Amazons Logistikkosten steigen rasant

Die Logistikausgaben des Onlineriesen Amazon sind im Coronajahr rasant gestiegen. Die weltweiten Kosten für den ausgehenden Versand und die Auftragsabwicklung (Fulfillment) haben sich im Geschäftsjahr 2020 um etwa 53 Prozent erhöht (siehe Grafik). Im Coronajahr legten die Ausgaben für den Versand nach DVZ-Berechnungen von 37,9 auf 61,1 Milliarden US-Dollar zu, was einem Plus von 61 Prozent entspricht. Die Fulfillment-Kosten stiegen um ungefähr 45 Prozent auf fast 58,5 Milliarden Dollar. Zum Vergleich: 2019 lagen die Zuwächse bei 37 beziehungsweise 18 Prozent. Der E-Commerce-Gigant zählt wegen des Onlinebooms in den Coronamonaten zu den großen Krisengewinnern.
Allerdings stiegen die Umsätze aus dem Eigenhandel sowie dem Marktplatz-Geschäft, der Cloud-Sparte und anderen kleineren Quellen bei weitem nicht so stark wie die Logistikkosten. Amazons Nettoumsatz legte 2020 um 37,6 Prozent auf 386,1 Milliarden Dollar zu (2019: plus 20,5 Prozent). Damit hat sich der Logistikkostenanteil binnen Jahresfrist von 27,9 auf 31 Prozent erhöht. Der Anteil ist in den vergangenen Jahren zwar jedes Jahr gestiegen. Der Sprung um mehr als 3 Prozentpunkte ist aber selbst für Amazon-Verhältnisse viel. Seit 2009 waren es immer weniger als 2 Prozentpunkte pro Jahr. Der Logistikkostenanteil hat sich seitdem fast verdoppelt. Die Kosten für den ausgehenden Versand und das Fulfillment sind zwischen 2009 und 2020 um das 31,5-Fache gestiegen.
Hintergrund: 2020 hat Amazon die Fläche des Logistiknetzes nach eigenen Angaben um 50 Prozent erhöht. Allein in Deutschland betreibt der Konzern nach DVZ-Recherchen inzwischen rund 50 Logistik-, Sortier- und Verteilzentren. Weitere rund 30 Standorte sind in Planung, wobei sich vor allem die Zahl der Paketverteilzentren noch deutlich erhöhen wird. Davon gibt es mittlerweile fast 30 in Deutschland, und mehr als 20 sind in Planung.
Das Wachstum des Onlineriesen habe Auswirkungen auf den deutschen Paketmarkt, sagt Kep-Experte Horst Manner-Romberg von der Beratung MRU. „Einen Teil der Volumina, die bisher an Paketdienstleister übergeben wurden, liefert Amazon nun selbst aus. Das könnte in einigen Regionen zu einer Schwächung des jeweiligen Netzes führen. Zudem erfordern die fehlenden Sendungsmengen häufig eine Neudisposition der Auslieferstruktur der Paketdienstleister.“ Dennoch habe diese Entwicklung aber auch positive Aspekte, „da der Druck aus den Netzen genommen wird, der aus dem anhaltenden Paketwachstum des Marktes resultiert“, sagt Manner-Romberg. „Der Markt hat im vergangenen Jahr Zuwächse von etwa 12 Prozent verzeichnet. Die Paketdienste hatten insofern genug damit zu tun, das Wachstum zu kompensieren. Da kommt es nicht ungelegen, dass Sendungen aus dem System genommen werden.“
Ob die Paketdienste Anteilsverluste befürchten müssen, sei nicht absehbar. „Wir sehen zwei gegenläufige Entwicklungen: Das Marktvolumen steigt, und gleichzeitig nimmt Amazon, als wohl größter Kunde, Sendungen aus dem System.“ Ein direktes Konkurrenzverhalten beobachtet der Kep-Experte nicht. „Inwiefern DHL gegen das Wachstum von Amazon gut gerüstet ist, lässt sich nur schwer beurteilen, denn es handelt sich um unterschiedliche Gegebenheiten, da das Amazon-Netz nicht allgemein offen für Dritte ist.“
Auch seine Flugaktivitäten baut Amazon rasant aus. Die Zahl der täglichen Flüge von Amazon Air wird sich bis kommenden Juni gegenüber Mai 2020 fast verdoppelt haben, wie Berechnungen im Rahmen einer Studie des Chaddick Institutes for Metropolitan Development ergeben haben. Aktuell betreibt die Fracht-Airline des Onlinehändlers durchschnittlich 140 Flüge pro Tag, 80 davon entfallen auf Transporte mit Maschinen des Typs B767 und die restlichen 60 auf die kleineren 737-Frachter. Laut Studie wird sich die Zahl der Flüge im Juni auf 160 erhöhen; im Mai vergangenen Jahres waren es 85.