Der weite Weg zum E-Lkw

Elektrische Lkw im Fernverkehr? Was auf kürzeren Strecken schon gut klappt, ist auf der Langstrecke noch Zukunftsmusik. Die Infrastruktur hinkt hinterher - und Unternehmen müssen mehr planen.

E-Lkw brauchen müssen nach wenigen hundert Kilometern wieder an die Ladesäule. (Foto: iStock)

Der Umstieg auf E-Lkw ist – zumindest auf politischer Ebene – beschlossene Sache. Praktiker hingegen teilen die Euphorie nur bedingt. So weiß Rainer Schmitt, Chef des gleichnamigen Transportunternehmens und E-Lkw-Pionier, dass der Umstieg auf emissionslose Fahrzeuge nicht ganz einfach ist. „Am Ende interessiert die Kunden: Cent pro Kilometer“, sagt der Logistiker, dessen Fuhrpark 100 Lkw umfasst.

„Elektrische Lkw sind heute noch viel teurer als die Verbrenner. Das ist die bittere Wahrheit. Da braucht es auf beiden Seiten willige Unternehmer, die auch über den Tellerrand hinausschauen“, sagt Schmitt. Vor diesem Hintergrund ist verständlich, dass er vorerst nur einen einzigen Elektro-Lkw in Betrieb genommen hat.

Die mit dem Umstieg verbundenen Herausforderungen sind einer der Hauptgründe dafür, dass elektrische Trucks auf deutschen Autobahnen eine absolute Seltenheit sind. Die Technik entwickelt sich immer weiter, doch die Absatzzahlen liegen im marginalen Bereich: Beim Nutzfahrzeughersteller Daimler Truck etwa waren 2022 nur 914 der insgesamt rund 520.000 verkauften Lkw und Busse emissionsfrei.

Hochlauf in den nächsten Jahren

Doch der Hochlauf ist absehbar: Bis 2030 könnten 75 Prozent der abgesetzten schweren Nutzfahrzeuge keine Verbrenner mehr sein – rund 58 Prozent könnten dann batterieelektrisch und weitere 17 Prozent mit Wasserstoff angetrieben werden. Das ergab eine Analyse der Nationalen Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NOW) im Auftrag des Verkehrsministeriums. Darin haben die Experten die Ergebnisse sogenannter „Cleanroom“-Gespräche, die sie im Jahr 2022 mit Vertretern der Lkw-Hersteller geführt haben, zusammengefasst.

Schmitt ist vor allem in Baden-Württemberg tätig. „Die Touren in der Region können wir mit dem E-Lkw gut abdecken“, sagt er. Allerdings gibt er auch zu bedenken, dass die Technik zunächst viele Nachteile habe: die Reichweite, die Ladeinfrastruktur, den Preis. Es müsse also zuerst ein Umdenken stattfinden.

„Wir befinden uns heute nach wie vor auf dem Stand der Pilotphase“, sagt Frank Huster, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Spedition und Logistik. Die Unternehmen testeten viele Angebote. Betriebliche Abläufe müssten angepasst, Prozesse optimiert und mit den logistischen Ansprüchen der Kunden synchronisiert werden.

Start im Nahverkehr

Laut Huster sei es zunächst sinnvoll, mit Flotten zu beginnen, die einen kleineren Radius haben. Im Schwerlastverkehr sei die E-Mobilität heute noch nicht einsetzbar. Die Politik müsse Rahmenbedingungen schaffen, damit der Umstieg gelingt. Sie müsse die Energiewende mit Nachdruck vorantreiben und Anreize für eine Ladeinfrastruktur schaffen – nicht nur im öffentlichen, sondern auch im privaten Sektor. „Das ist eine ganz wesentliche Achillesferse.“

Schon im Pkw-Bereich hinkt der Ausbau der öffentlichen Ladepunkte dem Hochlauf der E-Autos hinterher. Für E-Lkw gebe es noch kaum extra ausgewiesene öffentliche Ladeinfrastruktur, sagt der Planungschef der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur, Felix Steck. Ziel sei es, in der zweiten Jahreshälfte 2023 mit der Ausschreibung für ein Grundnetz an E-Lkw-Ladesäulen zu starten. Noch stehe nicht endgültig fest, wie viele Ladepunkte es umfassen und wann es fertig errichtet sein wird. „Die Anforderungen ergeben sich aus dem Fahrzeughochlauf der Hersteller. Hierzu sind wir im regelmäßigen Austausch.“

Großzügige Förderkulisse

Doch für Infrastrukturbetreiber kann sich der frühzeitige Einstieg lohnen: Derzeit werden Investitionen in Elektrotankstellen mit bis zu 80 Prozent der Investitionssumme gefördert. Diese Förderregelung gilt übrigens nach wie vor auch für die Anschaffung der Fahrzeuge, wobei allerdings nur die Differenz zwischen den Anschaffungskosten eines E-Lkw und denen eines Diesel-Lkw entsprechend geltend gemacht werden kann.

Grundsätzlich sind zweierlei Ladearten für batterieelektrische Lkw möglich, erklärt Steck: entweder das Laden über Nacht oder bei längeren Standzeiten. Ist Letzteres der Fall, sind laut dem Experten Ladestationen, die Leistungen bis zu 350 Kilowatt abdecken und die man aus dem Pkw-Bereich kennt, durchaus ausreichend. „Aber beim Zwischenladen während der Lenkpausen sind kürzere Ladezeiten vonnöten. Da sprechen wir dann über Leistungen von 700 bis 800 Kilowatt in der näheren Zukunft“, erklärt er. Hierfür werden aktuell neue Ladestationen inklusive eines neuen Steckertyps entwickelt, die sich auch für das Laden im Megawatt-Bereich während der 45-minütigen Lenkpausen eignen. „Bis 2025 kann man damit rechnen, dass diese an den Straßen stehen.“

Aber: Mit den höheren Ladeleistungen brauche es an etlichen Autobahn-Rastplätzen Hochspannungsanschlüsse, erklärt der Technikchef des Netzbetreibers NetzeBW, Martin Konermann. „Wenn es gut läuft, brauche ich sieben Jahre, um so etwas zu realisieren. Fünf Jahre Planung und Genehmigung, zwei Jahre Bauzeit. In Einzelfällen dauert so ein Rastplatzausbau in Summe dann sicherlich bis zu zehn Jahre.“ Es sei also wichtig, frühzeitig in die Planungen einbezogen zu werden.

Konermanns Appell: „Lasst es uns doch gleich richtig machen.“ Mit grob geschätzt 8 Milliarden Euro könnte jeder Autobahnrastplatz in Deutschland mit Hochspannung versorgt werden. Dann könnte man sowohl für Lkw als auch für Pkw jede Ladeleistung zur Verfügung stellen. Und damit würde sich vieles ändern: In diesem Fall würde nämlich die Batterie die Ladeleistung begrenzen – nicht die Ladesäule. (dpa/ben)

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