Zehn Botschaften vom Deutschen Logistik-Kongress

Beim zentralen Branchenevent der Logistik-Community ging es dieses Jahr um Themen wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Innovation, Lieferkettensteuerung oder Mitarbeiterführung. Impulse gab es genug. Und die erreichten mehr als 3.300 Teilnehmer – vor Ort oder digital.

Nach dem pandemiebedingt rein digitalen Logistik-Kongress 2020 gab es dieses Jahr wieder Vorträge vor Publikum, wenn auch eingeschränkt. Rund 1.300 Teilnehmer waren vor Ort in Berlin. (Foto: BVL/Bublitz)

Beim diesjährigen Deutschen Logistik-Kongress der Bundesvereinigung Logistik (BVL) ging es um Themen wie Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Innovation, Lieferkettensteuerung oder Mitarbeiterführung. Impulse gab es genug. Und die erreichten mehr als 3.300 Teilnehmer – vor Ort oder digital. Auch die DVZ war in Berlin dabei. Alle Berichte und Interviews finden Sie auf unserer Kongress-Webseite. Und hier eine Zusammenfassung von zehn wichtigen Botschaften.
 

Mittelständler stehen am Scheideweg

Plattformen werden sich in Zukunft auch in der Transportlogistik durchsetzen. Davon ist Nikolja Grabowski, Vorstand des Ladungsverbunds Elvis, überzeugt. „Die Logistik holt gerade die Entwicklung nach, die der Handel schon durchgemacht hat“, sagt er. Die Verlader wollen sich nicht mit jedem einzelnen Transport- und Logistikunternehmen separat vernetzen. Genau an der Stelle kommen die Plattformen ins Spiel. Allerdings verfügten diese nicht immer über umfangreiche Marktkenntnisse, gibt Grabowski zu bedenken. Technisch und strukturell seien sie aber gerade kleineren Unternehmen überlegen. Insgesamt bedeute das für den Mittelstand einen Machtverlust zugunsten der Plattformökonomie. „Mittelständische Logistiker stehen an einem Scheideweg“, stellt Grabowski fest. „Spediteure sehen nicht nur Chancen, sondern auch Risiken.“ Entscheidend sei, ob Spediteure aus der Plattformökonomie Vorteile erzielen können. Schließlich wollen sie auch als digital aufgestellte Unternehmen nicht ihre Eigenständigkeit am Markt aufgeben. Manche Unternehmen könnten in Nischenmärkten auf traditionelle Weise agieren, da die Expansion der Plattformen zunächst auf dem Kernmarkt stattfinde. Mehr dazu lesen Sie hier.

Die Zeiten kurzfristiger Partnerschaften sind vorbei

„Kurzfristige Partnerschaften – das ist vorbei.“ Diese Botschaft stammt von Stefan Ulrich, CEO des Logistikdienstleisters Simon Hegele. Die Industrie habe mit verschiedenen Problemen und Herausforderungen in den Lieferketten zu kämpfen. Das bringe einige Hersteller dazu, Strategien zu überarbeiten und zum Beispiel den Outsourcing-Grad zu verändern. Ein Dienstleister biete ja per se viel Flexibilität. Und diesen Vorteil sollte die Industrie stärker ausspielen, meint Ulrich. Langfristige Kundenbeziehungen seien in der Regel auch die erfolgreichsten. Denn ein Dienstleister müsse das Geschäftsmodell seines Kunden richtig verstehen. Und dabei gelte es, Lernkurven zu durchlaufen. „Deshalb sollten Logistikpartnerschaften langfristig angelegt sein – mit einem klaren Commitment von beiden Seiten. Nur so können Auftraggeber und Dienstleister angesichts des auch künftig sehr dynamischen Umfelds erfolgreich agieren“, sagt Ulrich.

Nachhaltigkeit gehört zur Unternehmenskultur

Das Thema Nachhaltigkeit bleibt der Wirtschaft und vor allem der Logistik erhalten. Davon ist Prof. Moritz Petersen überzeugt, der sich an der Kühne Logistics University in Hamburg damit befasst. Grundsätzlich gebe es einen moralischen Imperativ, sich diesem Thema zu stellen, und darüber hinaus Regelungen wie das Lieferkettengesetz, die CO2-Bepreisung oder Einsatzquoten für Recyclingmaterial. Petersen nennt noch weitere Gründe. „Die Menschen, die jetzt im Rahmen von Fridays for Future auf die Straße gehen, sind diejenigen, die die Unternehmen in sechs bis sieben Jahren einstellen wollen.“ Sie seien nicht zu gewinnen, wenn zur Unternehmenskultur nicht Nachhaltigkeit gehöre. Darüber hinaus werde der CO2-Fußabdruck Petersen zufolge künftig über die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens mitentscheiden und das Vertrauensverhältnis zu Partnern bestimmen. Um Nachhaltigkeit in einem Unternehmen zu verankern und dauerhaft umzusetzen, sind zum einen technische Lösungen notwendig und zum anderen Methodenkompetenz. Die KLU startet dafür demnächst den zwölfmonatigen Studiengang „­Sustainable ­Management and Operations“. Er wendet sich an Fach- und Führungskräfte.

Transporte könnten noch viel effizienter sein

Ob im Schiffsverkehr, der Luftfracht oder auf der Straße – Kunden wünschen sich immer häufiger nachhaltige Transportprodukte. In dem Punkt waren sich die Teilnehmer der Panel-Diskussion „Auf dem Weg zur Klimaneutralität“ beim Logistik-Kongress einig. Obwohl massiv in umweltfreundliche Verkehre und Treibstoffe investiert werden muss, glaubt keiner, dass es für den Endkunden unter dem Strich teurer werde. „Nachhaltigkeit darf kein Luxusgut werden“, betont Pietro D’Arpa, Europa-Supply-Chains-Chef beim Konsumgüterkonzern Procter & Gamble. Natürlich müsse investiert werden, beispielsweise im Bereich der Seefracht. Aber es gebe genügend Ansätze, effizienter zu arbeiten, um die Mehrkosten für umweltfreundlichere Transporte wettzumachen. D’Arpa: „Allein wenn wir bedenken, wie viele Transportmittel leer oder teilweise leer unterwegs sind, wird klar: Da ist noch Potenzial.“ Es sei beängstigend, „wie viel Luft wir alle durch die Gegend transportieren“, stimmt Rolf Habben Jansen zu, der CEO von Hapag-Lloyd. Würde Transportraum besser genutzt und mit effizienteren Antrieben kombiniert, hätte man schon 60 bis 70 Prozent des Weges zur Klimaneutralität in der Logistik zurückgelegt, schätzt er. Mehr dazu lesen Sie hier.

Leadership ist das A und O

Digitalisierung, Nachhaltigkeit, Leadership – auf diesen drei Säulen muss die Logistik der Zukunft aufgebaut sein. Das meint Fiege-CEO Felix Fiege. Bei der Digitalisierung sieht er großes Potenzial, den Wandel zu gestalten. Daher engagiere sich der Dienstleister stark in der Gründerszene. In Sachen Nachhaltigkeit hat Fiege ein ambitioniertes Ziel: „Wir wollen das Geschäft als klimaneutrale Firma an die nächste Generation weitergeben.“ Solche Ziele lassen sich aber nur dann erreichen, wenn die gesamte Belegschaft mitzieht. Daher ist für Fiege das Thema Leadership das A und O. „Wir wollen, dass unsere Mitarbeiter gern zur Arbeit kommen, sie sollen mutig sein, sie sollen Lust auf den Job haben und sie sollen Unternehmer im Unternehmen sein.“ Um den Kulturwandel hinzubekommen, hat das Unternehmen einen „Führungskompass“ für Führungskräfte entwickelt und bietet für alle Arbeitsebenen Weiterbildungen über die eigene Akademie an. Zudem geht es darum, die Bodenhaftung nicht zu verlieren: Jede Führungskraft ist verpflichtet, auch mal ganze Schichten im Lager mit zu übernehmen. Mehr dazu lesen Sie hier.

Mehr Tempo bei Infrastrukturprojekten

„Wir müssen in den nächsten Jahren eine nationale Infrastrukturoffensive starten“, sagt Siegfried Russwurm. „Dafür können wir uns keine jahre- oder jahrzehntelangen Planungs- und Genehmigungsverfahren mehr leisten“, fügt der Präsident des Industrieverbands BDI hinzu. Ob es um die Sanierung von maroden Brücken, die Vertiefung wichtiger Schifffahrtsstraßen, die Ertüchtigung von Schleusen oder den Bau neuer Schienenwege gehe: „Wir brauchen eine fundamental andere Vorgehensweise.“ Russwurm spricht von einer „lähmenden Langsamkeit“, die Deutschland aktuell auch in Europa zum Bremser mache. Das Ziel der Verhandler einer möglichen Ampelkoalition, die Verfahrensdauer zu halbieren, halte er zwar für richtig. Doch eine Halbierung der Planungs- und Genehmigungszeiten wird seiner Ansicht nach nicht reichen, um die Klimaziele bis 2030 und 2045 zu erfüllen. „Wir brauchen das Zusammenspiel aller Verkehrsträger“, betont Russwurm zudem und plädiert dabei für Technologieoffenheit. „Ideologische Debatten um ein bestimmtes Verkehrs- und Transportmittel gehen völlig an den Realitäten vorbei.“ Mehr dazu lesen Sie hier.

Zeit für eine Neubesinnung in der Logistik

„Die Logistik wird wachsen, die Bedeutung der Logistik wird zunehmen, die Bedeutung von Umweltfreundlichkeit steigt“, ist Sigrid Nikutta überzeugt. Veränderungen, die lange nicht denkbar waren, seien jetzt genau möglich. „Es ist ein historisches Zeitfenster, wir sollten es alle nutzen, um die Logistik neu zu denken“, appelliert die DB-Güterverkehrschefin an die Logistikbranche. Generell sprach sich Nikutta für einzelfallbezogene Transportentscheidungen aus: „Wir sollten in der Logistik zum Primat des umweltfreundlichsten Verkehrsmittels kommen.“ Das sei je nach Anforderungen an die Logistikkette sehr unterschiedlich. Damit der Schienengüterverkehr die Erwartungen der Verlader erfüllen kann, braucht es nach Überzeugung der DB-Cargo-Chefin ausreichende Kapazitäten. „Große Maßnahmen sind wichtig, brauchen aber ihre Zeit“, sagt sie. Der Güterverkehr benötige aber auch kleine Maßnahmen wie Puffergleise, Weichenverbindungen und Überholgleise für Züge von 740 Meter Länge. Notwendig sei ein Aufbauplan mit Maßnahmen, die kurz-, mittel- und langfristig Wirkung zeigten. Mehr dazu lesen Sie hier.

Luftfracht braucht Modernisierung

Lufthansa-Cargo-Chefin Dorothea von Boxberg appelliert an die Luftfracht-Community, die Bemühungen bei der Digitalisierung und der Dekarbonisierung zu intensivieren. Bei einem Frachtflug von China nach Europa müssten heute 14-mal Daten übertragen werden. Dies müsse sich deutlich reduzieren. Sie weist zudem darauf hin, dass es vor allem darum gehe, nicht Digitalisierung um ihrer selbst willen zu betreiben, sondern sinnvolle Digitalisierungsschritte zu gehen. Darunter fielen von Boxberg zufolge nicht Technologien, die zum Teil viel Aufmerksamkeit auf sich zögen, wie zum Beispiel Predictive Analytics. „Es geht eher darum, eine schnellere, sinnvollere Übertragung von Daten zu gewährleisten, und zwar über die gesamte Lieferkette hinweg.“ Die heutige Praxis sei nicht nur ineffizient, sie sei vor allem auch fehleranfällig. Die Managerin räumt ein, dass die Luftfahrt es schwer habe, Emissionen zu reduzieren; andererseits sei es bereits heute möglich, CO2-neutrale Luftfrachttransporte in Anspruch zu nehmen. Dabei verweist sie auf die wöchentlichen Flüge von Frankfurt nach Shanghai, die Lufthansa Cargo mit DB Schenker anbietet. Mehr dazu lesen Sie hier.

Keine leeren Regale im Weihnachtsgeschäft

Lieferkettenstörungen, Kapazitätsengpässe und Materialmangel machen sich in der Wirtschaft immer deutlicher bemerkbar. Das führe aber nicht dazu, dass Regale im Weihnachtsgeschäft leer blieben, sagt Thomas Wimmer, Vorsitzender des Vorstands der Bundesvereinigung Logistik (BVL). „Manche in China frisch produzierte Ware könnte knapp werden.“ Denn der Mangel bestimmter Komponenten und Materialien reiche bis in den Handel hinein. Der BVL-Chef hält allerdings nichts davon, die Lage zu dramatisieren. „Wenn das so ist, muss man das auch mal ein viertel oder ein halbes Jahr aushalten, dass nicht immer alles verfügbar ist und reibungslos läuft, wie es die Werbung gern hätte.“ Bei bestimmten Produkten müsse man nun eben einmal Verzicht üben. Laut einer Umfrage der Initiative „Die Wirtschaftsmacher“ von Anfang Oktober waren 71 Prozent der Konsumenten schon von eingeschränkter Warenverfügbarkeit betroffen. Nach Wimmers Einschätzung werden die Engpässe bis 2022 bestehen. Mehr dazu lesen Sie hier.

„Üben Sie für den Angriffsfall!“

„Es ist wahrscheinlicher, dass Sie Opfer einer Cyberattacke werden, als dass Ihnen jemand die Brieftasche klaut“, sagt Alpha Barry, CEO der Sicherheitsfirma Secida. Die Bedrohung durch Hackerangriffe wird immer größer, die Lage ist „angespannt bis kritisch“, wie Michael Vetter sie bezeichnet, der CIO im Bundesverteidigungsministerium. „Es gibt mittlerweile organisierte Kriminalität, die man im Darknet kaufen kann“, sagt der Generalleutnant. Weite Verbreitung haben Angriffe mit sogenannter Ransomware, mit der Hacker in Firmennetze eindringen, Daten verschlüsseln und Lösegeld fordern. Das sollte man keinesfalls zahlen, raten Barry und Vetter, sondern Anzeige erstatten und mit einem – hoffentlich vorher festgelegten – Notfallkonzept den Schaden begrenzen. „Üben Sie Ihr Verhalten bei einem Ransomware-Angriff“, rät Barry, „denn das ist Alltagskriminalität. Das Schlimmste, was einem Unternehmen passieren kann, ist, dass es keine Leistung mehr erbringen kann.“ Mehr dazu lesen Sie hier.

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