Lkw-Fahrer rücken mehr in den Fokus der Politik

Ob es um die Förderung des Kombinierten Verkehrs, um längere Lkw oder um die Zustände auf Europas Raststätten geht: Zusammenhänge mit dem Fahrermangel werden bei Diskussionen in Brüssel inzwischen häufiger thematisiert, beobachtet Frank Hütten, der EU-Korrespondent der DVZ.

Iwona Blecharczyk, von Europaabgeordneten und vom polnischen Transportverband TLP eingeladen, um über ihre Erfahrungen als Fernfahrerin zu berichten, formuliert es ganz ähnlich wie Goethe: „Amerika, Du hast es besser“, dichtete der 1827. Bei Goethe geht es um „verfallene Schlösser“ und „vergeblichen Streit“ im alten Europa. Blecharczyk stört sich vor allem an verschimmelten Duschen, verstopften Toiletten und fehlenden Lkw-Parkplätzen. Eindrucksvolle Fotos von den Missständen hatte sie bei ihrem Auftritt in Brüssel vergangene Woche in Fülle dabei.

Müssen wir uns in der modernen Logistikwelt des 21. Jahrhunderts tatsächlich über solche Grundbedürfnisse unterhalten? Offenbar müssen wir. Die Löhne der Fahrer seien angesichts des zunehmenden Arbeitskräftemangels gestiegen, sagt TLP-Präsident Maciej Wronski. Und um Fahrer zu finden, böten viele Transportunternehmen auch deutlich flexiblere Arbeitszeiten mit mehr Heimataufenthalt an.

Was Fahrer aber als hartnäckige und gravierende Probleme kritisierten – auch in einer aktuellen Umfrage wieder: schlechte Behandlung an den Rampen, fehlende oder dreckige Toiletten und Duschen und der ständige Stress, einen Parkplatz zu finden.

Und was ist in Amerika besser? Blecharczyk, die in ihren zwölf Jahren als Lkw-Fahrerin auch in den USA gearbeitet hat, schwärmt von den Truck Stops dort. Parkplätze – mit dem Rücken zur Straße, wegen des Lärmschutzes – und Duschzeiten ließen sich dort per App reservieren, es gebe ausreichend warmes Wasser und saubere Handtücher, nach jedem Besucher werde gründlich gereinigt und gelüftet. Alles Dinge, von denen sie in Europa nur träumen könne.

Okay, als Preis für den Service würden 17 Dollar aufgerufen, doch die müsse ein Lkw-Fahrer normalerweise nicht zahlen. Die Kraftstoffkonzerne nutzten die Truck Stops als Mittel zur Kundenbindung, und wer im Monat über 1.000 Gallonen bei einer Kette tankt, duscht dort laut Blecharczyk gratis.

Auch in der EU gebe es gute Rastplätze, sagt Wronski. Zum Beispiel die nach EU-Standard zertifizierten „sicheren Lkw-Parkplätze“, oft mit EU-Fördergeld gebaut. Doch deren Zahl sei viel zu gering.

Die EU sollte nach Ansicht von TLP festlegen, wie viele Lkw-Parkplätze es an wichtigen Strecken geben muss, und das am Verkehrsaufkommen festmachen. Der Verband wünscht sich auch Vorgaben dafür, wie viele Sanitäranlagen auf eine bestimmte Anzahl Stellplätze kommen müssen, und verbindliche Mindeststandards für Wasch- und Essgelegenheiten sowie Lärmschutz. Finanziert werden könnte so etwas zum Beispiel über die Lkw-Maut, meinen einige Branchenvertreter. Schließlich seien Rastplätze wichtiger Teil der Straßeninfrastruktur. Das könnte ein Thema bei der Konkretisierung der EU-Wegekostenrichtlinie werden.

Die Lkw-Fahrer, das fällt auf, tauchen in Brüssel inzwischen häufiger in politischen Diskussionen auf. Zum Fall Gräfenhausen gab es zum Beispiel eine Aussprache im EP-Plenum. Ihren Vorschlag, in der reformierten Führerscheinrichtlinie begleitetes Lkw-Fahren ab 17 Jahren zu erlauben, begründet die EU-Kommission unter anderem damit, dass so mehr Nachwuchsfahrer rekrutiert werden könnten.

Auch in Diskussionen über das Für und Wider längerer Lkw argumentieren die Befürworter in letzter Zeit nicht nur mit mehr Effizienz, Treibstoff- und CO2-Einsparungen, sondern zuverlässig auch damit, dass für weniger (lange) Lkw auf der Straße auch weniger Fahrer gebraucht würden. Für die Förderung des Kombinierten Verkehrs wird teils mit dem Argument geworben, dass Kurzstreckenverkehr für viele Fahrer attraktiver sei als wochenlange Touren.

An die Fahrer denken: Das kann den politischen Debatten nur guttun. Saubere Toiletten und Duschen sollten in Europa allerdings schon heute selbstverständlich sein.

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