Schwedische Wirtschaft drängt auf Bahnausbau nach Süden

Wenn der Fehmarnbelt-Tunnel öffnet – geplant ist das für 2030 –, sieht Ellen Dahl von der Industrie- und Handelskammer Südschweden Verkehrsprobleme auf die Region zwischen Malmö und Linköping zukommen. „Wir riskieren, zum größten Nadelöhr für den Bahnverkehr in Nordeuropa zu werden“, sagte sie bei einer Veranstaltung in Brüssel. Schwedische Regionalpolitiker und Wirtschaftsvertreter unterstrichen dabei, für wie wichtig sie den Ausbau der Bahnverbindungen in Südschweden und damit die Anbindung des Fehmarnbelt-Tunnels an Stockholm im Osten sowie Göteborg und Oslo im Westen halten.
Wichtige Verbindungen zwischen Stockholm und Malmö (Linköping–Jönköping–Borås und Jönköping–Hässleholm) waren bis 2022 Teil des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V). Für dessen Ausbau auf einen vorgeschriebenen Mindeststandard können neben nationalen auch EU-Fördermittel aus der Connecting Europe Facility (CEF) in Anspruch genommen werden. Die neue schwedische Regierung legte nach ihrem Amtsantritt vor knapp drei Jahren allerdings Pläne für den Ausbau der Strecke zwischen Linköping und Malmö auf Eis, auch andere Ausbauprojekte in Südschweden haben seitdem keine Priorität mehr.
Kritik an Regierungspartei aus dem eigenen Lager
Das sei „sehr schlecht“, findet Jan Owe-Larsson, Vorsitzender des Verkehrsausschusses der Region Östergötland, obwohl er zur selben Partei gehört wie Premierminister Ulf Kristersson. „Die Moderate Partei hat in diesem Fall das Falsche getan“, sagte Owe-Larsson. Er sieht einen der Gründe für die Herausnahme aus dem TEN-V-Plan darin, dass die Regierung einen Ausbau zur Hochgeschwindigkeitsstrecke überflüssig fand, auf der 320 Kilometer pro Stunde möglich sind. Ein Missverständnis, findet Owe-Larsson. Ein solch hohes Tempo müsse nicht garantiert werden.
Das bestätigt auch Martin Zeitler von der EU-Kommission, Berater von Pat Cox, dem EU-Koordinator für den europäischen Verkehrskorridor Skandinavien–Mittelmeer (ScanMed). 160 Kilometer pro Stunde seien ausreichend. Auch ohne Aufnahme ins TEN-V sei aber natürlich ein Ausbau der Bahnstrecken möglich und es gebe auch Möglichkeiten zur Förderung durch die EU. Die Regionen sollten darauf drängen, entsprechende Projekte in die künftig geplanten nationalen Partnerschaftspläne mit der EU aufzunehmen, empfahl Zeitler.
Bahn wichtig für Holz-, Chemie- und Metallexporte
Wirtschaftsvertreter ließen in Brüssel keinen Zweifel, dass sie den Ausbau der südschwedischen Bahnstrecken für nötig halten. Es gehe um den Transport von Holzprodukten, Stahl, Kupfer und anderen Metallen oder Chemikalien ins EU-Ausland, aber auch um den Import von Lebensmitteln für ganz Schweden, betonte Gustaf Engstrand vom schwedischen Bahnunternehmen Green Cargo. Die aktuelle Bahnanbindung Südschwedens stuft er als „sehr schwach“ ein. „Wir reden hier über das Funktionieren des ScanMed-Korridors im Jahr 2030“, sagte Asa Karlsson Björkmarker von Ikea. „Es geht um die Wettbewerbsfähigkeit von ganz Schweden.“ Handelskammervertreterin Dahl wies darauf hin, dass viele Unternehmen mit Blick auf die Fehmarnbeltquerung erhebliche Summen in Südschweden investierten.
Hauptstrecken in Südschweden an der Kapazitätsgrenze
Die Kapazität der Hauptstrecken sei erschöpft, betonte Rachel De Basso, Vorsitzende des Regionalausschusses der Region Jönköpings Län. „Die Regierung kann nicht behaupten, dass sie nicht weiß, was passiert, wenn der Fehmarnbelt-Tunnel öffnet“. Die sechs Regionen Südschwedens seien sich einig, dass die Region Jönköping eine verlässliche Bahnverbindung nach Stockholm, Malmö und Göteborg brauche. Linda Thulin von der schwedischen Verkehrsplanungsagentur Trafikverket wies darauf hin, dass zwischen Hamburg und Malmö bis zu 835 Meter lange Züge verkehren können. „Aber auf schwedischer Seite können wir die wegen mangelnder Kapazität nicht wirklich fahren lassen“, so Thulin.
Auch Stig Römer Winther, Geschäftsführer der dänischen Fehmarn Belt Development, wies auf die grenzüberschreitende Bedeutung der Verbindungen hin. Während die Arbeiten für eine Öffnung des Fehmarnbelt-Tunnels 2030 gut vorangingen, hätten die deutschen Behörden mitgeteilt, dass durch den Fehmarnsund-Tunnel vor 2032 keine Züge fahren würden. Er hoffe sehr, dass dieser Termin zumindest auf Mitte 2031 vorgezogen werden könne, sagte Römer Winter. Um die Wachstumschancen der neuen Verbindung zu nutzen, müssten die Teilstücke möglichst gleichzeitig in Betrieb gehen. Das betreffe auch die Strecken in Schweden. „Warum sitzen die Schweden auf ihren Händen?“, fragte der Däne.



