Digitale Zwillinge können Lieferketten schützen

Die Coronakrise und die Folgen für die Lieferketten haben vielen Unternehmen die Bedeutung des Risikomanagements klargemacht. Zugleich hat sich gezeigt, dass nicht alle Risiken vorhersehbar und planbar sind. Experten sprechen von der Wahrscheinlichkeitsfalle.

Die Coronakrise und die Folgen für die Lieferketten haben vielen Unternehmen die Bedeutung des Risikomanagements klargemacht. Zugleich hat sich gezeigt, dass nicht alle Risiken vorhersehbar und planbar sind. Experten sprechen von der Wahrscheinlichkeitsfalle. Es ist nicht möglich, alle Risiken zu identifizieren und deren Eintrittswahrscheinlichkeit zu ermitteln.

Ein Grund sind die komplexen Verflechtungen in den Lieferketten. Und selbst wenn mittels ereignisorientiertem Risikomanagement Schwachstellen identifiziert werden, unterschätzen Unternehmen oft die Folgen. Das kann beispielsweise beim Ausfall eines Rohstofflieferanten der Fall sein. Darauf wies Prof. David Francas von der Hochschule Heilbronn hin. Er war Teilnehmer der Konferenz „Covid-19 und die Supply Chain der chemisch-pharmazeutischen Industrie“.

Warum ist egal

Der Experte für logistische Informationssysteme empfiehlt, für die Risikoermittlung stärker vorhandene Supply-Chain-Daten zu nutzen, die unter anderem standardmäßig in ERP- und anderen Planungssystemen hinterlegt sind. Statt zu versuchen, Risikoereignisse zu prognostizieren, sollte vielmehr im Vordergrund stehen, wie verwundbar eine Lieferkette ist und welche finanziellen Auswirkungen ein Risiko hat. Mit den Supply-Chain-Daten lässt sich ein digitales Modell erstellen. „Damit können dann Risikoszenarien und Gegenmaßnahmen simuliert werden“, sagt Francas. Entscheidend sei das, was passiert, wenn ein Glied einer Lieferkette ausfalle. Warum, ist egal.

Ein wichtiger Anhaltspunkt, um Risiken zu identifizieren, ist die Time-to-Shortage, also die Zeit bis es zu Lieferengpässen oder Ausfällen käme. „Sie kann für verschiedene Lieferanten sehr unterschiedlich sein“, erklärt Francas. Dies lasse sich für die komplette Lieferkette ermitteln und so ein Risikoprofil anlegen. Mit einem digitalen Modell der Supply Chain können die finanziellen Auswirkungen einer Störung sowohl insgesamt als auch auf Länderebene ermittelt werden.

Nach Francas Auffassung wird es im Rahmen des Risikomanagements zu einer Neubewertung des Kompromisses zwischen Kosteneffizienz und Risiko kommen. Kosteneffizienz wird stark über Bestandsreduzierung und Lieferantenmanagement beeinflusst. Zur Risikominimierung tragen maßgeblich Sicherheitsbestände, Dual-Sourcing und Backup-Kapazität bei. Um hierbei die richtige Balance zu finden, kann auch wiederum ein digitaler Zwilling hilfreich sein – bis hin zur Detailbewertung bezüglich Investitionen. Ziel ist, dass die Risikoeindämmung kosteneffizient und an der richtigen Stelle erfolgt.

IT-Instrumente mit Prozessen verknüpfen

Die Coronakrise hat vielfältige negative Auswirkungen auf die Lieferketten verursacht: geschlossene Grenzen, Nachfrageeinbruch, Bullwhip-Effekt, Lieferengpässe, Produktionsstillstand, mangelnder Informationsfluss entlang der Lieferketten bis hin zu fehlenden Transportkapazitäten. Alles Phänomene, die man auch schon ohne die Pandemie kannte. Nur traten sie nun mehr oder weniger gleichzeitig auf.

Es gibt Instrumente, mit denen sich solche Störungen erkennen und abmildern lassen. „Die IT-Applikationen dafür sind alle vorhanden“, sagt Andreas Gmür, Berater im Bereich Logistik bei Camelot. „Es hat kein digitales Erwachen durch Covid gegeben.“ Die Verbindung der vorhandenen Anwendungen mit den Prozessen sei nun vielmehr die Herausforderung, die sich durch die Coronakrise ergeben habe.  Dazu gehören die Aspekte Transparenz in der Lieferkette, Netzwerkplanung sowie die Verbindung von Planung und Logistik.

Die Netzwerkplanung wird Gmür zufolge künftig einen anderen Fokus haben. Bisher geschehe dies in Abständen von zwei bis drei Jahren unter dem strategischen Gesichtspunkt, wo die besten Standorte sind. Künftig mit einer stärker digital gesteuerten Logistik komme es hingegen eher auf eine kontinuierliche taktische Planung an. Bezogen auf das Risikomanagement bedeutet das dann, permanent mittels einer Daten analysierenden Kontrollinstanz (Control Tower) zu schauen, welche Standorte und welche Märkte von bestimmten Risiken betroffen sind und wie darauf zu reagieren ist. Wenn das erfüllt ist, steuert die Logistik bei Störungen rechtzeitig gegen und muss nicht mehr die Rolle des Brandlöschers einnehmen.

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