit unlösbares Dilemma: Kabotagekontrollen versus Kapazitätsknappheit

Kabotage wird stärker kontrolliert. Das hilft dem deutschen Gewerbe und führt zu faireren Wettbewerbsbedingungen. Aber dadurch wird auch dringend benötigte Kapazität vom Markt genommen, kommentiert der stellvertretende DVZ-Chefredakteur Lutz Lauenroth.

Die Zahlen sind auf den ersten Blick erfreulich: 2021 wurden bei Schwerpunktkontrollen mehr als dreimal so viele Lkw auf die Einhaltung der Kabotageregeln überprüft wie 2020, die Summe der verhängten Bußgelder hat sich fast verdoppelt. Und auch die Beanstandungsrate – die nicht repräsentativ ist, da ja speziell in vermuteten oder bekannten Kabotage-Hotspots kontrolliert wurde – ist gesunken; von etwa 7 auf rund 5 Prozent der auf Kabotage kontrollierten Lkw. So hat die Freude von BAG-Vizepräsident Christian Hoffmann durchaus ihre Berechtigung.

Doch genauso wichtig wie die abschreckende Wirkung in den Hotspots ist die gestiegene Zahl der den Schwerpunktkontrollen nachgelagerten Prüfungen – auch bei Auftraggebern. Denn hier liegt eine Wurzel des Übels: Jede illegale Kabotagefahrt hat auch einen Auftraggeber.

Im vergangenen Jahr gab es gemäß offizieller Mautstatistik gut 800 Millionen mautpflichtige Fahrten auf Autobahnen und Bundesstraßen; über 95 Millionen davon entfielen auf osteuropäische Lkw. 18.000 wurden 2021 bei den Schwerpunktkontrollen überprüft, weitere 70.000 bei Betriebskontrollen. Bei aller Ungenauigkeit dieser Zahlen – sie verdeutlichen, was für eine Herkulesaufgabe das für das BAG ist.

Doch ohnehin freut sich angesichts der aktuellen Lage im Güterverkehr nicht jeder über die BAG-Erfolge in Sachen Kabotage. Seit Monaten übersteigt die Nachfrage nach Lkw-Laderaum das Angebot bei weitem, wie das Timocom-Transportbarometer als Gradmesser zeigt. Die Auswirkungen der verschärften Regelungen des EU-Mobilitätspakets in Sachen Rückkehrpflicht von Fahrern und Lkw haben sich noch nicht einmal voll entfaltet.

Und die aktuellen Diskussionen um den Zustand der Güterbahn lassen die Alarmglocken noch lauter läuten. Es ist schon ein markantes Zeichen, wenn eine große, sehr straßenaffine Speditionskooperation wie Elvis davor warnt, dass bei weiteren Kapazitätsausfällen auf der Schiene Gütertransporte auf die Straße verlagert werden. Angst vor Aufträgen quasi.

Die fehlende Lkw-Kapazität in Deutschland haben allerdings die Auftraggeber zu großen Teilen selbst verschuldet. Vielen von ihnen ging es über Jahre nur um billigen Transport, der nur mit billigen Fahrern möglich ist. Der Fahrerberuf in Deutschland wurde immer unattraktiver, viele kleine deutsche Transportunternehmen mit hierzulande üblichen Kostenstrukturen wurden und werden weiter aus dem Markt gedrängt. Jetzt rächt sich das. Auf die Schnelle lassen sich weder die benötigten Fahrer rekrutieren noch neue Unternehmen aufbauen.

Die Politik – und damit das nachgeordnete BAG – steckt in einem Dilemma: Mit dem gewünschten Erfolg der verschärften Kontrollen von ausländischen Lkw auf Einhaltung der Regeln werden die Kapazitäten weiter verknappt – mit den bekannten Problemen von Lieferkettenstörungen und Preissteigerungen. Das ist so gar nicht im Sinne von Auftraggebern und Endverbrauchern.

Werden aber die Kabotagetransporte nicht weiter und möglichst noch mehr kontrolliert, handeln Politik und BAG gegen die Interessen des deutschen Transportgewerbes. Und locken angesichts der attraktiver werdenden Frachten möglicherweise auch wieder mehr illegale Kabotage an.

Die Quadratur des Kreises ist wahrscheinlicher als eine schnelle Lösung der Kabotagethematik.

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