Logistiker beziehen Position gegen Rechtsextremismus

Die DVZ hat Vertreter von Transport- und Logistikunternehmen sowie Branchenverbänden gefragt, welche Stellung sie zum Erstarken der AfD beziehen. In dem drittgrößten Wirtschaftsbereich Deutschlands zeigen sich viele Verantwortliche besorgt und nehmen eine klare Haltung gegen rechte Gesinnung ein.

Illustration: DVZ

Deutschlandweit gehen Bürgerinnen und Bürger, Wirtschaftsvertreter und Kulturschaffende auf die Straße, um gegen Rechtsextremismus und neonazistische Netzwerke zu demonstrieren. In Wirtschaft und Gesellschaft formiert sich nach Bekanntwerden eines Geheimtreffens von AfD-Politikern und Rechtsextremen Widerstand gegen die Partei. Die DVZ erreichten zur aktuellen Debatte über das Erstarken der AfD und ­rechtsextreme Tendenzen viele Zuschriften aus der Branche.

Die Politik der AfD ist eine Gefahr für den gesellschaftlichen Frieden und die Grundwerte, die unser Land prägen: Demokratie, Toleranz und Vielfalt. Reiner Heiken, CEO Hellmann Worldwide Logistics, Osnabrück

Die Logistikbranche verkörpere wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig Weltoffenheit, transnationale Beziehungen und Internationalität, betont beispielsweise Reiner Heiken, CEO von Hellmann Worldwide Logistics in Osnabrück. „Im Gegensatz dazu steht die Politik der AfD. Die propagierte Rückkehr zum Nationalstaat und die Ausgrenzung vieler Mitbürgerinnen und Mitbürger gefährdet den Wirtschaftsstandort Deutschland und damit unser aller Wohlstand. Darüber hinaus – und das wiegt ebenso schwer – ist die Politik der AfD eine Gefahr für den gesellschaftlichen Frieden und die Grundwerte, die unser Land prägen: Demokratie, Toleranz und Vielfalt. Wir haben bei Hellmann viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Migrationshintergrund. Und ich bin für jeden von ihnen dankbar. Die Hellmann-Familiy ist bunt, und Deutschland ist bunt. So soll es auch bleiben.“

Wir beobachten den ­allgemeinen Rechtsruck in Europa und insbesondere das Erstarken der AfD hierzulande mit großer Sorge. Vorstand Fiege, Greven

Ähnlich äußert sich der Vorstand des Grevener Logistikdienstleisters Fiege. „Wir beobachten den allgemeinen Rechtsruck in Europa und insbesondere das Erstarken der AfD hierzulande mit großer Sorge. Demokratische Grundprinzipien, die in unserer Gesellschaft lange als selbstverständlich galten, werden durch rechtspopulistische und rechtsextreme Kräfte bedroht. Wir treten dieser Entwicklung mit aller Entschlossenheit entgegen und verurteilen Hass, Hetze und Fremdenfeindlichkeit aufs Schärfste.“

Die internationale Zusammenarbeit ist charakteristisch für den Dienstleister. „In unserem Familienunternehmen arbeiten über 23.500 Menschen aus 123 Nationen in 15 Ländern zusammen“, unterstreicht der Fiege-Vorstand. „Wir erleben jeden Tag, dass es gerade diese Vielfalt ist, die unsere Arbeit besonders macht und in unseren Teams zu besseren Entscheidungen führt. Wir stehen für eine offene und solidarische Gesellschaft ein und wehren uns gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Diskriminierung und jegliche Form von Gedankengut, das unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung infrage stellt.“

Vielfalt charakterisiert die Unternehmen

Demokratiefeindliche, ausgrenzende, freiheitsbeschränkende und diskriminierende Strömungen sind für Logistiker rundum inakzeptabel. Die Branche setzt auf Austausch und Miteinander. „Als Logistiker mit hanseatischen Wurzeln ist BLG Logistics aus Tradition weltoffen“, teilen Frank Dreeke, Vorsitzender des Vorstands, und Ulrike Riedel, Arbeitsdirektorin und Mitglied des Vorstands des Bremer Dienstleisters, in einer gemeinsamen Stellungnahme mit. „Wir sind Teil weltweiter Logistiknetzwerke und stehen für die Verbindungen zwischen Ländern und Märkten, aber auch zwischen Menschen und Kulturen. Es ist unsere Überzeugung, dass Vielfalt in jeglicher Form ein essenzieller Bestandteil einer offenen und inklusiven Gesellschaft ist – einer Gesellschaft, in der alle Menschen frei und sicher leben können.“

Die Anerkennung, Wertschätzung und Berücksichtigung von Unterschieden seien fest in der Unternehmenskultur der BLG verankert und leisteten einen wichtigen Beitrag zum unternehmerischen Erfolg. „Wir beschäftigen Mitarbeitende aus über 100 Ländern. Alle bringen eigene Hintergründe, Erfahrungen und Fähigkeiten mit und tragen zur Vielfalt und Stärke unseres Unternehmens bei. Deshalb positionieren wir uns entschieden gegen menschenfeindliche und rechte Tendenzen und treten für ein respektvolles Miteinander ein – in unserem Unternehmen und auch außerhalb.“

Der Chemielogistiker Talke in Hürth betont ebenfalls seine Unternehmenswerte, die auf drei Säulen basieren: Respekt, Gemeinschaft und Weltoffenheit. „Diskriminierung und Ausgrenzung in jeglicher Form, sei es aufgrund ethnischer und kultureller Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht, Alter, Glaubensbekenntnis, Nationalität, politischer Meinung, sexueller Orientierung, des äußeren Erscheinungsbildes oder Behinderung, tolerieren wir nicht und verurteilen wir auf das Schärfste“, stellt Christoph Grunert, Mitglied der Geschäftsführung von Talke, fest. „Entwicklungen, die gegen diese Werte sprechen, betrachten wir daher mit großer Sorge – egal aus welcher politischen oder ideologischen Richtung sie kommen.“

Das Erstarken einer Partei wie der AfD, die deutlich rechtspopulistische bis rechtsextreme Positionen beziehe, sei für Talke besorgniserregend. „Es vergiftet das gesellschaftliche Klima und schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland. Mit Abschottung und Konflikt werden die bestehenden Probleme nur vergrößert, während Zusammenarbeit, Austausch, Kompromiss und Verständnis echte Lösungen bieten“, sagt Grunert. Die Unternehmenskultur sei von Vertrauen, Teamwork, Vielfalt und Weiterentwicklung geprägt und stehe im Gegensatz zu den Ideen der Abschottung und Ausgrenzung. „Wir glauben fest an die Werte der Demokratie, Toleranz und Gleichheit, welche die Grundlage unserer Gesellschaft und unseres wirtschaftlichen Handelns bilden.“

Migration sichert Geschäftsmodelle

Zugleich hat Grunert eine Forderung an die Politik der Parteien mit demokratischem Konsens. „Wir sehen die Migration als wesentlichen Faktor für die langfristige Sicherung unseres Geschäftsmodells und des Wohlstandes in der Europäischen Union. In diesem Zusammenhang fordern wir zu einer offenen und respektvollen Diskussionsführung auf, die frei von angstschürender Rhetorik ist und die das internationale Ansehen sowie den Wohlstand Deutschlands nicht untergräbt. Wir appellieren an alle politischen Akteure, gemeinsame Lösungen zu erarbeiten und die Diskussionen auf eine sachliche Ebene zu bringen. Es ist entscheidend, dass eine Politik verfolgt wird, die konkrete Antworten auf die Anliegen und Herausforderungen der Bevölkerung bietet und somit das Vertrauen in unsere demokratischen Institutionen stärkt.“

Die Logistikwirtschaft ist eine global agierende Branche mit entsprechender Beschäftigungsstruktur. „Wir stehen für internationale Zusammenarbeit, unsere Mitarbeiter kommen aus vielen verschiedenen Ländern, unsere Lkw fahren durch ein weitgehend grenzenloses Europa“, sagt Thomas Fiedler, Speditionsleiter und COO bei DLS Land und See Speditionsgesellschaft in Siek. „Wir positionieren uns klar gegen Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung.“

Die Logistikwirtschaft ist multikulturell. Viele Beschäftigte bei den Dienstleistern haben einen Migrationshintergrund. Das ist nichts Besonderes, sondern selbstverständlich. „In einer größeren Dachser-Niederlassung in Deutschland arbeiten Tag für Tag Menschen aus über 30 Nationen zusammen“, sagt CEO Burkhard Eling im Namen des Vorstands von Dachser in Kempten. „Dazu kommen viele Kolleginnen und Kollegen, deren familiäre Wurzeln ganz oder zum Teil im Ausland liegen. Sie alle halten auf allen Ebenen des Unternehmens die Lieferketten unserer Kunden am Laufen. Sie sorgen dafür, dass die Regale in Supermärkten und Baumärkten gefüllt sind und die lokale Wirtschaft mit Waren versorgt wird.“

Multinationale Vielfalt und Offenheit sehen wir als wichtigen Erfolgs­faktor für unsere Zukunft als Unternehmen. Burkhard Eling, CEO Dachser, Kempten

Auch Eling betont einen der grundlegenden Werte des Familienunternehmens: „Weltoffenheit und Respekt.“ Mit dieser Unternehmenskultur und auf der Grundlage offener Grenzen und des freien Welthandels sei man in den vergangenen Jahrzehnten gewachsen. „Multinationale Vielfalt und Offenheit sehen wir als wichtigen Erfolgsfaktor für unsere Zukunft als Unternehmen.“ Eling stellt weiter klar: „Rechtsradikales Gedankengut, Intoleranz und Abschottung sind mit den Werten unseres Unternehmens nicht vereinbar. Als Vorstand von Dachser positionieren wir uns deswegen mit klarer Haltung gegen jede Form des politischen Extremismus.“

Schaden vom Europagedanken abwenden

Eine klare Abgrenzung von rechtem Gedankengut ist bei den Logistikunternehmen deutlich zu vernehmen. Alles andere widerspricht dem eigenen Selbstverständnis. „Der Erfolg des deutschen und europäischen Gesellschaftsmodells beruht auf den Grundprinzipien Integrität, Toleranz und gegenseitigem Respekt. Unwahre, vereinfachte, überspitzte und unsachliche Aussagen in jedwede Richtung erschüttern die deutsche und europäische Art des Zusammenlebens“, teilt die Geschäftsleitung von Elflein in Bamberg mit.

Deshalb stelle sich das Unternehmen ganz klar gegen extremistische Tendenzen. „Wir sind fest davon überzeugt, dass der Wert und die Würde jedes Einzelnen anerkannt werden muss, unabhängig von ethnischer Herkunft, Nationalität, Geschlecht, Alter, Behinderung, Religion oder Weltanschauung sowie sexueller Identität und Orientierung. Belästigung, Mobbing, Einschüchterung und Machtmissbrauch werden in unserem Unternehmen strikt untersagt und haben keinen Platz in unserer Unternehmenskultur. Die grundlegenden Prinzipien eines friedlichen und erfolgreichen Zusammenlebens und -arbeitens sind unverhandelbar. In unserem Unternehmen ist kein Raum für Hass und soziale Ausgrenzung.“

Die Internationalität und Vielfalt stellt auch Helge Bogisch, Country Manager Germany, Bracchi Deutschland Transport und Logistik in Ettenheim, heraus. Mit Blick auf den Fachkräftemangel sagt er: „Wir brauchen ausländische Mitbürger, die auch die Logistik am Laufen halten. Wir haben sehr viele ausländische Mitarbeiter.“ Die Beschäftigten unterstützten aber nicht nur, um die tägliche Arbeit zu bewältigen, sondern sie bereicherten die Unternehmenskultur.

Politischer Diskurs gegen polemische Parolen

Mit Blick auf die AfD ist Bogisch der Meinung, dass die Partei nur dann in die Schranken gewiesen werden kann, „wenn wir uns politisch mit ihr auseinandersetzen und allen Wählern zeigen, dass diese Partei nicht wählbar ist, da die Ideen und Lösungen entweder nicht umsetzbar und nicht finanzierbar sind oder sich absolut gegen Menschenrechte und alle ethischen Ansichten der Bundesbürger richten“. Die Partei habe keine Lösungen für Probleme, sondern liefere nur polemische Stammtischparolen.

Die Betonung der Weltoffenheit der Logistikwirtschaft zieht sich wie ein roter Faden durch die Stellungnahmen gegenüber der DVZ. So wie bei Bernd Themann, Geschäftsführer der Lagerhaus Harburg Spedition in Hamburg. „Als Logistikunternehmen leben wir von und in einer globalen Welt. Das beginnt mit den Produkten in unseren Lägern und geht mit den Mitarbeitern unterschiedlichster Herkunft und Religionen weiter. Bei uns trifft sich die Welt. Hier haben Antisemitismus und Rechtsextremismus wahrlich keinen Platz.“

Der Geschäftsführer plädiert zudem für eine differenzierte politische Debatte. „Die Ängste und Bedürfnisse der Menschen muss die Politik jedoch ernst nehmen, und kontroverse Meinungen sollten nicht per se in das rechte Lager degradiert werden. Nur so entziehen wir der AfD die Wähler und damit Macht. Demokratie ist ein hohes Gut und kommt nicht auf Bestellung per Paketdienst“, sagt Themann.

Aus der rechten Szene wurden rechtsextreme Parolen und Positionen in den vergangenen Monaten und Jahren immer unverhohlener formuliert. Nun ist der Punkt erreicht, an dem sich Widerstand regt. Die Wirtschaft merkt, dass etwas getan werden muss. „Die derzeitige politische Entwicklung in unserem Land ist sehr besorgniserregend“, findet Nicolas Gallenkamp, CEO der Nosta Group in Osnabrück. „Insbesondere dem Erstarken rechtsextremistischer Kräfte muss mit einer klaren Haltung begegnet werden: nicht noch einmal!“

Atmosphäre der Inklusion und des Respekts schaffen

Jegliche Form von Rassismus und Diskriminierung habe in seinem Unternehmen keinen Platz. Die Beschäftigten repräsentierten eine breite Palette von Kulturen, Sprachen und Perspektiven. „Es ist unser Ziel, nicht nur intern, sondern auch in der breiteren Gemeinschaft, in der wir tätig sind, eine Atmosphäre der Inklusion und des gegenseitigen Respekts zu fördern“, betont Gallenkamp. „Unsere Kunden, Partner und Mitarbeitenden wissen, dass wir als internationaler Logistikdienstleister über die Grenzen hinweg arbeiten und dass wir uns für eine Welt einsetzen, in der Vielfalt und Toleranz als Stärken anerkannt werden.“ Gallenkamp appelliert an die aktuelle Regierung, „den Staat durch kluge und vor allem weitsichtige Entscheidungen zu schützen. Die Erstarkung extremistischer Parteien muss unbedingt auch als Protest verstanden werden. Bereits Konrad Adenauer mahnte mit den Worten: Man darf niemals ‚zu spät‘ sagen. Auch in der Politik ist es niemals zu spät. Es ist immer Zeit für einen neuen Anfang.“

Für eine bundesweite Protestwelle gegen rechte Hetze wurde es allerhöchste Zeit. Stephan Opel, Geschäftsführer NG.Network, Niederaula

Demokratie ist keine Selbstverständlichkeit. Ihr Schutz ist ein zentrales Anliegen der Wirtschaft, denn viele sehen sie in Gefahr. „Für eine bundesweite Protestwelle gegen rechte Hetze wurde es allerhöchste Zeit, damit die sogenannte Mitte der Gesellschaft klar aufzeigt, dass akuter Handlungsbedarf besteht und sich eine (noch) gefestigte Demokratie mit aller Kraft gegen solche Auswüchse stemmen muss“, konstatiert Stephan Opel, Geschäftsführer des Stückgutnetzwerks NG.Network in Niederaula. Das Grundgesetz, das in diesem Jahr den 75. Geburtstag feiere, habe eine ganz klare Botschaft: „Nie wieder.“

Opel hält es für enorm wichtig, dass sich Unternehmen öffentlich klar positionierten. Darüber hinaus stünden sie jedoch auch in der Verpflichtung, die eigenen Mitarbeitenden immer wieder auf die Folgen von rechter Polarisierung und Radikalisierung hinzuweisen. „Hass und Ressentiments kommen nicht aus dem Nichts, sie werden geschürt und von denen gelenkt, die sich selbst zum Teil im Hintergrund halten“, warnt Opel. „Es ist also dringend an der Zeit, sich zu fragen, wer für dieses Thema der Menschen- und Demokratieverachtung verantwortlich ist. Wir alle haben die Möglichkeit, an entsprechenden Demonstrationen gegen Rechtsextremismus teilzunehmen, ebenso können wir uns an aktuellen Petitionen beteiligen, beispielsweise der gegen AfD-Hardliner Björn Höcke, die bis heute deutlich mehr als eine Million Unterschriften aufzuweisen hat. Diskriminierung, Intoleranz und Ausgrenzung lehnen wir entschieden ab, die Menschenwürde steht nicht umsonst an der Spitze unserer Verfassung. Und wenn Parteien oder Politiker diese Verfassung und unser damit verbundenes Wertesystem bekämpfen, dann dürfen wir keine Zeit mehr verlieren, dagegen vorzugehen.“

Vertrauen in politische Institutionen stärken

Dies sehen offenbar viele Branchenvertreter so, denn die Resonanz auf die Anfrage der DVZ war sehr groß. „Gerade Logistikdienstleister, die die Wirtschaft vieler Länder miteinander vernetzen und bei welchen Mitarbeitende aus verschiedensten Nationen zusammenkommen, müssen sich zu der aktuellen Situation äußern“, fordert Axel Frey, CEO der Seifert Logistics Group in Ulm. Vielfalt in der Belegschaft sei ein zentraler Aspekt der Unternehmenskultur. Eine diverse Belegschaft führe zu einem kreativen Arbeitsumfeld, in dem unterschiedliche Perspektiven und Erfahrungen zu innovativen Lösungen beitrügen. Dabei sei wichtig, dass alle Mitarbeitenden die gleichen Chancen erhielten und sich wohlfühlten.

Gerade Logistikdienstleister, die die Wirtschaft vieler Länder miteinander vernetzen und bei welchen Mitarbeitende aus verschiedensten Nationen zusammenkommen, müssen sich zu der aktuellen Situation äußern. Axel Frey, CEO Seifert Logistics Group, Ulm

„In Bezug auf die aktuellen politischen Entwicklungen sind wir besorgt über Geheimtreffen von Rechtsextremen zur massenhaften Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund“, sagt Frey. „Transparenz und offener Dialog sind grundlegende Prinzipien einer funktionierenden Demokratie. Daher möchten wir politische Entscheidungsträger dazu ermutigen, Diskussionen und Entscheidungen in einer offenen und demokratischen Weise zu führen, um das Vertrauen der Bevölkerung in die politischen Institutionen zu stärken.“ Die wachsende Anziehungskraft extremistischer Parteien sei besorgniserregend. Frey fordert daher, „dass die aktuelle Politik auf die Anliegen und Bedürfnisse der Bevölkerung eingeht und notwendige Veränderungen vornimmt. Andernfalls riskieren wir, dass Teile der Wählerschaft sich von den etablierten Parteien abwenden und extremistische Ideologien übernehmen“.

Auch andere Stimmen sehen eine Verantwortung bei den bürgerlichen Parteien und der Regierung, etwas gegen den Wählerzulauf zur AfD zu tun. So sagt Jörg Mosolf, Vorstand der Mosolf Group in Kichheim unter Teck: „Die AfD kann man nur mit guter Politik bekämpfen, da schließe ich mich dem Bundespräsidenten an.“ Einen Schritt weiter geht Roland Rüdinger, Geschäftsführer der Rüdinger Spedition in Krautheim. „Würde die Ampel eine vernünftige Politik machen, würde die AfD niemand wählen“, lautet seine Einschätzung. Er spricht damit einen Punkt an, der in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert wird.

Demokratie und Grundrechte verteidigen

Die Frage dabei ist, ob die AfD überwiegend aus Protest gewählt wird. Bei einer Umfrage von Infratest Dimap im vergangenen Jahr haben knapp drei Viertel der Wählenden angegeben, ihre persönlichen Grundüberzeugungen seien sehr nah an denen der Partei. Knapp jeder Dritte, der der AfD seine Stimme gibt, hat den Wahlforschern zufolge ein geschlossen rechtsextremes Weltbild. Derartige Wähler dürften sich schwer zurückgewinnen lassen. Zugleich gaben zwei Drittel an, von den anderen Parteien enttäuscht zu sein. Der Politologe und Politikberater Johannes Hillje sagte gegenüber BR24 schon im August vergangenen Jahres: „Ich glaube, die Protestwähler-These ist eine bequeme Erzählung der demokratischen Kräfte, um sich einzureden, es sei nicht der Rechtspopulismus oder gar Rechtsextremismus, der die Wähler anspreche, und sie seien allesamt rückholbar für die anderen Parteien.“

Vor 14 Tagen hat das Recherchezentrum Correctiv in Essen ein Geheimtreffen von Rechtsextremen, an dem auch AfD-Politiker teilgenommen haben, aufgedeckt. Dies war der Ausgangspunkt für die derzeitigen Massenproteste. „Der Blick hinter die AfD-Fassade zeigt, dass die Einstufung von Parteifunktionären und Mitgliedern als ‚gesichert rechtsextrem‘ begründet ist“, sagt Jörn Peter Struck, Geschäftsführer der Stückgutkooperation Cargoline in Dietzenbach. „Sofern die AfD freiheitliche Grundrechte infrage stellt und die AfD mit Rechtsextremismus gleichzusetzen ist, wird Cargoline sich klar gegen die AfD positionieren und die Demokratie verteidigen.“ Jede Form von praktizierter Ausgrenzung, Diskriminierung und Intoleranz lehne man bei Cargoline ab.

Struck hält es für notwendig, dass sich in der aktuellen Politik etwas ändert. „Bei aller gerechtfertigten Kritik an der AfD sollte man aber nicht vergessen, woher dieses plötzliche Erstarken kommt. Es basiert in vielen Fällen auf der Unzufriedenheit mit der Ampel-Regierung. Sich jetzt angesichts der vielen Proteste gegen Rechts deutschlandweit zufrieden zurückzulehnen und weiterzumachen wie bisher, wäre ein großer Fehler.“

Interessenvertreter sind für klare Abgrenzung

Auch Vertreter von Branchennetzwerken und Verbänden meldeten sich auf den DVZ-Aufruf. Der Tenor ist ähnlich wie bei den Unternehmern. „Es ist richtig und wichtig, dass unmissverständlich Zeichen gegen Extremisten und ihre Organisationen gesetzt werden“, unterstreicht Thomas Wimmer, Vorsitzender des Vorstands der Bundesvereinigung Logistik (BVL). „Also gegen alle, die nicht zu den Werten der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen oder diese gar einschränken oder abschaffen wollen. Wir brauchen das breite gesellschaftliche Signal, dass die große Mehrheit rassistische, menschenverachtende und ideologische Politik ablehnt und ächtet.“

Der BVL-Chef plädiert zudem für eine intensive Diskussionskultur bei politischen Themen. „Wir brauchen differenzierte inhaltliche Auseinandersetzungen – mit klarer Benennung von ‚pain points‘ und eigenen Verbesserungspotenzialen anstelle politischer Selbstzufriedenheit etablierter Parteien und Fingerzeigen auf andere. Diskurse sind wertvoll. In den Debatten kommen der Wirtschaft und speziell der Logistik wichtige Rollen zu.“ Daher hält Wimmer es für wichtig, dass sich die Logistikwirtschaft nun klar positioniert. „Die Logistik beschäftigt internationale Arbeitskräfte erfolgreich und gern. Logistik arbeitet weltweit, grenzüberschreitend und interkulturell. Vielfalt ist unsere Stärke. Wir können uns nicht neutral verhalten, sondern müssen Haltung zeigen und klar sein in der Ablehnung antidemokratischer Tendenzen und Hetze. Extremistisches Denken und Handeln hat keinen Platz in unseren Unternehmen und in der freiheitlich-demokratischen Gesellschaft.“

Auch der Landesverband Thüringen des Verkehrsgewerbes (LTV) äußert sich: „Als Arbeitgeber- und Wirtschaftsfachverband vertreten wir die unternehmerischen Interessen unserer Mitglieder. Wir sind politisch neutral. Wir achten die Werte unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Rassismus, Diskriminierung und jegliche Form der Menschenverachtung lehnen wir strikt ab.“

Unabhängig von der DVZ-Umfrage hat sich der Reederverband VDR zu Wort gemeldet. In einer Erklärung hieß es, die deutschen Reeder stellten sich gegen Rechtsextremismus und plädierten für die Förderung einer internationalen, multikulturellen und offenen Gesellschaft. „Angesichts der zunehmenden rechtsextremen Tendenzen, die in unserer Gesellschaft besorgniserregend an Bedeutung gewinnen, fühlen sich der Verband Deutscher Reeder und seine Mitgliedsunternehmen verpflichtet, eine klare und entschiedene Haltung einzunehmen. In unserem Einsatz für eine offene Gesellschaft lehnen wir jede Form von Ausgrenzung, Diskriminierung und Intoleranz ab.“

Die Schifffahrt stehe seit jeher für Vielfalt und internationale Zusammenarbeit. Die Besatzungen auf den Schiffen seien eine bunte Mischung aus verschiedenen Kulturen, Sprachen und Traditionen und zeigten, dass ein respektvolles und produktives Miteinander über kulturelle und nationale Grenzen hinweg möglich ist, so der VDR. „Diese multikulturelle Gemeinschaft ist ein lebendes Beispiel für Offenheit und gegenseitige Achtung.“ Als Vertreter der deutschen Reedereien betrachte man Diversität als eine der größten Stärken.

Ihr Feedback
Teilen
Drucken

Sie sind noch kein Abonnent?

Testen Sie DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen im Probeabo und überzeugen Sie sich von unserem umfassenden Informationsangebot.

  • Online Zugang
  • Täglicher Newsletter
  • Wöchentliches E-paper

 

Zum Probeabo

Jetzt DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen kostenlos testen

Sie sind noch kein Abonnent?

Testen Sie DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen im Probeabo und überzeugen Sie sich von unserem umfassenden Informationsangebot.

  • Online Zugang
  • Täglicher Newsletter
  • Wöchentliches E-paper

 

Zum Probeabo

Jetzt DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen kostenlos testen

Nach oben