Unternehmen sollten klüger globalisieren

Die Automobilindustrie muss die Folgen der Corona-Krise bewältigen und zugleich den Strukturwandel gestalten. Für die Transformation der Branche sind große Investitionen notwendig. Experten warnen vor einer Verkürzung der Lieferketten.

Beim Forum Automobillogistik diskutierten (v.l.o.) Jürgen Eder (BMW), Arne Flemming (Robert Bosch), Joachim Damasky (VDA, Moderation) Marcel Fratzscher (DIW) und Andrea Eck (BLG) über Perspektiven in der Krise und die Transformation der Branche. Screenshot: Kümmerlen

Die Krise bewältigen und zugleich den Strukturwandel gestalten, vor dieser Herausforderung steht die Wirtschaft allgemein und die Automobilbranche im Besonderen. Dazu gehören die großen Themenfelder Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Digitalisierung, wie gestern das Forum Automobillogistik einmal mehr zeigte. „Für die langfristige Transformation brauchen wir eine massive Investitionsinitiative, sowohl im privatwirtschaftlichen als auch im öffentlichen Bereich“, sagt Prof. Marcel Fratzscher, Präsident Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Diese sei notwendig, um beispielsweise neue Energienetze sowie digitale und physische Infrastruktur für den Verkehr aufzubauen.

Die derzeitige Verschuldung mache es Unternehmen allerdings schwer zu investieren. Immerhin blieben die Finanzierungsbedingungen günstig, da dauerhaft mit niedrigen Zinsen zu rechnen sei. Zudem müsse die Rolle Europas gestärkt werden, um im globalen Systemwettbewerb mit China und den USA zu bestehen. Fratzscher hält es für dringend notwendig, ein Investitionsabkommen mit den USA zu schließen.

Risiken breiter streuen

Die Reaktion auf den Protektionismus der großen Wirtschaftsmächte dürfe nicht Abschottung und eine Verkürzung der Lieferketten sein. „Wir leben von internationalen Lieferketten“, unterstreicht Fratzscher. Vielmehr gehe es darum, die Widerstandsfähigkeit der Lieferketten zu erhöhen. Ein Schlüssel dafür sei, Risiken breiter zu streuen und mit mehr Lieferanten in verschiedenen Ländern zusammenzuarbeiten. „Es ist eine klügere Globalisierung gefragt“, fasst es Fratzscher zusammen.

Hinsichtlich der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung ist der DIW-Präsident zurückhaltend. Er rechnet nicht mit einer schnellen Erholung. „Wir unterschätzen die Risiken im Moment“, betont Fratzscher. Es könne sein, dass die Wirtschaftsleistung 2021 in Deutschland und Europa schrumpft, sollte es zu einer dritten Infektionswelle kommen und die Impfung zu langsam vorankommen.

Die Krise hat allerdings auch einige notwendige Entwicklungen beschleunigt, beispielsweise die Digitalisierung. Für Jürgen Eder, Bereichsleiter Logistik im Produktionsnetzwerk der BMW Group ist wichtig, diese voranzutreiben, um die Transparenz entlang der Lieferketten weiter zu erhöhen. Dabei spielen seiner Einschätzung nach künftig Plattformen eine entscheidende Rolle, denn Unternehmen alleine könnten dies nicht erreichen. Das Ziel müsse sein, in den globalen Netzen schnell und flexibel reagieren zu können.

Datenaustausch intensivieren

Über Transparenz herrschen in der Lieferkette jedoch unterschiedliche Vorstellungen. Das gibt Arne Flemming vom Zulieferer Robert Bosch zu bedenken. Daher hält er es für sinnvoll, wenn die direkten Zulieferer der Hersteller für die Allokation verantwortlich sind. „Transparenz in der Lieferkette muss es nicht nur nach unten geben, sondern auch nach oben“, betont Flemming. Dafür müsse der elektronische Datenaustausch intensiviert werden. „Daten müssen in Echtzeit getauscht werden, um sich an kurzzyklischen Änderungen auszurichten.“ Eine vierundzwanzigmonatige Langfristplanung hält Flemming nicht mehr für zeitgemäß.

Doch Dienstleister benötigen durchaus eine gewisse Planungssicherheit. Das betont Andrea Eck, Mitglied des Vorstands der BLG Logistics Group. „Eine kurz- und mittelfristige Volumenprognose ist notwendig, um sowohl Container für Material als auch Lkw-Transporte bereitzustellen. Die BLG hat dafür ein Bedarfskapazitätsmanagement eingeführt. Die Transparenz will der Dienstleister weiter ausbauen. Ziel ist laut Eck zu wissen, wo sich entweder ein Teil oder ein ganzes Auto, aber ebenso wo sich der Verkehrsträger befindet.

Das zweitägige Forum Automobillogistik wird vom Verband der Automobilindustrie und der Bundesvereinigung Logistik als Videokonferenz organisiert. Angemeldet hatten sich rund 1.000 Teilnehmer.

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