Schwere Zeiten für Schwertransporte

Aus der Ostsee in die Nordsee und den Rhein hinauf bis Speyer: Ein altes U-Boot geht an Land. Doch der Transport ist mühsam – und ein Indiz dafür, mit welchen Schwierigkeiten die Schwerlasttransporteure zu kämpfen haben.

In Kiel wurde das U-Boot demilitarisiert. Dann ging es durch den Nord-Ostsee-Kanal über die Nordsee in den Rhein, unter diversen Brücken hindurch bis in den Naturhafen von Speyer und dann über Land weiter bis ins Museum. Von dort aus geht es – ebenfalls über die Straße –
2024 weiter nach Sinsheim, dem neuen Liegeplatz von U17. (Foto: Technik Museen Sinsheim Speyer)

Applaus brandet auf, als das U-Boot auf das Gelände des Technikmuseums Speyer gleitet, getragen von einem 30-achsigen Tieflader, der von zwei Lkw der Spedition Kübler eingefasst ist. In den Beifall der Zuschauer mischt sich die Erleichterung des Teams, das „U17“ vom gut vier Kilometer entfernten Naturhafen am Rhein zum Museum gebracht hat. Dabei mussten die Lkw mit dem Tieflader und seiner fast 50 Meter langen und neun Meter hohen Ladung aus Stahl mehrmals rangieren, um 90-Grad-Kurven zu nehmen, und eine Ampel sowie ein Auto noch schnell aus dem Weg schaffen. Das Ruder kappte Äste an einem Baum – doch insgesamt lief alles „unfallfrei“, wie Michael Einkörn sagt. Der Leiter des Museumsstandorts Sinsheim, wo U17 nach dem Stopp in Speyer „landen“ soll, würde den Transport von der Schwierigkeit her auf einer Skala von eins bis zehn zwischen acht und neun einstufen. „Das Boot ist sehr schwer“, sagt er. „In manchen Bereichen war das schon eine Herausforderung.“

500 Tonnen wiegt die 2010 ausgemusterte Leihgabe der Bundeswehr, die vier Tage zuvor auf einem Schwimmponton der Koninklijke Van der Wees Groep Speyer erreicht hat – von Kiel aus, wo U17 zuvor „demilitarisiert“ wurde, über den Nord-Ostsee-Kanal, die Nordsee und den Rhein – bestaunt von vielen Tausend Menschen. Ein U-Boot sei „etwas Mystisches“, meint Einkörn, man könne es normalerweise nicht in Gänze sehen. Die Fahrt verlief gut, aber der Wasserstand sei hoch für die Jahreszeit. Kapitän Ben Kik musste in Mainz und Mannheim den Ponton mit Wasser beschweren, um unter einer Eisenbahn- und einer Fußgängerbrücke hindurchzukommen.

500 Tonnen

schwer, 48,6 Meter lang, 9 Meter hoch und 4,6 Meter breit ist U17.

Quelle: Technik Museen Sinsheim Speyer

Am Naturhafen im Auwald, wo eigens abgeholzt wurde, wird der in zwei Teilen gebrachte Tieflader zusammengefügt. Regie führt der technische Projektleiter der auf Schwergut spezialisierten Spedition Kübler, Frieder Saam, der den Transport nach eigenen Angaben seit fünf Jahren geplant hat. Zwei auf dem Ponton stehende Halterungen, auf denen U17 ruht, werden über eineinhalb Tage hinweg mit Hydraulikzylindern stufenweise angehoben, sodass der Tieflader rückwärts auf den Ponton und unter das U-Boot gefahren werden kann. Tags darauf zieht die 680-PS-Zugmaschine Hänger und Boot langsam vom Ponton, der – um den Gewichtsverlust auszugleichen und den Winkel der Rampe zu halten – wieder „Wasser fassen“ muss. Es folgt eine längere Rangieraktion. Anderntags startet U17 nach Speyer, 2.000 Menschen verfolgen seine erste Fahrt über Land. Übrig bleibt ein Streit zwischen der grünen Speyerer Umweltdezernentin und ihrer Partei auf der einen Seite, die das Abholzen im Auwald für rechtswidrig halten, was dagegen die Stadt bestreitet.

Nur wenige Möglichkeiten für Schwergut

Ob Boeing 747, Concorde oder U17: Alle paar Jahre befördert Kübler riesige Exponate für die Technik Museen, die Einsätze sind stets anspruchsvoll. Aber auch das „normale“ Geschäft hat es in sich. Dabei geht es oft um große Transformatoren, die für die Energiewende gebraucht werden. Sie könnten über 300 Tonnen wiegen, sagt Thorge Clever, Senior Projektmanager Bereich Power + Grid bei Kübler. Er beklagt, die Infrastruktur für diese Transporte werde nicht vorgehalten. Deswegen müsse man „immer sehr erfinderisch sein“ und „wahnsinnige Umwege“ und Klimmzüge machen.

Foto: Technik Museen Sinsheim Speyer
Foto: Technik Museen Sinsheim Speyer
Foto: Technik Museen Sinsheim Speyer

Schon vor dem Zweiten Weltkrieg war man Clever zufolge wegen des Gewichts dazu übergegangen, solche Transformatoren per Bahn zu befördern. Die Infrastruktur Schiene sei „gut ausgelegt“ gewesen, viele Umspannwerke erhielten Gleisanschlüsse. Nun bröckele diese Infrastruktur. „Das größte Problem“ sei, dass es auf der Schiene keine „Lücken“ mehr gebe, die es Sondertransporten ermöglichten, „zwischen“ normalen Zügen zu fahren. Denn die dafür nötige Infrastruktur – Güterbahnhöfe, Abstell- und Überholgleise, die als Ausweichort gebraucht würden – werde abgebaut. Die Folge: Die Transporte könnten nur fahren, wenn ihnen kein Zug entgegenkomme, keiner überholen wolle und sich kein regulärer Zug seinetwegen verspäte. So könne es passieren, dass ein Transport immer nur sonntags für vier Stunden fahren dürfe – und deshalb vier Wochen unterwegs sei. Und wenn viel los sei, könne man gar nicht fahren. Oder erst Monate später. „Es ist einfach kein Slot mehr da für diese Sondertransporte“, so Clever. Auch könnten „neuralgische Punkte“– etwa eine zu schwache Brücke an einem Flaschenhals – zum Umladen von der Bahn auf das Schiff zwingen, was „hohe sechsstellige Summen“ kosten könne. Wo kein Schiff hinkomme, blieben nur Schiene und Straße. Hier aber könnten etwa Baustellen überbreite Transporte verzögern. Denn diese dürften nicht einfach vorbeifahren, so Clever. Das könne ein Vierteljahr dauern. „Da werden riesige Umwege gemacht, um überhaupt noch ans Ziel zu kommen.“

Eine Sprecherin des Verbands Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE) sagt, seit der Bahnprivatisierung in den 1990ern sei im Netz „alles Mögliche abgebaut“ worden – aus Kostengründen oder weil es nicht benötigt worden sei. Nun, wo der Güterverkehr zunehme, „bräuchte man die Anlagen wieder“. Ein DB-Sprecher entgegnet, seit Jahren lege man keine DB-Anlagen und Gleise mehr still, die Kapazitäten seien „weitgehend konstant“, nötige Rückbauten kompensiere man andernorts. Die Infrastruktur wachse aber „nicht im gleichen Takt“ wie der Schienenverkehr. Die DB analysiere die Lage, habe schon Maßnahmen für mehr Kapazität initiiert und wolle das weiter tun.

Für U17 geht es 2024 noch spektakulärer weiter nach Sinsheim: So soll das U-Boot bei der Fahrt auf dem Neckar in Heidelberg mithilfe von Rollenbänken auf die Seite gedreht werden, damit es unter der alten Brücke hindurchpasst. Das habe noch nie jemand versucht, so der Präsident der Technik Museen Sinsheim Speyer, Hermann Layher. Von Haßmersheim aus geht es Clever zufolge dann etwa 50 Kilometer per Tieflader weiter, über Umwege und etwa 40 verschieden große Brücken, die A6 wird gequert, Bahn-Oberleitungen müssen angehoben, Fahrpläne abgestimmt werden. Drei Wochen soll das dauern, im Schritttempo und mit Zwangspausen. „Geduld brauchen Sie“, sagt Clever. „Da geht nichts schnell.“ Alltag im Schwerverkehr. (zp/fh)

Das Boot – die Geschichte von U17 im Film: dvz.de/technik-museum

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