Resilienz: Viele Ökonomen befürworten Nearshoring und Lagerhaltung

Mehr Bezugsquellen, verstärkte Beschaffung aus EU-Ländern und höhere Bestände: So vor allem ließen sich Volkswirten zufolge die Lieferketten deutscher Firmen widerstandsfähiger machen. Die Mehrheit ist zudem dafür, die Handelsbeziehungen mit Autokratien einzuschränken.

Rund die Hälfte der befragten Ökonomen spricht sich für eine erhöhte Lagerhaltung aus. (Foto: RossHelen/iStock)

Mehr Bezugsquellen, verstärkte Beschaffung aus anderen EU-Ländern und höhere Bestände: So vor allem ließen sich Volkswirten zufolge die Lieferketten deutscher Firmen widerstandsfähiger machen. Das hat der Ökonomenpanel des Ifo Instituts und der „F.A.Z.“ ergeben, der sich den globalen Lieferketten und dem Handel mit Autokratien widmet. An der Umfrage vom 24. bis zum 31. Mai nahmen 158 Wirtschaftsprofessoren von deutschen Universitäten teil, wobei nicht alle Teilnehmer jede Frage beantwortet haben.

Demnach ist die internationale Diversifizierung unter den Ökonomen die beliebteste Maßnahme, um die Resilienz von Lieferketten zu stärken (88 Prozent). Dahinter folgen das sogenannte Nearshoring mit 64 Prozent und die erhöhte Lagerhaltung, für die sich 49 Prozent aussprechen. Ein gutes Drittel (35 Prozent) plädiert für die bessere Überwachung von Lieferketten. Weitere 27 Prozent sind für mehr Beschaffung auf dem Heimatmarkt Deutschland und 26 Prozent für die Wiedereingliederung von ausgelagerten Prozessen ins Unternehmen.

Viele Ökonomen fordern laut Ifo Institut, dass sich die Bundesregierung bei wirtschaftspolitischen Maßnahmen zur Stärkung der Resilienz deutscher Lieferketten zurückhalten solle. Es sei Aufgabe der Unternehmen, über ihre Bezugsquellen und Abnehmer zu entscheiden. Wenn ein Eingreifen der Bundesregierung gefordert wird, bezieht sich dies vor allem auf den Energiemarkt. Viele Ökonomen sehen es als Aufgabe des Staates, die Versorgungssicherheit mit Energieträgern, aber auch mit Produkten im Bereich öffentliche Gesundheit zu gewährleisten.

Einige Teilnehmende befürworten die konsequente CO₂-Bepreisung bei Herstellung und Transport von Waren und Dienstleistung. Außerdem wird gefordert, dass die EU weitere Handelsabkommen abschließen und nicht tarifäre Barrieren senken solle, damit Unternehmen Anreize für eine verstärkte Diversifizierung ihrer Bezugsquellen und Abnehmer haben. Es gibt auch Stimmen, die sich für einen stärkeren Einsatz der Bundesregierung für mehr Vorratshaltung auf europäischer Ebene einsetzen, um die Resilienz deutscher Lieferketten zu stärken, wie es in der Auswertung weiter heißt.

Gleichzeitig sind 57 Prozent der Meinung, dass die deutsche Außenwirtschaftspolitik die Handelsbeziehungen mit Autokratien einschränken sollte. Der Handel mit ihnen berge große geopolitische Risiken und es habe sich gezeigt, dass Autokratien oftmals keine verlässlichen Handelspartner seien. Außerdem habe Deutschland eine Verantwortung, die Menschenrechte zu wahren – auch über seine Landesgrenzen hinweg. 36 Prozent wollen hingegen keine Einschränkungen des Handels mit Autokratien. Autokratien könnten ohne Handel noch abgeschotteter und gefährlicher werden. 

 

Die Befragten des Ökonomenpanels befürchten allerdings auch, dass das zum 1. Januar 2023 in Kraft tretende Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) das Auslandsgeschäft für deutsche Unternehmen erschweren wird. Sie begründen das mit dem erhöhten bürokratischen Aufwand für Unternehmen und der Schwierigkeit, die im Gesetz geforderten Informationen zu beschaffen. Zudem bestehe das Risiko, dass die Firmen ihre Vorprodukte von einer geringeren Anzahl an Lieferanten beziehen müssen als bisher. Lediglich 15 Prozent sind der Meinung, dass das Auslandsgeschäft für betroffene Unternehmen durch das Gesetz nicht erschwert werde. Die Reputationsgewinne für Unternehmen seien höher als die zusätzlichen Kosten und es sei noch unklar, wie stark das Gesetz durchgesetzt werde. (cs)

Dieser Artikel ist erstmals am 7. Juni 2022 auf DVZ.de erschienen. Wir wiederholen den Beitrag anlässlich des Deutschen Logistik-Kongresses in Berlin.

Sorgfaltspflichten in der Lieferkette

Was bedeutet die Einführung von Lieferkettensorgfaltspflichten auf nationaler und europäischer Ebene für Unternehmen und insbesondere für den Wirtschaftsbereich Logistik? Wie setzen Verantwortliche die Anforderungen um? Welche Pflichten kommen durch die EU-Richtlinie zusätzlich auf Unternehmen zu? Welche Chancen verbinden sich mit dem Thema, und wie gewinnen Unternehmen Rechtssicherheit? In der Sequenz „Gute Lieferketten – (wie) hilft die Gesetzgebung zu den Lieferkettensorgfaltspflichten?“ können die Kongressbesucher am Donnerstagmorgen ihren Blick für die Anforderungen des LkSG und der EU-Lieferkettenrichtlinie schärfen.

 

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