Klimaschutz: BGL fordert größeren Laderaum

Mauterhöhung und CO2-Doppelbelastung erregen den Verband. Aufsichtsratsvorsitzender Horst Kottmeyer und Vorstandssprecher Dirk Engelhardt glauben an schnellere Verbesserungen durch konventionelle Technologien.

Aufsichtsratsvorsitzender Horst Kottmeyer (links) und Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Bundesverbands Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL), sehen kaum noch Chancen auf Anpassungen am Mautänderungsgesetz. (Foto: BGL/Christian Malsch von Stockhausen/Dreissig24)

Die BGL-Chefs Horst Kottmeyer und Dirk Engelhardt nehmen gegenüber der DVZ Stellung zur aktuellen Verkehrspolitik, CO2-Reduzierung und Fahrergewinnung.

DVZ: Über die Verkehrspolitik wird aktuell viel diskutiert. Sie leisten einen Beitrag, haben die Kampagne Maut Everest gestartet. Interessiert das in Berlin irgendjemanden?

Dirk Engelhardt: Den Eindruck haben wir auf jeden Fall. Natürlich glauben wir nicht, dass wir an dem CO2-Preis noch was ändern können. Aber vielleicht ist der Starttermin 1. Dezember noch zu verschieben. Oder die Bundesregierung lässt sich an ihren Koalitionsvertrag erinnern, der eine Doppelbelastung des Mittelstandes beim CO2-Ausstoß ausschließt, wie sie jetzt durch das Brennstoffemissionshandelsgesetz und die CO2-Maut entsteht.

Wie könnte eine Lösung bei der Doppelbelastung aussehen?

Engelhardt: Hätte die Suche rechtzeitig begonnen, wären verschiedene Lösungen denkbar gewesen, zum Beispiel die Tankkartenanbieter einzubeziehen. Bei Unternehmen mit Hoftankstelle wären etwa die Belege durch einen Steuerberater zu testieren. Es hätte einige Möglichkeiten gegeben, selbst wenn es keine formidable digitale Lösung wäre. Wichtig ist, die Zusagen einzuhalten und die Unternehmer nicht doppelt zu belasten.

Was regt Sie in der Verkehrspolitik aktuell besonders auf? Stimmt der Eindruck, dass der Lkw durch den Grünen-Einfluss durchaus Federn lassen musste?

Engelhardt: Wir merken natürlich diese heterogen zusammengesetzte Ampelkoalition. Grundsätzlich fühlen wir uns beim Verkehrsministerium gut aufgehoben. Das Dilemma mit der Maut und dem Aufschlag von 200 Euro pro Tonne CO2 haben wir den Grünen, aber auch viel fehlendem wirtschaftlichen Feingefühl in Berlin zu verdanken. Was uns ärgert, ist, dass die Unternehmer als Steuereintreiber durch die Hintertür missbraucht werden für eine Maut, die keinerlei Lenkungswirkung entfalten wird.

Es gibt aber konstruktive Gesprächsangebote. Der Minister hat drei Arbeitsgruppen zugesagt, zu den Themen Fahrermangel, Antriebswende und – auf unsere Initiative hin – Kommunikation. Darin wollen wir die Probleme abarbeiten.

Welche Maßnahmen hätten aus Ihrer Sicht einen ökologischen Lenkungseffekt im Straßengüterverkehr?

Engelhardt: Maße hoch, Gewichte hoch. Ich würde eine Studie dazu durchführen lassen, wie sich heute verfügbares konventionelles Lkw-Equipment so kombinieren lässt, dass unsere Infrastruktur und die Brücken nicht stärker belastet werden, aber trotzdem mit weniger Fahrzeugen höhere Gewichte transportiert werden können. Vielleicht wäre es sinnvoll, über sechs- und siebenachsige Gespanne mit geeigneten Achsabständen nachzudenken, die ein Gesamtgewicht von 48, 50 oder 60 Tonnen erreichen. Dann muss klar kommuniziert werden, dass es nicht um eine Verkehrsverlagerung auf die Straße geht, sondern darum, die Effizienz der Lkw zu verbessern.

Horst Kottmeyer: Durch den größeren Laderaum kann auch der Lang-Lkw Typ 5 für eine deutliche Verkehrsverminderung sorgen. Im Automobilbereich können wir auf einem Standard-Sattelauflieger vier Karossen transportieren, auf einem verlängerten sechs; auf dem Typ 5 sind es aber sogar acht. Wenn wir mit einem Fahrzeug das doppelte Volumen transportieren, können wir ein anderes von der Straße nehmen, das ist besonders im Zweischichtbetrieb spürbar.

„Was uns ärgert, ist, dass die Unternehmer als Steuereintreiber missbraucht werden für eine Maut, die keinerlei Lenkungswirkung entfalten wird.“

In den sozialen Medien schimpften deutsche Fahrer darauf, dass osteuropäische Kollegen in Gräfenhausen gegen ihr polnisches Unternehmen protestierten. Können Sie den Unmut verstehen?

Engelhardt: Wir finden es nicht gut, dass Deutschland zur Streikplattform für osteuropäische Fahrer wird. Das sollen sie in den Ländern ausmachen, wo sie beschäftigt werden. Ich würde mir wünschen, dass gerade zum Anstellungsverhältnis mehr Kontrollen stattfinden. Aber der Zoll als Fachbehörde ist nicht aktiv geworden. Außerdem würde ich mir wünschen, dass mit der zweiten Generation des digitalen Tachografen eben nicht nur der Grenzübertritt automatisch aufgezeichnet wird, sondern dass diese Daten auch in eine zentrale europäische Datenbank übermittelt werden, auf die Kontrollbehörden Zugriff haben. Dann könnten sie eine Prioritätenliste für ihre Kontrollen erstellen. Damit lässt sich wunderbar feststellen, wie lange welches osteuropäische Fahrzeug sich schon in Deutschland aufhält. Nur wenn wir dabei besser werden, kann sich etwas ändern.

Lassen sich solche Zustände denn überhaupt durch Kontrollen verhindern? Oder sind sie in der europäischen Wirtschaftsordnung geduldet?

Kottmeyer: Vor allem sollten wir die Unmenge illegaler Kabotagefahrten stoppen. Und wir sollten es ändern, dass Fahrer aus nicht EU-Ländern wie der Ukraine oder Weißrussland in Polen innerhalb kürzester Zeit eingebürgert werden und einen EU-Führerschein erhalten, während sie für deutsche Unternehmen keinen Meter Lkw fahren dürften. So etwas sollte in ganz Europa einheitlich geregelt sein. Dann könnten auch die Fahrer in Gräfenhausen schon morgen für deutsche Unternehmer fahren.

Was muss geschehen, damit das möglich wird?

Engelhardt: Wir müssten die Anlage 11 zu Paragraph 31 der Fahrerlaubnis-Verordnung aufheben. Dadurch verfällt nämlich derzeit bei uns in Deutschland nach sechs Monaten die im Wiener Abkommen geregelte Berechtigung, fahren zu dürfen. So müssen alle Führerscheine – auch für Pkw –, die Ziffer 95 für die Berufskraftfahrerqualifikation und der ADR-Schein komplett neu erworben werden, mit allen bürokratischen Hürden und einigen der Prüfungen nur in deutscher Sprache. In Polen kann dagegen jeder, der dort sechs Monate auf Grundlage des Wiener Abkommens tätig war, ohne Prüfung seinen Führerschein gegen ein polnisches EU-Dokument umtauschen, das er europaweit einsetzen kann.

Hat sich das EU-Mobilitätspaket in irgendeiner Form auf die illegale Kabotage ausgewirkt?

Kottmeyer: Das Mobilitätspaket hat immerhin dazu geführt, dass unsere Mitbewerber aus diesen Ländern vorsichtiger werden und nicht mehr hemmungslos jede Kabotagefahrt durchführen. Die Vorsicht wird durch die Einführung des neuen Tachos immer größer. In zwei Jahren wird er Standard sein, dann sind die Unternehmen gläsern. Kontrollbeamten können dann sogar im Vorbeifahren die Tourenhistorie kontrollieren.

Erwarten Sie durch die Lieferkettengesetze in Deutschland und Europa weitere Veränderungen?

Kottmeyer: Gräfenhausen ist jetzt ein schönes Beispiel für das Thema Lieferketten. Es haben ja sogar Kunden mit 20.000 Euro Bargeld die Fahrer vor Ort bezahlt, obwohl sie in der Lieferkette nicht direkt verantwortlich waren. Ich glaube auch, dass die Situation große Verlader sensibilisiert. Die Dienstleister legen jetzt Wert darauf, dass es nicht mehr zur Zusammenarbeit mit dem betreffenden Unternehmen kommt. Die Vorsicht wächst, auch weil sich der wirtschaftliche Schaden für Kunden, deren Ware da jetzt seit Wochen steht, nicht so leicht abschätzen lässt. Ich glaube deshalb schon, dass auch aufgrund des Lieferkettengesetzes jetzt mit mehr Vorsicht darauf geachtet wird.

„Gräfenhausen ist ein schönes Beispiel für das Thema Lieferketten. Ich glaube, dass die Situation große Verlader sensibilisiert.“

Mit welchen Argumenten gewinnen Sie in dieser schwierigen Gesamtsituation Fahrer für Ihr Unternehmen?

Kottmeyer: Erstmal ist es ganz wichtig, dass wir unser Personal halten. Ein Ohr zu haben, ob alles läuft oder wo es Probleme gibt. Wenn wir neue Autos bestellen, frage ich heute die Fahrer, was wir ändern sollten. Zum Beispiel war es die Idee eines Fahrers, die Lkw mit Photovoltaik auszustatten, damit sie auch im Stand Strom haben, ohne den Motor laufen zu lassen. Die Bezahlung ist deutlich angestiegen – was auch gerechtfertigt ist im Vergleich zu anderen Berufen.

Engelhardt: Darüber hinaus hat der BGL den Vorschlag gemacht, ein Sanitärmodul hinter der normalen Fahrerkabine mitzunehmen und dafür die Ladefläche von der Zuglänge zu entkoppeln. Denn es wird keine politische Farbe alle fehlenden Parkplätze bauen, ob es 23.000 oder 40.000 sind. Dann entfiele der Kampf um die Stellplätze an den Rastanlagen; die Fahrzeuge würden autark und die Fahrer wüssten: Egal wo ich stehe, ich habe eine Toilette, ich habe eine Dusche, ich kann mir die Hände waschen. Das wäre auch ein Ansatz um mehr Frauen in den Lkw zu bekommen; statt 2 Prozent könnten es leicht 5 oder 10 Prozent sein.

Stichwort Digitalisierung: Der elektronische Frachtbrief (eCMR) und elektronische Begleitpapiere stehen vor der Tür. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung im Hinblick auf Arbeitsbedingungen, Kabotage und Kontrolle?

Engelhardt: Ich sehe den eCMR absolut positiv. Auch die Daten der elektronischen Frachtbriefe sollten zentral verwaltet werden, um sie für Kontrollzwecke zu nutzen. Die Mittelständler, die ich kennenlernen durfte und kenne, hätten damit kein Problem. Somit hätten wir vielleicht eine Marktbereinigung durch Digitalisierung und faire Wettbewerbsbedingungen.

Kottmeyer: Wir haben den eCMR getestet. Das ist super einfach und unter dem Strich immer billiger als der handgeschriebene Frachtbrief. Ich habe damit gleich meinen digitalen Beleg, den ich an mein Team schicken und die Abrechnung beginnen kann, ohne etwas einzuscannen. Ich glaube, das ist ein dringend notwendiger Schritt. Hinzu kommen die besseren Kontrollmöglichkeiten.

Herr Engelhardt, warum brauchen wir eigentlich in einem einheitlichen Europa noch deutsche Transportunternehmen?

Engelhardt: Es wird immer Aufgaben geben, für die ich Personal brauche, das der Landessprache vollständig mächtig ist. Das betrifft nicht nur den Transportsektor, sondern auch viele anderen Bereiche. Es gibt Verkehre, zum Beispiel im Agrarbereich oder auch bei Baustellen mit Montagetätigkeiten und sonstigen Spezialtransporten, bei denen klare Kommunikation in der Landessprache unerlässlich ist. Da wird der deutsche Transportunternehmer mit deutschsprachigem Fahrpersonal nicht zu ersetzen sein.

Sie sind jetzt seit sechs Jahren im Amt. Was hat sich in dieser Zeit in der Branche verändert?

Engelhardt: Ich glaube, dass die Branche in der Corona-Zeit enger zusammengerückt ist, dass wir ein besseres Miteinander haben. Der Austausch und das Netzwerken unter den  Unternehmen hat wieder deutlich an Fahrt aufgenommen. Die Sorge davor, zu viel preiszugeben und dadurch Kunden zu verlieren, hat abgenommen; ich erlebe, dass die Unternehmen immer mehr zusammenarbeiten. Und wir konnten zumindest auf dem Papier mit dem Mobilitätspaket einiges bewegen. Natürlich werden Probleme wie der Fahrermangel weiter zunehmen. Aber dennoch bin immer noch froh, für so eine Branche arbeiten zu dürfen.

Das Gespräch führten Lutz Lauenroth, Tobias Loew und Sebastian Reimann.

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