Eine Frage der Logistikfähigkeit

Neben allen Förderungen und den daraus hoffentlich folgenden Taten: Was können Bahnen, Verlader und Spediteure zusätzlich tun, um den Schienengüterverkehr zu stärken?

Was können Bahnen, Verlader und Spediteure zusätzlich tun, um den Schienengüterverkehr zu stärken? (Foto: Deutsche Bahn AG / Oliver Lang)

Die gesellschaftliche Akzeptanz sowie die politische und finanzielle Unterstützung des Schienengüterverkehrs waren noch nie so hoch und vielfältig wie aktuell. Doch auch die Bahnen selbst können einiges beitragen, um den Anteil der Schiene am Güterverkehr bis 2030 auf mindestens 25 Prozent zu erhöhen. Joachim Berends, unter anderem Vorsitzender des Verwaltungsrats Schienengüterverkehr des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) und Vorstand der Bentheimer Eisenbahn AG, sagte auf dem BME-/VDV-Forum Schienengüterverkehr im Januar 2021, Bahnen müssten lernen, den Kunden auf den Mund zu schauen. Dem stimmte das Management von TX Logistik im vergangenen März bei der Befragung einiger Marktteilnehmer zum Thema durch die Redaktion zu: „Bahnen müssen die branchenspezifischen Logistikketten der Kunden mit den damit verbundenen Leistungs- und Laufzeitanforderungen verstehen und den Schienengütertransport als integrierte Lösung innerhalb der gesamten Supply Chain anbieten – möglichst aus einer Hand.“

Henrik Würdemann, Geschäftsführer der Captrain Deutschland-Gruppe, die unter dem Namen Smart-Rail Logistics die Idee vom Kombinierten Verkehr ebenfalls weiterentwickelt, sieht es ähnlich: Die Schiene könne die Anforderungen der Verlader an hochentwickelte Logistikkonzepte nur erfüllen, wenn sie ihre Logistikfähigkeit erhöhe. Er betont: „Nur, wenn Zug- und Rangierleistungen, Wagen, örtliche Infrastruktur und begleitende Informationen optimal aufeinander abgestimmt sind, kann die Eisenbahn ihre Stärken voll ausspielen und erhebliches Transportvolumina auf die Schiene verlagern.“ Zudem seien unternehmerisches Denken und Ergebnisorientierung entscheidend. Eine bessere Logistikfähigkeit ist auch für Prof. Uwe Clausen, Leiter des Instituts für Transportlogistik an der Uni Dortmund und des Fraunhofer-Instituts für Materialfluss und Logistik IML, einer der Schlüssel zu mehr Schienengüterverkehr.

Sigrid Nikutta, Vorstandsvorsitzende von DB Cargo, sieht ihr Unternehmen bereits als Logistiker: „Wir kümmern uns um die gesamte Logistikkette unserer Kunden. Somit stehen wir ganz am Anfang und am Ende der Produktionsprozesse, auch ohne Gleisanschluss beim Kunden. Wir holen auf Wunsch die Waren an der Werkbank ab, um sie eigenständig auf die umweltfreundliche Schiene zu verladen. Und wir bieten Kunden die Nutzung unserer Railports an, die wir deutlich ausbauen, um den Zugang zur Schiene zu vereinfachen und zu multiplizieren.“

Laut Carsten Taucke, Vorsitzender des Verkehrsausschusses des Bundesverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) und CEO des Lebensmittellogistikers Nagel Group, wären verkehrsträgerübergreifende, gemeinsam nutzbare First-/Last-Mile-Hubs sinnvoll, um die Schiene besser in Transportkonzepte einzubinden und weitere kundennahe Zugangsstellen zu schaffen. Zudem müssten Produktivität und Zuverlässigkeit steigen durch die Digitalisierung von gleisanschlussbezogenen Prozessen, die Einführung von Telematik und die weitere Automatisierung von Rangier-, Be- und Entladeprozessen.

Auch der DSLV Bundesverband Spedition und Logistik setzt sich für eine Verlagerung zusätzlicher Güter auf die Schiene ein. Dessen Präsident Axel Plaß befrachtet mit seinem eigenen Unternehmen, der Zippel Group, seit Jahren bereits Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU). Skeptisch ist Plaß hingegen, wenn EVU versuchen, in die angestammten Märkte der Spedition einzudringen:  „Ohne partnerschaftliche Beziehungen der EVU zum Logistiksektor und ohne klare Aufgabenteilung werden keine signifikanten Gütermengen zusätzlich verlagert.“ Plaß weist darauf hin, dass Speditionen als Verkehrsarchitekten eine Verlagerungsentscheidung nur dann zu Gunsten der Schiene treffen, „wenn sich EVU kundenneutral aufstellen und nicht versuchen, abseits ihrer Kernkompetenzen zu agieren.“

Besondere Rolle der Verlader und Spediteure

Silvius Grobosch, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik (BME), wendet sich auch an Verlader und Spediteure, um mehr Güter auf die Schiene zu bringen: „Anders als in der Vergangenheit sollte der unternehmerische Schwerpunkt nicht nur auf der Umsatz- und Gewinnsteigerung liegen, sondern auch die Zukunftsthemen Nachhaltigkeit und Umweltschutz stärker einbeziehen.“

Bei TX Logistik wünscht man sich von Verladern und Spediteuren, die Schiene stärker in Ausschreibungen zu berücksichtigen und „einfach mal die Schiene (zu) wagen.“ Ähnlich sieht es Taucke: „Die Einbindung der Schiene muss bei neuen Transportkonzepten mitgedacht werden.“ Er regt den Austausch von Best-Practise-Beispielen unter Verladern und Spediteuren an, um Nutzungsmöglichkeiten von Bahnen für das eigene Unternehmen zu entwickeln. Clausen führt neben diesen Punkten auch die erforderliche Berücksichtigung von Schieneninfrastruktur durch Verlader und Spediteure bei neuen Standortkonzepten an. Seiner Meinung nach könne auch Rückladung wie auf der Straße verstärkt durch Verlader und Spediteure bedacht beziehungsweise besorgt werden. Plaß weist darauf hin, dass die Schiene das Auslastungsrisiko nicht allein tragen könne. Verlader und Spediteure müssten daher Mengen garantieren, damit ein EVU planen könne.

„Weite Teile von Politik und Gesellschaft erwarten, dass die mit erheblichen Finanzmitteln versehene `Schiene´ nun Emissionseinsparungen und Verkehrswachstum `liefert´. Mit Blick auf die Erfahrungen seit der Marktöffnung 1994 ist dies allerdings nicht gesichert“, meint Thomas Rössler, geschäftsführender Gesellschafter der Hanseatic Transport Consultancy (HTC). Unternehmerisches Handeln sei unter den aktuellen Bedingungen nur eingeschränkt möglich: „Wie kann weitere Kapazität dispositiv gehoben werden ohne vorhergehende jahrelange Netzreparatur und -erweiterung? Die Infrastruktur ist bereits heute auf den Hauptabfuhrstrecken maximal ausgelastet und eine planmäßige Instandhaltung kaum noch möglich. Wie kann die Schiene den sukzessiven Entfall klassischer schwerer Güter wie Stahl und Kohle kompensieren und etwa in boomenden Branchen wie dem Paket- und Stückgutmarkt oder der Frischelogistik Fuß fassen? Hinzu kommt, dass in Europa ein Nebeneinander von noch immer dominierenden staatlichen und wenigen wirklich privaten Bahnen mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen besteht.“ Nicht zuletzt sei auch noch die Bevölkerung für mehr ökologisch vorteilhafte Verkehre vom Netzausbau vor der eigenen Tür zu überzeugen. Die Schiene bleibe äußerst spannend. (ben)

Wie können Bahnen ihre Logistikfähigkeit optimieren?

  • Betriebsabläufe stärker an Kundenbedürfnissen orientieren
  • Digitalisierung und Automatisierung im eigenen Unternehmen vorantreiben
  • Kooperationen und Partnerschaften eingehen
  • mit Leistung und neuen Ideen überzeugen
  • Informationsflüsse optimieren
  • künftige Warenströme analysieren
  • Personal schulen
  • Assets ausbauen und modernisieren
  • mehr und einfache Zugänge zum Schienengüterverkehr schaffen.

Wie können Verlader und Spediteure helfen, mehr Güter auf die Schiene zu bringen?

  • Verkehrsträger Schiene in Konzepte und Ausschreibungen einbinden
  • Standorte mit Schienenzugang versehen
  • Umweltvorteile einpreisen
  • Ladungsmengen garantieren
  • für Rückladung sorgen.
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