Bundesregierung: Transportwirtschaft braucht die politische Mitte
Vorige Woche war Wirtschaftswarntag und der Ruf nach einer „echten Wirtschaftswende“ wird immer lauter. Insbesondere die Transport- und Logistikbranche mahnt eine Verbesserung der Infrastruktur an – das ist keine neue, aber eine immer dringlichere Forderung. Die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft müssen sich verbessern, dazu gehören der Ausbau und die Instandsetzung von Straßen, Schienen und Häfen. Andernfalls droht möglicherweise als Nächstes ein Versorgungswarntag, wenn Engpässe in den Lieferketten aufgrund maroder Infrastruktur den Wirtschaftsstandort Deutschland weiter schwächen.
Um die wirtschaftlichen und infrastrukturellen Probleme anzugehen, bedarf es politischer Stabilität und eines gemeinsamen politischen Willens über die Parteigrenzen hinweg. Deutschland braucht eine Regierung der demokratischen Mitte, die nicht durch interne Streitigkeiten gelähmt wird. Nachdem die CDU mit der AfD eine Mehrheit für einen Antrag zur Verschärfung der Migrationspolitik gebildet hat, sind die Gräben zwischen den demokratischen Parteien sehr tief und müssen überwunden werden. Bei allen Differenzen muss klar sein: Es darf keine politische Übereinkunft mit rechtsextremen Positionen geben. Denn das gefährdet die Demokratie.
Der ehemalige Bundestagsvizepräsident Norbert Lammert (CDU) hat auf dem Deutschen Logistik-Kongress 2021 das Buch „Wie Demokratien sterben“ empfohlen. Darin wird unter anderem beschrieben, dass Demokratien gerade dann gefährdet sind, wenn konservative Parteien mit rechten Kräften gemeinsame Sache machen und glauben, diese kontrollieren zu können. In der gesamten Geschichte nach 1945 galt es als Tabu, Mehrheiten mit Parteien mit rechtsextremen Strömungen zu suchen oder deren Unterstützung billigend in Kauf zu nehmen. Dieses Tabu wurde vorige Woche gebrochen.
Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung sind inakzeptabel
Teile der Transport- und Logistikbranche haben sich vor einem Jahr in der DVZ klar positioniert: Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Ausgrenzung werden in den Unternehmen nicht akzeptiert. Logistik steht für Weltoffenheit, freien Handel und Kooperation. Die politische Rechte steht in Deutschland und Europa für Abschottung, geschlossene Grenzen und wirtschaftlichen Protektionismus – all das widerspricht den Prinzipien einer funktionierenden Logistik. Selbstverständlich müssen die Probleme und Versäumnisse der Asyl- und Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre offen diskutiert werden – jedoch ohne rassistische Narrative oder extremistische Ideologien.
Es reicht nicht aus, rechtsextremes Gedankengut nur verbal abzulehnen. Diejenigen, die es in sich tragen, dürfen keine Bühne bekommen. Auf Kongressen und Branchentreffen der Logistikwirtschaft, wo es um internationale Verflechtungen und Kooperationen geht, sind solche Akteure ohnehin entbehrlich, da sie weder über verkehrspolitische noch über wirtschaftliche Kompetenz verfügen. Im Klartext: Das Programm der AfD bietet keine realistischen Lösungen für die Herausforderungen der Verkehrswirtschaft. Und selbst wenn dies der Fall wäre, würde sich eine Zusammenarbeit verbieten.
Natürlich kann man AfD-Politiker fragen, wie sie eine nicht europarechtskonforme Migrationspolitik betreiben und zugleich das Fachkräfteproblem angehen wollen. Aber genau darin liegt die Gefahr: Solche Debatten verschieben den Diskursrahmen und machen extreme Positionen salonfähig. Die große Herausforderung für die demokratischen Parteien besteht darin, Lösungen zu finden, ohne sich auf gefährliche politische Experimente einzulassen.