Lkw-Antriebe: "Eine Frage der grünen Energie"

Die Lkw-Industrie befindet sich mitten im technischen Umbruch. Im Fokus befinden sich E-Lkw und Brennstoffzellenantriebe. Wie diese einzuschätzen sind und welche dritte Alternative zum Zug kommen kann, erläutert Ron Borsboom, Technik-Vorstand von Daf Trucks, im Gespräch mit der DVZ.

Der Umstieg auf nachhaltige Antriebe wie im E-Lkw oder auf CO2-freie Kraftstoffe wie Wasserstoff sind klimapolitisch sinnvoll, wenn grün erzeugte Energie eingesetzt wird. (FOTO:DAF)

Die Lkw-Industrie befindet sich mitten im technischen Umbruch. Im Fokus befinden sich E-Lkw und Brennstoffzellenantriebe. Wie diese einzuschätzen sind und welche dritte Alternative zum Zug kommen kann, erläutert Ron Borsboom, Technik-Vorstand von Daf Trucks, im Gespräch mit der DVZ.

DVZ: Herr Borsboom, die EU verfolgt ambitionierte Pläne zur Reduzierung der CO2-Emissionen. Ist damit das Ende des Verbrennungsmotors im Lkw endgültig eingeläutet?

Ron Borsboom: Wir sehen das ein bisschen anders, doch selbstverständlich geht es darum, dass es ausreichend Alternativen gibt. Gemeinsame Aufgabe der Hersteller und der Transportbranche ist es, kurzfristig, also bis 2025, die Emissionen um 15 Prozent zu senken. Mittelfristig soll dieser Wert nach heutigem Stand 30 Prozent betragen – doch dieses Ziel soll in diesem Jahr erneut evaluiert werden, um zu prüfen, ob diese Vorgabe ausreicht, um die EU-Klimaziele bis 2030 zu erreichen. Ich wäre nicht überrascht, wenn sich die Zielsetzung in Richtung 40 Prozent CO2-Reduzierung ändert.

Kann diese Hürde mit dem Dieselmotor genommen werden?

Auch wenn man die Motoren weiter auf Effizienz trimmt und den Verbrauch senkt, ist das kaum zu schaffen. Wir sind allerdings schon ziemlich weit gekommen: So haben wir bei der Fahrzeugfamilie, die wir 2017 vorgestellt haben, einen Riesenschritt gemacht und den Verbrauch der Fahrzeuge um durchschnittlich 7 Prozent senken können – und bei der 2021er-Generation ist der Kraftstoffverbrauch noch einmal um bis zu 10 Prozent gesunken. Aber das alles reicht langfristig nicht aus, um die sehr ambitionierten CO2-Ziele erfüllen zu können. Die Produktpalette muss also um Zero-Emission-Fahrzeuge ergänzt werden.

Und welche Technik sehen Sie als sinnvoll an?

Kurzfristig gesehen werden es Elektro-Lkw sein. Die Frage, die wir uns aber dabei stellen müssen, lautet: Ist diese ganze, zusätzlich benötigte Energie auch CO2-neutral produzierbar? Ich glaube, es ist eine große Herausforderung, die notwendigen Kapazitäten in derart kurzer Zeit aufzubauen.

Warum wird es der E-Lkw sein müssen und nicht ein anderer alternativer Kraftstoff?

Das liegt daran, dass für den EU-Gesetzgeber bei der CO2-Messung das zählt, was am Fahrzeug passiert. Da Elektro-Lkw lokal emissionsfrei unterwegs sind, sind sie daher die erste Wahl. Diese Technik steht schon heute zur Verfügung, und wir verkaufen solche Lkw bereits seit rund dreieinhalb Jahren. Allerdings müssen sie auch weiterentwickelt werden: Mit einer Batterieladung kommen die Fahrzeuge 200 bis 250 Kilometer weit. Das reicht nur für das Nahverkehrs-Marktsegment mit Verteiler-Lkw. Um aber die Fahrzeuge auch für andere Einsatzzwecke attraktiv zu machen, muss die Reichweite größer werden.

Ein Wettbewerber aus Deutschland bietet E-Lkw mit 400 Kilometer Reichweite an…

Es ist nicht das große Problem, die Reichweite von 200 auf 400 Kilometer zu steigern, aber wenn es um Entfernungen geht, die im Fernverkehr zurückgelegt werden, ist das eine ganz andere Sache. Das allerdings können wir mit dem Einsatz von flüssigen Kraftstoffen gut darstellen. Zudem gibt es noch einen anderen Aspekt, der bei den E-Lkw wichtig ist: Wie steht es mit der Ladeinfrastruktur? Hier ein flächendeckendes Netz aufzubauen, das nicht nur die Bedarfe der lokalen und regionalen Distribution abdeckt, ist wohl die größte Herausforderung.

Es gibt verschiedene andere alternative Antriebstechniken, die nicht nur diskutiert, sondern auch angeboten werden. Mit welchen Antriebskonzepten kann man hier auf lange Sicht punkten?

Das lässt sich nicht so einfach sagen. Wasserstoff zum Beispiel ist nur dann ein geeigneter Kraftstoff, wenn er CO2-frei, also unter Einsatz von grüner Energie erzeugt wird. Um aber grünen Wasserstoff herzustellen, wird viel Strom benötigt – mehr als zum Beispiel für einen E-Lkw bei gleicher Transportleistung. Angesichts der Tatsache, dass derzeit noch nicht ausreichend grüne Energie erzeugt wird, würde ich sagen, dass Wasserstoff kurzfristig gesehen keine Option für den flächendeckenden Einsatz ist. Langfristig dürfen wir aber davon ausgehen, dass das Angebot an grünem Strom zunehmen wird. Aber die Kapazität muss dann ein Niveau erreichen, dass wir es uns leisten können, dieses Mehr an Energie, was für die Produktion von Wasserstoff erforderlich ist, aufzubringen.

Wenn mehr Energie benötigt wird, um Lkw mit Wasserstoff statt mit Strom zu betreiben, liegt doch der Schluss nahe, dass man dem E-Lkw den Vorzug geben sollte.

Theoretisch ist das richtig, doch grüne Energie, die über Photovoltaik oder Windräder gewonnen wird, ist Schwankungen unterworfen. Das heißt, es ist nicht gewährleistet, dass der Strom dann produziert wird, wenn er benötigt wird – und auch die Zwischenspeicherung ist erfahrungsgemäß nicht ganz einfach zu bewerkstelligen. Hier zeigt sich der Vorteil von Wasserstoff: Der kann produziert werden, wenn die benötigte Energie zur Verfügung steht, er lässt sich besser speichern und transportieren. Deshalb ist Wasserstoff langfristig gesehen eine gute Alternative.

Daf setzt bei Wasserstoff auf den Verbrennungsmotor. Warum?

Der Wasserstoff-Verbrennungsmotor ist aus mehreren Gründen die bessere Alternative zur Brennstoffzelle. Zum einen kann ein Motor, der nach diesem Prinzip arbeitet, die jeweils benötigte Leistung genauso zur Verfügung stellen wie ein konventioneller Dieselmotor. Außerdem muss das Aggregat nicht zusätzlich gekühlt werden, da reichen die bestehenden Möglichkeiten aus. Darüber hinaus – und das ist ein sehr wichtiger Vorteil – ist ein Wasserstoff-Verbrennungsmotor nicht darauf angewiesen, dass der Kraftstoff von allerhöchster Qualität ist. Die Technik kommt mit eventuellen Verschmutzungen klar. Und schließlich entfällt bei diesem Antriebsstrang die zusätzliche Batterie, die beim Brennstoffzellenantrieb als Puffer dient – das ist ein Vorteil hinsichtlich Gewicht, Platz, dem Einsatz seltener Erden und der Kosten.

Der Wasserstoff-Verbrennungsmotor ist die bessere Alternative zur Brennstoffzelle. Ron Borsboom, Technikvorstand Daf Trucks

Wasserstoffmotoren sind ja nicht neu. In der Vergangenheit waren sie aber aufgrund des vergleichsweise hohen Verbrauchs und der hohen Treibstoffkosten wirtschaftlich nicht tragbar.

Hier ist es ausschlaggebend, sich klarzumachen, wie ein Lkw betrieben wird. Da geht es um Langstreckentauglichkeit und die Frage, welche Leistung man an Bord haben muss beziehungsweise im Durchschnitt gebraucht wird. Vergleicht man nun noch die Lebenszykluskosten eines Lkw mit Wasserstoffverbrenner mit denen eines Brennstoffzellen-Lkw, stellt man fest, dass die nicht so weit auseinander liegen. Und: Man kann Wasserstoffverbrenner natürlich noch effizienter machen. Wir haben das Prinzip in einem Forschungsfahrzeug ausprobiert und dabei gelernt, wo wir noch entsprechend ansetzen können, um den Wirkungsgrad zu verbessern. Ich bin sicher, dass wir auf dieser Basis ein wettbewerbsfähiges Fahrzeug darstellen können.

Wie lange wird es etwa dauern, bis der Motor zur Serienreife entwickelt ist?

Das wird noch etwa fünf Jahre dauern und ist natürlich nicht allein von unserer Arbeit abhängig. Es müssen die Infrastruktur und ausreichend Wasserstoff zur Verfügung stehen. Dabei muss aber auch gewährleistet sein, dass der Treibstoff mit 700 Bar Druck verdichtet wird. Dann lassen sich die Lkw rasch betanken und können auch lange Strecken im Fernverkehr zurücklegen.

Im Vorstand des niederländischen Lkw-Herstellers Daf Trucks verantwortet Ron Borsboom den Bereich Produktentwicklung. Er startete seine Karriere im Unternehmen im Jahr 2000 als Leiter der Fahrzeugentwicklung. Bereits zwei Jahre später stieg er zum Chef der Produktentwicklung auf. (FOTO: DAF)

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