Logistik 4.0 für Quick Service Restaurants

Die Digitalisierung soll große Optimierungspotenziale für die Logistik mitbringen. Doch wie genau sehen die aus? Der Spezial-Logistikdienstleister Meyer QSL hat sich mit einer unternehmensspezifischen Analyse Klarheit verschafft.

Florian Entrich feiert in diesem Jahr sein zehnjähriges Jubiläum bei der QSL. (Foto: QSL)

Die Anforderungen an Logistik-Unternehmen werden immer größer. Der Kostendruck steigt. Andererseits wird die Welt bekanntlich globalisierter und komplexer. Die Pandemie führt  eindrucksvoll vor, wie schwer es ist, Nachfrage exakt zu kalkulieren und Lieferketten zu überschauen. Da erscheinen vielen Logistikern verständlicherweise die Verlockungen neuer technischer Lösungen groß. Nichts scheint mehr unmöglich: Voll automatisierte Lager, fahrerlose Lkw oder smarte Container mit eingebauter Sensorik sind nur einige Kandidaten auf einer langen Liste neuer Lösungen. Sogar unterirdische, schienengestützte Transportsysteme, sogenannte Tube-Systeme, könnten künftig den Straßenverkehr in Innenstädten entlasten.

Zukunfts-Check mit wissenschaftlicher Expertise

Einige dieser Technologien dürften momentan fernab des Alltags der meisten Logistikdienstleister in der Systemgastronomie liegen. Hier finden sich viele kleine und mittlere Unternehmen. Doch auch wir bei der QSL haben uns gefragt, wie weit wir mit der Digitalisierung und Automatisierung von Prozessen gehen wollen. Denn einerseits sind diese in der Logistik starke Wachstumstreiber. Andererseits bedingt der Einsatz neuer Technik oft große Investitionen. Das erfordert eine sorgfältige Kosten-Nutzen-Analyse. Deshalb haben wir einen starken Partner an die Seite geholt: Prof. Michael Huth und sein Team vom Fachbereich Wirtschaft der Hochschule Fulda haben im Rahmen einer Studie Digitalisierungs- und Automatisierungspotenziale in unserem Unternehmen untersucht. Die Ergebnisse sind aufschlussreich – und sicher auch auf viele kleine und mittlere Unternehmen im Bereich Systemgastronomie und darüber hinaus anwendbar.

Zunächst galt es, die Ausgangslage zu erfassen. Wir sind ein familiengeführtes, mittelständisches Unternehmen und bieten ein One-Stop-Shop-System und übernehmen individuell an den Kunden angepasste Supply Chains – vom operativen Einkauf über den Customer Service und Lagerung bis zur Auslieferung zum Point of Sale, den Restaurants. Das Unternehmen bewegt sich in einem wettbewerbsintensiven Markt und schlägt hauptsächlich temperaturgeführte Schnelldreher um. Gemeinsam mit der Hochschule Fulda haben wir zunächst Kriterien erarbeitet, die neue Technologien erfüllen müssen. Ganz oben auf der Liste: Kostenreduktion, verbesserte Arbeitsmarktattraktivität und Produktionssteigerung.

Zentrale Prozesse sind bereits digital

Danach wurden kurz-, mittel- und langfristige Einsatzpotenziale identifiziert: Die Studie nennt 21 relevante Techniken – von dreidimensionaler Kameraerfassung über Cloud Logistics und Künstliche Intelligenz bis hin zu Low-Cost-Sensorik. Allerdings sind zentrale Prozesse bereits digitalisiert – am stärksten trifft dies auf den Bestell- und Auslieferungsprozess zu. Bestellt wird digital. Kunden können über einen Helpdesk interagieren, um etwa Korrekturen zu übermitteln. Das spart Zeit und vermeidet menschliche Übertragungsfehler. In der Auslieferung übernimmt eine Software die Routenplanung und dient als digitale Schnittstelle zwischen Standortleitung und Fahrer. Ungewöhnliche Verzögerungen kann die Software selbstständig anzeigen. In den 21 Lagern in Europa sind die Prozesse mitunter deutlich analoger. Ware wird je nach Artikelprofil mit Hilfe einer ausgedruckten Liste oder mit Voice-Systemen gepickt. Lagerung und Umlagerung werden individuell und nach Bedarf durch das Warehouse Management geplant. Somit überrascht es nicht, dass sowohl die befragten Mitarbeiter als auch die Mitglieder des wissenschaftlichen Projektteams die höchsten Digitalisierungs- und Automatisierungspotenziale im Bereich Lagerung ausmachten. Weiteres Verbesserungspotenzial bietet vor allem die Automatisierung von Prozessen – mit einer erwarteten Steigerung der Rentabilität, die mittel- bis langfristig sogar noch weiterwachsen könnte. Große Rentabilitäts- beziehungsweise Flexibilitäts-Potenziale wurden auch im Bereich Analytics, Operations-Research und Low-Cost-Sensorik erkannt.

Wie könnte man diese Erkenntnisse in die Praxis umsetzen? Die Studie prüft zum Beispiel die Einführung automatisierter Lager. Operations-Research und Low-Cost-Sensorik sollten in Form der RFID-Technologie realisiert werden, die auch genutzt werden könnte, Produkte im Wareneingang automatisiert zu erfassen – die manuelle Warenbuchung würde damit entfallen. Eine SWOT-Analyse (Strengths (Stärken), Weaknesses (Schwächen), Opportunities (Chancen) und Threats (Risiken)) zeigt: Durch Reduzierung von Personalkosten, Fehlerkosten im Wareneingang sowie Lagerverwaltung- und Inventurkosten ist ein Return on Investment hier schnell zu erreichen. Jedoch ist die Anwendung von RFID nur dann sinnvoll, wenn mindestens die direkten Lieferanten eines Unternehmens die Technik ebenfalls einsetzen. Denn wenn die Prozesse auf Ladungsträger und Packstücke mit RFID-Tags und solche ohne ausgerichtet sein müssen, führt das zu erheblichem Mehraufwand. Ob sich dieser Umstieg auf RFID aber flächendeckend auf dem wettbewerbsorientierten QSR-Markt umsetzen lässt, ist fraglich. Ein Beispiel zeigt das: Die Etikettierung von Paletten mit Barcodes nach dem GS1-128-Standard setzen viele Marktbegleiter nicht unisono um. Hier hinkt die QSR-Branche anderen – zum Beispiel dem Lebensmitteleinzelhandel - noch deutlich hinterher. Ein Umstand der Logistik dazu bewegen muss, weiterführende Projekte aufzusetzen

Potenzial bei autonomer Be- und Entladung

Komplexer wird es im Bereich Operations-Research: Hier identifizierte die SWOT-Analyse unter anderem Potenzial zur Senkung laufender Kosten und eine erhöhte Effizienz der vorhandenen Infrastruktur. Auf der anderen Seite stehen Schwächen, wie ein vorher nicht oder kaum abschätzbares Potenzial sowie eine aufwändige Modellierung. Im Bereich Automatisierung wurden folgende technischen Möglichkeiten betrachtet: Autonome Fahrzeuge, Automatisierte Be- und Entladung (ATLS), Pick-by-Robot, Augmented/Virtual Reality, Pick-by-Voice sowie 3D-Kameraerfassung. Hier stechen vor allem Pick-by-Voice und ATLS positiv hervor. Beide Ansätze überzeugen mit einem hohen Reifegrad, sind in der Quick Service Industrie anwendbar und verfügen über Potenzial zur Leistungssteigerung. Zur A-Note fehlte hier nur ein noch größeres Potenzial in der Kosteneinsparung sowie ein moderaterer Investitionsbedarf.

Von den verbliebenen technischen Ansätzen sollte man einige nicht aus dem Blick verlieren: Fahrerlose Transportsysteme könnten in der Zukunft ihre hohen Investitionskosten besser rechtfertigen, wenn ihr Reifegrad weiter steigt. Die Studie rät dazu, in einigen Jahren die Möglichkeit eines Pick-by-Robot-Systems sowie von Augmented-Reality-Anwendungen erneut zu prüfen.

Was machen wir daraus?

Aus der Untersuchung lässt sich ein interessantes Fazit ziehen: Digitalisierung und Automatisierung bieten zahlreiche Chancen auch für kleinere und mittlere Unternehmen in der Quick Service Industrie. Jedoch lohnt es sich, genauer hinzuschauen, denn es gibt branchenbedingte Widrigkeiten, wie bereits bei der Standardisierung von Markierungen oder auch Verpackungen zu erkennen ist. Viele Kunden benötigen nach wie vor aufgrund von limitierten Platzangeboten in deren Restaurants genau spezifizierte Kommissionierungen vor Anlieferung. Das beschränkt die Möglichkeiten der Automatisierung.

Betrachtet man zusätzlich die Trends und Entwicklungen im Distributionsbereich versus der untersuchten Möglichkeiten zur Automatisierung in den Lagerprozessen, erkennt man folgendes: Aufgrund von Umweltaspekten, künftigen Kostensteigerungen durch Maut und CO2-Abgaben wird es wichtiger werden, ein breiteres Netzwerk zu entwickeln und weniger in zentrale Standorte mit hohem Automatisierungsgraden zu investieren. Einige der analysierten Technologien bringen hohe Investitionen und eine Amortisationsdauer mit sich, die die Laufzeit vieler Verträge übersteigt. Partnerschaften sowohl mit der Systemgastronomie als auch mit der Wissenschaft könnten Potenziale im Bereich Operations-Research ausloten – unter Umständen mit öffentlicher Förderung. (ben)

Zum Autor

Florian Entrich feiert in diesem Jahr sein zehnjähriges Jubiläum bei der QSL. In diesen Jahren hat er gemeinsam mit dem Meyer-Führungsteam aus dem Friedrichsdorfer Unternehmen einen starken Logistikpartner der Systemgastronomie gemacht. Geholfen hat ihm dabei sicherlich seine langjährige Expertise, die er bei US-Kette Burger King gesammelt hat. Wenn er mal nicht im Auftrag der Logistik mit Kunden und Partnern konferiert, verbringt er gerne schöne Stunden beim Bergsteigen am Gardasee.

Ihr Feedback
Teilen
Drucken

Sie sind noch kein Abonnent?

Testen Sie DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen im Probeabo und überzeugen Sie sich von unserem umfassenden Informationsangebot.

  • Online Zugang
  • Täglicher Newsletter
  • Wöchentliches E-paper

 

Zum Probeabo

Jetzt DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen kostenlos testen

Sie sind noch kein Abonnent?

Testen Sie DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen im Probeabo und überzeugen Sie sich von unserem umfassenden Informationsangebot.

  • Online Zugang
  • Täglicher Newsletter
  • Wöchentliches E-paper

 

Zum Probeabo

Jetzt DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen kostenlos testen

Nach oben