Verkehrszentrale Deutschland: Staus elektronisch vermeiden

Operatoren im Kontrollraum überwachen rund um die Uhr die automatische Streckenbeeinflussung. Ziel der Verkehrsmanager ist eine gleichmäßige Netzauslastung.

Im Kontrollraum der ­Verkehrszentrale Deutschland ­überwachen die Operatoren rund um die Uhr die Verkehrssteuerung. (Foto: Autobahn GmbH)

Ein Kontrollraum, der an Science-Fiction-Serien erinnert: Bereits die technische Ausstattung der Verkehrszentrale Deutschland deutet darauf hin, dass dort fortschrittlich gearbeitet wird. Seit rund 50 Jahren gehört aktives Verkehrsmanagement im Rhein-Main-Gebiet zum guten Ton. Denn dort befindet sich mit dem Frankfurter Kreuz Deutschlands am stärksten belasteter Verkehrsknotenpunkt. Rund 360.000 Fahrzeuge wechseln in unmittelbarer Nähe zum Frankfurter Flughafen täglich die Autobahn, von der Ost-West-Verbindung A3 zur Nord-Süd-Strecke A5 – und umgekehrt.

In dieser Region wurde die Idee entwickelt, die Aufnahmefähigkeit der Verkehrswege durch aktive Eingriffe zu erhöhen. Der Schlüssel dazu: Für mehr Gleichmäßigkeit sorgen, sowohl auf einer einzelnen Autobahn als auch im gesamten Autobahnnetz. Geringere Geschwindigkeitsunterschiede zwischen den Fahrzeugen auf verschiedenen Fahrspuren senken die daraus resultierenden Verkehrsrisiken und tragen so dazu bei, Unfälle zu vermeiden. Darüber hinaus verringert ein konstanter Verkehrsfluss auch die Schadstoffemissionen und den CO₂-Ausstoß.

Stau zu vermeiden, ist die oberste Maxime für ein aktives Verkehrsmanagement. Denn der Stillstand belastet die Volkswirtschaft. „Ohne unsere heutigen Instrumente hätten wir im morgendlichen Berufsverkehr vor Frankfurt rund 25 Kilometer lange Fahrzeugschlangen, die bis nach Aschaffenburg reichen“, erklärt Achim Reußwig, Leiter der Abteilung Verkehrsmanagement/Verkehrszentrale Deutschland bei der Autobahngesellschaft des Bundes. Die Kapazität der Verkehrswege in der Region entspricht schon länger nicht mehr dem eigentlichen Bedarf. Die gezielte Steuerung gleicht also ein Ausbaudefizit aus und vermeidet täglich sechsstellige Folgekosten.

Streckenbeeinflussungsanlagen zeigen Fahrzeiten, Verzögerungen und Alternativvorschläge an. (Foto: Autobahn GmbH)

Zu den Instrumenten, mit denen die Verkehrszentrale Deutschland auf das Straßennetz einwirkt, gehören Informationstafeln mit Umleitungsempfehlungen und Fahrzeitanzeige, Verkehrsbeeinflussungsanlagen mit Geschwindigkeitsbeschränkungen und Warnschildern sowie die Möglichkeit zur temporären Seitenstreifenfreigabe. Sie werden von den Systemen anhand vordefinierter Schwellenwerte automatisch eingesetzt und von den 15 rund um die Uhr im Schichtdienst arbeitenden Operatoren auf Plausibilität überprüft. Bei Störungen im nachrangigen Verkehrsnetz, also auf Bundes-, Landes- und Kreisstraßen, hat das Team im Kontrollraum zudem die Möglichkeit, die automatisch erzeugten Signale manuell auszuschalten.

Detektoren beobachten den Verkehr

In Hessen verfügt die Verkehrszentrale über 65 automatische Informationstafeln und über Anlagen zur Seitenstreifenfreigabe auf einer Streckenlänge von 110 Kilometern. Die Verkehrsbeeinflussungsanlagen reichen an den beiden Hauptverkehrsachsen vom Gambacher Kreuz bis zum Darmstädter Kreuz und vom Wiesbadener Kreuz mit kurzen Unterbrechungen bis an die hessisch-bayerische Landesgrenze. Ergänzt werden sie von Detektoren, die den Verkehr beobachten: Induktivschleifen, die Anzahl, Art und Geschwindigkeit sowie Störungen erkennen. Sie bilden die Grundlage für Verkehrsmeldungen, die per App, Rundfunk und auf den LED-Tafeln ausgespielt werden.

Die Verkehrszentrale Hessen hat alle diese Instrumente als Vorreiter entwickelt und sie in den Kontext einer Verkehrsmanagementstrategie gebracht. Ein Erfahrungsschatz, der ausschlaggebend dafür war, dass sie innerhalb der Autobahn GmbH zur Verkehrszentrale Deutschland aufgestiegen ist und den Auftrag erhalten hat, federführend ein einheitliches System für das Verkehrsmanagement in der Bundesrepublik zu entwickeln, das künftig für einen besseren Verkehrsfluss auf den Autobahnen sorgen soll.

Verkehrszentrale Deutschland

  • 65 Informationstafeln in Hessen

  • 110 Kilometer temporäre Standstreifenfreigabe in Hessen

  • 330 Kilometer Streckenbeeinflussungsanlagen in Hessen

  • 1.560 fahrbare Absperrtafeln mit CITS (Co-operative Intelligent Transport System) deutschlandweit

  • 15 Operatoren

Einheitliche Steuerungsstrategie

„Im Laufe der Zeit haben sich deutschlandweit überall Verkehrszentralen entwickelt, die mit unterschiedlichen Vorgehensweisen mehr oder weniger das Gleiche erreichen wollen“, sagt Reußwig und fügt hinzu: „Diese Heterogenität werden wir jetzt mit einheitlicher Technik und einheitlicher Strategie in einem Gesamtsystem zusammenführen.“ Dazu zählen auch eine einheitliche Datenbasis und ein einheitliches Meldewesen, sowohl für die elektronischen Anlagen als auch für den Rundfunk. In naher Zukunft werden die Meldungen auch direkt bis in die Fahrzeuge gesendet – erste Baureihen von Volkswagen verfügen bereits über CITS-Empfänger (Co-operative Intelligent Transport System), Vorboten vernetzten automatisierten Fahrens. Ein erster Dienst, der bei der Einrichtung von Baustellen per WLAN-Warndaten aussendet, bevor die erste Beschilderung zu sehen ist, läuft bereits in der Rhein-Main-Region.

In dieser neuen Struktur werden die künftig neun regionalen Zentralen den Verkehr managen, vor allem in sieben Korridoren entlang der Hauptverkehrsachsen zwischen den Metropolregionen. Dabei sind sie vernetzt und profitieren zugleich von der Ortskenntnis ihrer Mitarbeiter in der Bewertung von Störungen. Beim größten europäischen Autobahnbetreiber angesiedelt, ist die Verkehrszentrale Deutschland auch international beispielhaft. Sie intensiviert die Verkehrsbeobachtung, arbeitet auch europaweit auf einheitliche Standards hin und führt Simulationen der Verkehrsströme im länderübergreifenden Kontext durch.

Dabei haben die Verkehrsmanager bereits Slots mit geringerer Verkehrsdichte erkannt, die einen schnelleren Verkehrsfluss ermöglichen. Reußwig: „Die haben wir gesucht, um unsere Instandhaltungs- und Pflegearbeiten durchführen zu können, ohne den Verkehr auszubremsen.“ Dasselbe Prinzip könne man aber auch für die Transportplanung verwenden, und man arbeite daran, flächendeckend aussagekräftige Daten bereitzustellen. Diese könnten dann beispielsweise für eine automatische Disposition verwendet werden. „Wir koordinieren unsere Maßnahmen bereits mit benachbarten Metropolregionen – bis hin zur Baustellenplanung“, verrät der Leiter der Verkehrszentrale.

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