Der eActros 600 ist auf der Zielgeraden

Mercedes-Benz Trucks hat die Entwicklung des fernverkehrstauglichen E-Lkw mit einer Reichweite von mindestens 500 Kilometern pro Batterieladung abgeschlossen. Die Serienproduktion startet Ende 2024, bestellt werden können die aerodynamisch feingeschliffenen Lkw und Motorwagen bereits in diesem Jahr.

Großer Bahnhof für den eActros 600. (Foto: Bennühr)

Gut ein Jahr müssen die Elektro-Enthusiasten unter den Fuhrunternehmern noch warten – so lange braucht der Lkw-Hersteller Mercedes-Benz, um die Serienfertigung des neuen eActros 600 vorzubereiten. In der Zwischenzeit dürfen sie aber mit etwas Glück eines der 50 fernverkehrstauglichen Vorserienmodelle, die derzeit gebaut werden, in ihrem Fuhrpark ausprobieren.

Windschlüpfigkeit zählt

Einen ersten Blick auf das Serienmodell gewährte der Hersteller jetzt einem internationalen Publikum auf einem Autohof bei Hamburg. Dabei sorgte der eActros mit seiner auf den ersten Blick etwas gewöhnungsbedürftigen Optik für Aufsehen. Da, wo bei dem Standard-Diesel-Actros der Kühlergrill sitzt, besteht die Front des Elektromodells – bis auf einen auffälligen, nach innen versetzten Stern – aus einer glatten Fläche. Das kommt der Aerodynamik des Modells zugute, ebenso wie das völlig neue Design rund um die Lichteinheiten, die dem eActros einen futuristischen Touch verleihen.

Unter dem Strich ist der Elektro-Lkw damit rund 9 Prozent windschlüpfiger als sein Diesel-Pendant. Eine Notwendigkeit, um die versprochene Reichweite von 500 Kilometern pro Batterieladung tatsächlich ohne Abstriche erreichen zu können. Mit der hohen Kapazität seiner Lithium-Eisenphosphat-Batterien von über 600 Kilowattstunden wäre der eActros allerdings – abhängig von der Topografie – auch so durchaus in der Lage, dieses Ziel zu erreichen.

Die Ladesäulen-Kapazität macht es

Ein wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang ist die Ladefähigkeit der Batterien. Derzeit benötigt der eActros an einer CCS-Ladesäule (Combined Charging System) mit um die 400 Kilowatt Ladeleistung etwa eine Stunde, bis die Batterien von 20 auf 80 Prozent geladen sind. Steht künftig eine Megawatt-Charging-Infrastruktur zur Verfügung, halbiert sich die Zeit, so dass der Fahrer seinen Lkw in der gesetzlich vorgeschriebenen Pause von 45 Minuten ohne Zeitverzug wieder aufladen kann. Voraussetzung ist dabei, dass eine geeignete Ladesäule zur Verfügung steht.

Mercedes-Benz Trucks beziffert die Tagesreichweite des eActros mit deutlich über 1.000 Kilometer. Doch das dürfte in erster Linie für Fahrzeuge gelten, die im Mehrschichtsystem laufen sollen. Etwa 60 Prozent der Langstreckenfahrten in Europa sind ohnehin kürzer als 500 Kilometer, so dass Ladeinfrastruktur auf dem Betriebshof sowie an den Be- und Entladestellen für diese Fälle ausreichend ist.

Kräftiger Elektromotor

Speziell für den Einsatz im schweren Fernverkehr hat Mercedes-Benz Trucks eine neue, auf 800 Volt ausgelegte E-Achse mit zwei Elektromotoren und Vier-Gang-Getriebe entwickelt. Die E-Motoren generieren eine Dauerleistung von 400 Kilowatt sowie eine Spitzenleistung von 600 Kilowatt. Dabei steht die volle Motorleistung in den meisten Fällen nahezu ohne Drehmomentunterbrechung zur Verfügung.

Darüber hinaus lässt sich bei vorausschauender Fahrweise durch Rekuperation elektrische Energie zurückgewinnen, die in die Batterien zurückgeführt wird und im Anschluss wieder für den Antrieb zur Verfügung steht. Ein positiver Nebeneffekt des Konzepts ist, dass die Bremsen des eActros 600 weniger beansprucht werden. Situationsabhängig kann der Fahrer zwischen fünf verschiedenen Rekuperationsstufen wählen – oder er wählt über den Touchscreen des digitalen Cockpits die Option One-Pedal-Driving – also die Verzögerung per Rekuperation mit reduzierter Betätigung der mechanischen Bremse.

Flottenmanagement-Lösung inklusive

Über das serienmäßige Multimedia Cockpit Interactive 2 wird der künftige Fahrer eines eActros kontinuierlich über den Ladezustand der Batterien, die verbleibende Reichweite sowie den aktuellen und durchschnittlichen Energieverbrauch informiert. Flottenmanager können über das Fleetboard-Portal digitale Lösungen zur effizienten Steuerung ihrer Flotte nutzen.

Dazu werden zum Serienstart unter anderem ein individuell ausgearbeitetes Charge Management System wie etwa die smarte Steuerung aller Prozesse zwischen dem eActros 600 und der Ladeinfrastruktur sowie ein Logbuch mit detaillierten Angaben zu Fahr-, Stand- und Ladezeiten sowie Verbrauchsdaten zählen. Ebenso wird es ein Mapping-Tool geben, das in Echtzeit anzeigt, wo sich ein Fahrzeug gerade befindet, ob es fährt, steht oder lädt und wie hoch der Ladezustand der Batterie ist.

Die Gewichtsfrage

Mit eine der wichtigsten Fragen für einen Fuhrunternehmer ist die nach der Nutzlast eines Elektro-Sattelzugs. Derzeit bringen der eActros und der Sattelauflieger gemeinsam ein Leergewicht von 17 bis 18 Tonnen auf die Waage. Rechnerisch ergibt sich also für den 40-Tonner eine Nutzlast von 22 Tonnen. Ändern sich aber die Vorgaben für die Gewichte, wie es derzeit in Brüssel diskutiert wird, könnte das Zuggesamtgewicht um 2 oder sogar 4 Tonnen zulegen. Dafür sind natürlich von der Tragkraft her geeignete Achsen erforderlich, aber im besten Fall steigt die Nutzlast entsprechend.

Die TCO-Frage

Für den eActros ruft der Hersteller einen zwei- bis zweieinhalbmal höheren Anschaffungspreis auf – und der muss erst einmal erwirtschaftet werden. Wie schnell das gelingt, unterscheidet sich von Land zu Land, und vor allem die Strom- und Dieselpreise sowie die Mautgebühren sind dabei ausschlaggebend.

Nach Berechnungen von Mercedes-Benz Trucks wirken sich zum Beispiel in den großen Transitländern Frankreich und Deutschland ein niedriger Strompreis, respektive die geplante CO₂-basierte Lkw-Maut positiv auf die Betriebskosten batterieelektrischer Lkw aus. Unter diesen Voraussetzungen soll der eActros 600 innerhalb der durchschnittlichen Fahrzeug-Haltedauer von etwa fünf Jahren beziehungsweise nach etwa 600.000 Kilometern profitabler als ein Diesel-Fernverkehrs-Lkw sein.

Die CO₂-Emissionen

Der CO₂-Fußabdruck des eActros 600 hängt stark vom Strommix ab, mit dem die Batterien geladen werden. Mit dem aktuellen europäischen Strommix erzielt der Elektro-Lkw eine CO₂-Einsparung gegenüber einem vergleichbaren Diesel-Fahrzeug von rund 40 Prozent. Wird vollständig auf erneuerbare Energien zurückgegriffen, sind es mehr als 80 Prozent über den gesamten Produktlebenszyklus von zehn Jahren.

Ihr Feedback
Teilen
Drucken

Sie sind noch kein Abonnent?

Testen Sie DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen im Probeabo und überzeugen Sie sich von unserem umfassenden Informationsangebot.

  • Online Zugang
  • Täglicher Newsletter
  • Wöchentliches E-paper

 

Zum Probeabo

Jetzt DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen kostenlos testen

Sie sind noch kein Abonnent?

Testen Sie DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen im Probeabo und überzeugen Sie sich von unserem umfassenden Informationsangebot.

  • Online Zugang
  • Täglicher Newsletter
  • Wöchentliches E-paper

 

Zum Probeabo

Jetzt DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen kostenlos testen

Nach oben