Deutscher Logistik-Preis geht an DB Cargo

Mit dem Konzept für den „Bayern-Shuttle“ hat DB Cargo vor allem neue Prinzipien auf der Schiene umgesetzt. Das Unternehmen gewinnt die Auszeichnung gemeinsam mit den Voestalpine-Töchtern Logserv und Cargoserv.

Jubel bei der Bahn: DB Cargo erhält beim Deutschen Logistik-Kongress in Berlin den Deutschen Logistik-Preis. (Foto: BVL/Bublitz)

DB Cargo hat den Deutschen Logistik-Preis 2021 erhalten. Ausgezeichnet wird damit ein Transportkonzept für Stahl. „Das Konsortium aus DB Cargo, Logserv und Cargoserv hat unternehmensübergreifend gehandelt und es geschafft, Leerläufe, Zeit, Equipment, Ressourcen und Kosten zu sparen. Hier zeigt DB Cargo, was Bahn kann“, schreiben die Jury-Teilnehmer des Vor-Ort-Audits in ihrem Abschlussbericht.

Am 8. September 2021 ließen sie sich auf dem Güterbahnhof Regensburg von den Bewerbern über das Konzept „Bayern-Shuttle – Stahlharter Klimaschützer auf der Schiene“ informieren. Wie wichtig DB Cargo der Endspurt um den Gewinn des Deutschen Logistik-Preises war, machte eine Videoschalte mit Chefin Sigrid Nikutta deutlich.

Trotzdem vertraten die Auditoren in ihren abschließenden Bewertungen des Konzepts unterschiedliche Meinungen – aber so soll es bei kritischen unabhängigen Beobachtern ja auch sein. „Zum ersten Mal gewinnt ein Logistikkonzept auf der Schiene den begehrten Deutschen Logistik-Preis. Das ist ein klares Signal für die Innovationskraft des Schienengüterverkehrs und ein Beweis für die gute Zusammenarbeit der an diesem Konzept beteiligten Partner“, freut sich Katja Sander, Vice President Metals bei DB Cargo.

Eine halbe Million Tonnen pro Jahr auf der Schiene

Darum geht es: DB Cargo fährt für den österreichischen Stahl- und Technologiekonzern Voestalpine mit dem „Bayern-Shuttle“ jährlich mehr als eine halbe Million Tonnen Stahl und hochwertigen Schrott auf der Schiene. Das entlastet die Umwelt und sorgt dafür, dass weniger Verkehr auf den Straßen fließt. Partner des Transport- und Logistikdienstleisters sind die Unternehmen Logserv und Cargoserv sowie die Voestalpine Rohstoffbeschaffungs GmbH.

Die Logistik Service GmbH, kurz Logserv, ist als Tochterunternehmen der Voestalpine Stahl GmbH ein Full-Service-Anbieter mit umfangreicher Erfahrung aus Jahrzehnten im Bereich der industriellen Logistik. Logserv steuert für Voestalpine Stahl GmbH die weltweite Versandlogistik. Am Voestalpine-Standort in Linz betreibt das Unternehmen Österreichs größte Anschlussbahn sowie einen eigenen Donauhafen und betreut darüber hinaus private Eisenbahnverkehrsunternehmen und Privatgüterwagenvermieter.

Die Cargo Service GmbH, kurz Cargoserv, ist ein Tochterunternehmen von Logserv und bietet als privates Eisenbahnverkehrsunternehmen individuelle Konzepte für Gütertransporte auf dem öffentlichen Schienennetz an. Gemeinsam mit DB Cargo, der führenden Güterbahn Europas, realisiert Cargoserv den Shuttle-Transport für Voestalpine in Österreich.

Die Voestalpine Rohstoffbeschaffungs GmbH, kurz VARB, ist als Tochterunternehmen der Voestalpine AG für den Rohstoffeinkauf zuständig. Sie beschafft weltweit, unter anderem für die Voestalpine Stahl GmbH, sämtliche Rohstoffe und Energien, die für die Stahlproduktion benötigt werden. Das Portfolio reicht von Eisenerz über Kohle, Koks, Schrott, Metalle, Legierungen und Feuerfestmaterialien bis hin zu Strom und Gas.

DB Cargo sieht den „Bayern-Shuttle“ nicht als eine einfache Relation auf der Schiene, sondern als innovatives Transportkonzept: Der Shuttle zeichnet den Kreislauf aus den Transportwegen von Stahl in die eine und hochwertigem Schrott in die andere Richtung nach. Dabei entsteht ein täglicher Rundlauf zwischen dem Voestalpine-Stahlwerk in Linz und verschiedenen bayerischen Automobilproduzenten. Weil das Konzept Stahl- und Schrotttransporte intelligent kombiniert, sind die Wagen immer beladen.

Hintergrund: Die Stahlindustrie gilt seit jeher als Vorreiter, wenn es darum geht, Stoffkreisläufe zu schließen. Recycling spielt beim Einsatz von Rohstoffen eine entscheidende Rolle und macht Stahl damit zu einem nachhaltigen Werkstoff: Bei der Herstellung von Stahl für die Automobilindustrie ist hochwertiger Stahlschrott als Recycling-Material heute ein nicht mehr wegzudenkender Faktor, denn in jedem Neuwagen und seinen Einzelteilen steckt ein Schrottwürfel.

Auf verschiedene Weise benutzte Stahlprodukte werden wiederverwertet und so immer wieder zu wichtigen Teilen des Produktionsprozesses. Bei der Herstellung von einer Tonne Rohstahl werden etwa 250 Kilogramm Schrott eingesetzt. Das Produkt, das schließlich an die Automobilindustrie geliefert wird, ist ein aufgewickeltes Stahlband – der Coil. Daraus werden im Presswerk des Fahrzeugherstellers Komponenten für die verschiedensten Automodelle produziert.

„Da der Zug auf dem gesamten Laufweg Leerwagen ein- und ausreiht, sind höhere Auslastungen physisch kaum möglich.“
Christoph Heibach, Leiter des Vertriebsteams für Voestalpine bei DB Cargo

Ohne komplexe Choreografie geht es nicht

Zurück zum „Bayern-Shuttle“: Die Transporte zu den Automobilwerken müssen schnell und flexibel zugleich sein, weil Voestalpine auch kurzfristige Abrufe von Produzenten an verschiedenen Orten im Nachtsprung erfüllen möchte. Gleichzeitig muss auch der Schrotttransport in der Gegenrichtung extrem zuverlässig laufen, das Stahlwerk benötigt nämlich konstanten Nachschub an Erz, Koks und Schrott. Anders als beispielsweise ein Produktionsroboter kann es nicht einfach abgeschaltet werden.

„Um das Konzept erfolgreich umzusetzen, ist täglich eine komplexe Choreografie unter den beteiligten Partnern erforderlich“, berichtet Katja Sander. „Hier müssen alle Zahnräder ineinandergreifen, damit die Ver- und Entsorgung wie ein Uhrwerk läuft.“ Nur so könne Voestalpine zuverlässig jeden Tag die eigenen Kunden mit Stahl und das eigene Werk mit Schrott versorgen.

„Gemeinsam mit unserem Partner DB Cargo entwickeln wir in hoher Intensität und Kreativität unsere Transportketten weiter“, ergänzt Markus Schinko, Geschäftsführer von Logserv und Cargoserv. „Mit klimafreundlichem und nachhaltigem Schienengüterverkehr erreichen wir mit diesen Konzepten eine hohe Transportqualität für die Belieferung unserer wichtigen Premiumautomobil-Kunden in Bayern.“

Um die Besonderheit des „Bayern-Shuttle“ besser zu verstehen, lohnt sich ein genauerer Blick auf das Konzept, das dem Verkehr zugrunde liegt: So verknüpft der Shuttle täglich drei Automobilstandorte in Bayern im Nachtsprung mit dem Stahlwerk in Linz. Je nach Abruf der eigenen Kunden kann Voestalpine flexibel auch unterschiedliche Stahlmengen in die Züge einstellen. DB Cargo und Cargoserv bringen diese dann pünktlich zu den jeweiligen Standorten.

Der Shuttle funktioniert nach einem erweiterten Milkrun-Konzept: So können in dem Shuttle aus Linz täglich flexibel Stahlmengen für drei verschiedene Empfangsorte verschickt werden, zusätzlich werden die Transporte mit Schrott aus drei Versandorten kombiniert. Der Vorteil dieses Ansatzes: Zum einen werden verschiedene Empfänger der Automobilindustrie bedarfsgerecht und nach einem festen Takt der Reihe nach bedient. Das sorgt für eine hohe Zuverlässigkeit in den Lieferketten.

Zum anderen werden im Zulauf des Schrotts verschiedene Lieferanten nacheinander abgefahren. Das Schrottaufkommen hängt wiederum vom jeweiligen Produktionsaufkommen des Automobilherstellers ab. Damit diese Choreografie gelingt, ist ein komplexes Kapazitätsmanagement des Shuttles erforderlich. Dies setzen Logserv, Cargoserv und DB Cargo in der täglichen Zusammenarbeit nach fest definierten Prinzipien erfolgreich um.

Gruppierte Zugbildung für das „Schienen-Ballett“

Um den täglichen Umlauf just in time schaffen zu können, ist eine gruppierte Zugbildung notwendig, die es an jedem Halt ermöglicht, die Wagen schnell abzusetzen und aufzunehmen. Daraus entsteht ein „Schienen-Ballett“, wie es Katja Sander nennt, das Logserv und DB Cargo durch einen 24/7-Service ständig im Blick behalten. Um die Versorgung der Automobilwerke täglich zu steuern und bei Bedarf schnell eingreifen zu können, setzen DB Cargo und Logserv ein Kanban-Prinzip um, für dessen Unterstützung die Güterwagen mit GPS-Sensoren ausgerüstet sind. Dadurch sind die Wagenstandorte in digitalen Karten verfolgbar, und jeder Beteiligte weiß zu jedem Zeitpunkt, wo sich die Wagen gerade befinden.

Doch erst eine fest definierte Reihenfolge in der Beladung und Zugreihung ermöglicht eine entsprechende Just-in-sequence-Belieferung beim Kunden. Das führte DB Cargo in seiner Bewerbung um den Deutschen Logistik-Preis für die Empfangsstelle bei einem Automobilhersteller in Ingolstadt beispielhaft aus: Schmale Stahlcoils, sogenannte Spaltbänder, werden hier vorkonfektioniert und im vorderen Teil der Umschlaghalle entladen, breite dagegen im hinteren Teil.

Diese Anordnung spiegelt sich auch in der Reihung innerhalb der Wagengruppe wider: Schmale Stahlcoils werden in die vorderen Wagen der Gruppe verladen, breite Stahlcoils entsprechend in die hinteren Wagen der Gruppe. Zusätzlich bezieht das Konzept von DB Cargo ein, dass unterwegs an den Absetzhalten auch die Wagen vom Vortag aufgenommen und in den Shuttle integriert werden. So entsteht an jedem Absetzhalt eine neue Zugreihung, die wiederum den nächsten Absetzhalt ermöglicht. Diese Reihungsfolge-Synchronität ermöglicht dann die reibungslose und schnelle Versorgung der Empfangsstellen.

„Wir haben auf diese Weise mit Logserv und Cargoserv ein flexibles und resilientes Konzept entwickelt, das die Planbarkeit für alle Partner erhöht“, sagt Christoph Heibach. Er ist Leiter des Vertriebsteams für Voestalpine bei DB Cargo. „Bisher hat die Choreografie bei jedem Zug funktioniert. Entscheidend für den Erfolg ist die transparente Zusammenarbeit mit unseren Partnern in der Entwicklung und Umsetzung des Shuttles. So konnten wir ein Konzept realisieren, das individuell auf die Anforderungen von Voestalpine zugeschnitten ist“, so Heibach nicht ohne Stolz. Damit das auch so bleibt, werden die wesentlichen Kennzahlen in einem Performance Board laufend transparent ausgewiesen und diskutiert.

Voll ausgelastet auf dem gesamten Rundlauf

Heibach weiter: „Den Versand von Stahl und den Zulauf von Schrott kombinieren wir in einem Kreislaufkonzept. Mit jedem Absetzhalt für Stahl entsteht freie Kapazität im Zug. Diese nutzen wir für Schrott und nehmen entsprechende Tonnage in den Zug auf. Dadurch entsteht ein ständig beladener Rundlauf – eben unser Bayern-Shuttle!“

Da der Zug auf dem gesamten Lauf Leerwagen ein- und ausreihe, seien höhere Auslastungen physisch kaum möglich, so Heibach. „Würden wir die einzelnen Empfangsorte separat anfahren, kämen pro Jahr in Summe 75.000 Leerlaufkilometer zusammen, die wir jetzt einsparen.“

Als weiterer Vorteil, gerade in den vergangenen Monaten, hat sich die geringe Anzahl an Schnittstellen erwiesen – auch während der aktuellen Pandemie konnten die Lieferketten aufrechterhalten werden.

Der Shuttle profitiert von einem besonderen Verfahren in der Abwicklung: Üblicherweise erfolgt an Grenzübergängen ein Personalwechsel und/oder Lokomotivwechsel, der „Bayern-Shuttle“ aber fährt grenzüberschreitend von Linz bis Ingolstadt mit derselben Lok durch. Das reduziert Schnittstellen und mögliche Fehlerquellen.

Neben der hohen Transportqualität hat auch der Klimaschutz beim „Bayern-Shuttle“ eine große Bedeutung. Hier sind Voestalpine und DB Cargo gemäß dem Voestalpine-Slogan „one step ahead“ unterwegs: Die Transporte erfolgen mit CO₂-freiem Bahnstrom („Ökostrom“). Nicht vermeidbare CO₂-Emissionen, die beispielsweise durch den Nachlauf per Lkw entstehen, kompensiert DB Cargo durch den Einkauf von Klimaschutzzertifikaten. Auch der Logistikpartner Cargoserv nutzt auf dem österreichischen Streckenabschnitt ausschließlich Ökostrom. „In Summe werden so
im Vergleich zum Lkw etwa 7.500 Tonnen CO₂ pro Jahr eingespart“, rechnet Geschäftsführer Markus Schinko vor.

Die Partner wollen das Konzept „Bayern-Shuttle“ nun auf andere Verkehrspakete übertragen und damit die Vorteile auch für weitere Lieferungen nutzen. „Wichtig ist, dass Versender, Empfänger und Dienstleister gemeinsam am Konzept feilen, bis es wirklich rund ist und eine echte Win-win-Situation schafft“, betonen Katja Sander und Christoph Heibach unisono.

Und was sorgte nun für den entscheidenden Impuls für die Vergabe des Deutschen Logistik-Preises 2021 an DB Cargo und seine Partner? Einer der Auditoren brachte es auf den Punkt: „Einen Pitch im Silicon Valley gewinnt das Konzept nicht. Trotzdem bin ich aus der Erfahrung der industriellen Praxis sehr begeistert: Lean, just in sequence und just in time im Inbound sind jetzt mit der Bahn realisierbar. Mit Takt, Sequenz und Kanban wurden für die Bahn neue Prinzipien umgesetzt. Industrie und Bahn sprechen erstmals die gleiche Sprache.“

„Zum ersten Mal gewinnt ein Logistikkonzept auf der Schiene den begehrten Deutschen Logistik-Preis. Das ist ein klares Signal für die Innovationskraft des Schienengüterverkehrs und ein Beweis für die gute Zusammenarbeit der beteiligten Partner.“
Katja Sander, Vice President Metals bei DB Cargo

(Foto: DB Cargo/Oliver Lang)
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