Wasserstoff führt in die Lkw-Zukunft

Die nächsten zwei Jahrzehnte werden spannend – vor allem bei den Lkw-Antrieben. Mit der Dieseltechnik lassen sich die von der Politik gesetzten Klimaschutzziele nicht erreichen. Aber es gibt Alternativen, die hoffen lassen. Ein Plädoyer für einen gemeinschaftlichen Ansatz.

Transportunternehmen kommen nicht daran vorbei, ihre Lkw-Fuhrparks auf alternative
Antriebe umzustellen. (Foto: Daimler)

Ein Ü-Ei gekauft, schon sind Kinder in dreierlei Hinsicht glücklich gemacht. Wie schön wäre es, wenn das die Anwender im Speditions- und Frachtführergeschäft auch übernehmen könnten. Dann hätten wir im Fuhrpark nur noch Fahrzeuge, die keine Schadstoffe emittieren, solide Reichweiten aufweisen und deren Betrieb und Unterhalt sich rechnet. Leider ist es so einfach nicht. Wenn man sich das aktuelle Angebot bei den Erstausrüstern anschaut, stellt man fest, dass es noch dauert, bis diese drei Faktoren zusammenkommen. Derzeit dominiert der klassische Diesel den Markt – doch auch wenn er ein Dauerläufer ist, sein Zieleinlauf muss irgendwann kommen. Stichwort: Emissionen. Aber noch hat er mindestens 30 Prozent der Wegstrecke vor sich. Also – Haken dran.

Gebt dem Gas-Lkw eine Chance!

Die Gas-Lkw (LNG und CNG) hingegen bleiben weiter eine solide Brückentechnologie. Sie emittieren weniger Schadstoffe als ein Diesel und laufen dabei ähnlich zuverlässig. Aktuell offen sind allerdings Fragen zu weiteren Subventionen für Anschaffungen oder auch die mögliche steuerliche Berücksichtigung von Bio-Kraftstoffen. Dennoch bleiben Gas-Lkw auch weiterhin aufgrund der Differenzierung bei der Maut ab Januar 2024 nach dem CO2-Ausstoß der Fahrzeuge attraktiv.

Wir von Meyer Logistik werden weiter in diese Technologie investieren. Warum wir das tun? Weil Gas-Lkw nach dem jetzigen Stand der Wissenschaft ökologisch sinnvoll sind und der Betrieb sich wirtschaftlich lohnen kann. Wir gehen diesen Weg seit vielen Jahren. Zahlreiche Marktbegleiter und Anwender sind auch auf diesen Kurs eingeschwenkt. Also: An Diesel und Gas kommt ein Spediteur aktuell nur schwer vorbei. Vor allem, weil es hinsichtlich der Antriebstechniken zum jetzigen Zeitpunkt keine andere praktikable Lösung gibt.

Wie geht es weiter?

Allerdings ist das nicht der Weisheit letzter Schluss. Denn was gesellschaftlicher Konsens ist – irgendwann zu Klimaneutralität auch im Schwerlastverkehr zu kommen – erreichen wir so nicht. Wir sind mit den Gas-Lkw, den Versuchen mit Oberleitungs-Fahrzeugen, Hybrid-Lkw, den rein elektrisch betriebenen Nutzfahrzeugen auf der letzten Meile und auch den Entwicklungen im Pkw-Bereich schon auf einem guten Weg. Wir wollen aber schnellstmöglich eine komplette Transformation erreichen. Das Ganze am besten rein elektrisch. Daher wundert es auch nicht, dass das Bundesverkehrsministerium für die Neuauflage des Förderprogramms „Energieeffiziente und/oder CO2-arme schwere Nutzfahrzeuge (EEN)“ zur Jahreswende ein besonderes Schmankerl in Aussicht gestellt hat. Die Mehrkosten in der Anschaffung gegenüber einem Diesel-Lkw sollen bis zu 80 Prozent gefördert werden. Das ist bereits bei der Förderung von Elektrobussen im Rahmen des „Sofortprogramms Saubere Luft“ der Fall. Denn eines ist klar: Der Wandel muss mittelfristig für uns Anwender, unsere Kunden und letztlich die Gesellschaft finanzierbar sein.

Wasserstoff als Modell der Zukunft

Neben allen Widrigkeiten und zu bedenkenden Umständen wie Kosten, Infrastruktur, Planbarkeit oder Mautthemen, dürfen wir als Anwendungsexperten für die Expedition in die Antriebszukunft nicht das Forschergen in uns außer Acht lassen. Nur wenn wir uns jetzt in die Entwicklung einmischen, können wir später auch mitreden. Daher ist es unsere Aufgabe, den Herstellern, aber auch der Politik aufzuzeigen, was wir zur Erfüllung unserer Dienstleistungen brauchen. Die Hersteller indes ziehen daraus den Nutzen, durch die praktische Anwendung Expertise für die Entwicklung zur Marktreife zu erhalten.

Daher haben wir uns bei Meyer Logistik dazu entschlossen, auch das Thema Wasserstoff auf unsere Agenda zu setzen und Anwendungspartner der Industrie zu sein. Denn Wasserstoff hat das Zeug, der neue Diesel zu werden. Nicht morgen, aber übermorgen. Die Technologie setzt dort an, wo die rein batteriebetriebenen Fahrzeuge ihre größte Schwachstelle haben. Sie gewährleistet nämlich die kontinuierliche Aufladung der Batterie durch eine externe Stromquelle. Wasserstoff via Brennstoffzelle in Strom zu verwandeln, löst das Fahrzeug vom Elektrokabel, und damit entfallen der Aufbau einer komplizierten flächendeckenden Ladesäulen-Infrastruktur und die langen Ladezeiten.

Doch auch Wasserstoff muss getankt werden. Das ist aber – etwa durch den Umbau bestehender Tankstellen – relativ einfach möglich. Ebenso muss es grüner Wasserstoff sein, der durch seine umwelteffiziente Herstellung auch die Sinnhaftigkeit der Antriebstechnik unterstützt und wirtschaftlich sinnvoll zu beziehen ist.

Was wir nicht aus den Augen verlieren dürfen, ist das Projekt des Wasserstoff-Verbrennungsmotors. Das ist eine weitere Alternative neben den rein batteriebetriebenen Fahrzeugen und der Wasserstoff-Brennstoffzelle. Anfang 2000 gab es hier schon Versuche bei einem bayerischen Motorenwerk für Pkw. Auch die Nutzfahrzeughersteller sahen das Potenzial und entwickelten Ansätze weiter – wenn auch unbemerkt von der Öffentlichkeit. Die sogenannte Allianz Wasserstoffmotor mit namhaften Vertretern aus der Industrie und der Wissenschaft greift dies auf. Der große Vorteil dieses Antriebs ist, dass bis zu 90 Prozent der Komponenten aus einem klassischen Verbrennungsmotor auch für den Wasserstoff verwendet werden können. Außerdem stellt das Auftanken keine größere Unterbrechung des eigentlichen Fahrzeugbetriebs dar – die Lkw werden nicht durch Ladezeiten aus dem Verkehr gezogen. Im Vergleich zum Entwicklungsaufwand bei der Brennstoffzelle ist das ein klarer Vorteil. Wir werden uns als themenbezogener Anwendungspartner an diesem Projekt beteiligen. Allerdings gibt es ein großes Manko: kein wirklich technisches, sondern ein emotionales. Da wird etwas verbrannt. Mag auch aus dem Auspuff dann maximal Wasser kommen, das Wort Verbrennungsmotor ist negativ behaftet.

Die Antriebsvielfalt kommt

Eines muss uns klar sein: Lange Zeit lebten wir – die Hersteller, die Politik und auch die Anwender – im Luxus, dass sich am Bekenntnis zum fossilen Brennstoff nichts geändert hat. Das ist nun anders. Künftig wird es nicht nur eine, sondern viele Antriebsformen geben: die rein batteriebetriebenen Fahrzeuge, die Wasserstoff-Lkw, die Gasfahrzeuge und den Diesel. Nur brauchen diese verschiedenen Antriebsformen auch verschiedene Bedingungen, weil sich nicht jeder Antrieb für jede logistische Herausforderung eignet.

So ist allein der notwendige Infrastrukturaufbau mit geeigneten Ladepunkten für Lkw mit Batterie eine Hürde. Es kommen die Reichweitenbeschränkungen und die weniger flexiblen Einsatzmöglichkeiten von Fahrzeugen und Personal dazu. Also werden wir rein elektrisch fahrende Lkw wahrscheinlich nur auf der letzten Meile in der Stadt sehen. Für Wasserstofffahrzeuge, egal ob Brennstoffzelle oder Wasserstoffmotor, gelten diese Einschränkungen nicht. Ihr Einsatz ist viel besser planbar.

Eine Frage der Wirtschaftlichkeit

Alle Varianten müssten sich selbstverständlich sehr schnell wirtschaftlich selbst tragen. Dass der Strom oder Wasserstoff „grün“, also ökologisch nachhaltig gewonnen wird, ist außerdem Grundvoraussetzung. Ich habe aber Hoffnung. Warum? Weil wir beim Thema Elektromobilität im privaten Bereich bis hin zum Handwerksbetrieb schon viel weiter sind. Auch wenn das Rennen im schweren und mittelschweren Nutzfahrzeugbereich noch nicht entschieden ist. Die Technologieoffenheit eröffnet uns viele Chancen. Doch wir müssen auf die Tube drücken. Zehn Jahre sind schnell herum, und dann müssen wir schlauer sein. Ich wünsche mir hier eindeutige Bekenntnisse der Hersteller und auch der europäischen Politik.

Wir Anwender brauchen dringend Planungssicherheit für die Anschaffung der nächsten Fahrzeuge. Denn unsere Kunden sind auch Teil der Kette. Wir müssen neue Technologien skalieren und den wirtschaftlichen Einsatz garantieren können. Diese Grundbedingung ist jedoch noch nicht gegeben, und das macht mich und viele Kollegen sehr nachdenklich. (ben)

Matthias Strehl ist Geschäftsführer der Ludwig Meyer GmbH & Co. KG in Friedrichsdorf in Hessen. Das Familienunternehmen ist auf temperaturgeführte Transporte spezialisiert. Strehl hat seine Profession in der Logistik von der Pike auf gelernt.

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